Der iconic turn und der pictorial turn haben die Bildforschung verändert. Die Tagung will diese beiden Wendepunkte der Kunst- und Bildgeschichte untersuchen und auf ihre Bedeutung wie Aktualität untersuchen. Unter vier Gesichtspunkten werden spannende Beiträge gesucht. Einsendeschluss für Abstracts: 31. März 2017.
Vor beinahe einem Vierteljahrhundert wurden mit dem iconic turn (Gottfried Boehm) und dem pictorial turn (William J. T. Mitchell) zwei Paradigmen geisteswissenschaftlicher Bildforschung etabliert. Seitdem ist viel geschehen: Eine bildtheoretische und bildkritische Perspektive ist zum festen Bestandteil zahlreicher Fächer geworden und hat sich in vielfältigster Weise ausdifferenziert. Gleichzeitig haben sich institutionelle Bedingungen und (massen-)mediale Dispositive weiterentwickelt. Mit dem zeitlichen Abstand stellt sich auch die Frage nach dem bisher Verdeckten und den Differenzen innerhalb der Bildforschung, wie auch deren Verhältnis zu anderen Paradigmen oder ›turns‹ der Gegenwart.
Die interdisziplinäre Tagung stellt sich zur Aufgabe, diese Momente der Wende zum Bild gleichermaßen genealogisch wie mit Blick auf gegenwärtige und zukünftige Entwicklung zu verfolgen. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus der Medienwissenschaft, der Kunst- und Bildgeschichte, der Literatur- und Kulturwissenschaften, der Philosophie sowie benachbarter Disziplinen sind eingeladen, sich mit einem Beitrag zu beteiligen. Darüber hinaus sind auch alternative Vortragsformate, insbesondere aus dem Bereich der künstlerischen und gestalterischen Forschung, ausdrücklich willkommen.
1) Bildtheorie diesseits oder jenseits der Kunst?
So wie sich die bildtheoretische Wende von der philosophischen Ästhetik abgrenzte, so die ›Bildwissenschaft‹ von der Kunstgeschichte. Die Perspektive auf Bilder jenseits der Kunst sollte neben einer ›Flut‹ massenmedialer Bilder auch die zunehmend in ihrer Bedeutung anerkannten technischen und epistemischen Bilder umfassen. Zugleich blieben Werke der bildenden Kunst eine zentrale Referenz für einen systematischen Bildbegriff, aufgrund ihrer Reflexivität vor allem die Werke seit der ästhetischen Moderne. Iconic und pictorial turn wurden so zu Katalysatoren einer weitreichenden Verschränkung des Ästhetischen und der Kunst mit Kategorien des Epistemischen wie ›Forschung‹, ›Wissen‹ oder ›Denken‹.
2) Entgrenzung und Digitalisierung: An den Rändern und unter der Bildfläche
Der iconic turn war grundlegend vor allem am flächigen, begrenzten Bild ausgerichtet: Vom gerahmten Tafelbild über die kadrierte Fotografie bis hin zum Diagramm als übersichtlicher, flächiger Inskription. Gerade die neueren Entwicklungen auf dem Gebiet digitaler Bilder, Displays und Interfaces stellen einen solchen Bildbegriff vor Herausforderungen: Einerseits tendieren aktuelle computerbasierte Formen der Sichtbarmachung zu Synästhesie, Dreidimensionalität, Bewegung und Haptik. Andererseits kommt mit der Tiefendimension des Codes eine neue Ebene von Operativität und Manipulierbarkeit ins Spiel, die die Idee von Übersichtlichkeit und Präsenz im Bild in Frage stellt.
3) Das Kulturelle als Feld der Bildforschung
In der deutschsprachigen Theorietradition begründete sich die Wende zum Bild oft anthropologisch oder als Kritik des abendländischen Logozentrismus. In der englischsprachigen Tradition stand dem – mit dem Begriff der ›visual culture‹ – eine Orientierung an der Kategorie des Kulturellen gegenüber, in der sich die Reflexion von Bildern mit Fragen von Kulturanalyse oder Identitätspolitik verband, etwa in W. J. T. Mitchells Verknüpfung des Bildbegriffs mit Differenzen von Geschlecht und Hautfarbe. Parallel hierzu entwickelte sich ›Transkulturalität‹ im letzten Jahrzehnt zu einem zentralen Bereich kunstgeschichtlicher Forschung, etwa in der Verbindung europäischer mit ostasiatischer Kunstgeschichte.
4) Das Ikonische im Lichte neuer Realismen und Materialismen
Der iconic turn wird häufig als Teil einer ganzen Abfolge geisteswissenschaftlicher turns (media, spatial, etc.) aufgefasst. Gemeinsam war diesen eine Rehabilitierung von Phänomenen der Präsenz, Sichtbarkeit und Räumlichkeit in Abgrenzung zu einem postmodernen Paradigma universeller Verweisung und Zeichenhaftigkeit. Seit einigen Jahren sind zu Stichworten wie ›spekulativer Realismus‹, ›objekt-orientierte Ontologie‹ oder ›Anthropozän‹ Debatten entstanden, die diese Tendenzen in verschiedener Weise radikalisieren und weiterführen. In der zeitgenössischen Kunst hat sich unter den Schlagworten ›post-internet‹ bzw. ›post-digital‹ eine neue Sensibilität für die materiellen Grundlagen digitaler Kultur herausgebildet.
Fahrt- und Unterbringungskosten werden bei einer positiven Beurteilung der eingereichten Themenvorschläge übernommen. Die Publikation der Beiträge in einem Sammelband ist geplant.
Bitte senden Sie Ihren Themenvorschlag (max. 2000 Zeichen) zusammen mit einem Kurz-CV bis zum 31.03.2017 an ikonische.wende(at)zhdk.ch
Organisation: Martin Beck, Jonas Etten, Julian Jochmaring, Hans Kannewitz, Fabian Alexander Kommoß, Lina Maria Stahl.