Call for Papers

Call for Papers: Rahmung und Spiegelung. Wiederholungsfiguren in Text, Bild und illustrierten Texten, am 10. und 11. November 2017 in Köln

Literatur- und Kunsthistoriker will die Tagung zusammenbringen. Sie widmet sich den Verknüpfungen zwischen Text und Illustration, zwischen rhetorischen und bildkünstlerischen Verfahren im Zeitraum zwischen 100 und 1700. Wer diese Zusammenhänge erforscht und interdisziplinär, aber auch kunst- oder literaturhistorisch arbeitet, der kann seine aktuelle Arbeit vorstellen. Einsendeschluss für Abstracts: 31. März 2017.

Aus mittelalterlicher Zeit sind literaturtheoretische Überlegungen in Bezug auf die volkssprachliche Literatur nicht überliefert, obgleich die Sprache der epischen und religiösen Texte als anschaulich bezeichnet werden kann. Eine Nähe zur Evidenz der Bilder kann nicht übersehen werden (Hoeps, Handbuch der Bildtheologie). In literarischen Texten und in Bildern sind allerdings zunehmend Formen von Selbstreflexivität im Sinne einer mise en abyme auszumachen. Diese in Bildwerken vorfindlichen Strategien sind den Exkursen und den metapoietischen Aussagen literarischer Werke vergleichbar, insofern diese Kernaussagen der Handlung, Ideen des Autors und damit auch Aspekte einer literaturtheoretischen Konzeption verdichten. Auch die kommunikativen Bedingungen der Rede können auf diese Weise metadiegetisch gespiegelt und innerliterarisch zur Schau gestellt werden. Es sind medial komplexe Passagen, die das Wiederholte und das Wiederholende zugleich vor Augen stellen. Als Wiederholungsfiguren sind sie selbstreflexiv.

Für Bild und Illustration lassen sich vergleichbare Momente beschreiben. Es ist ein auf Platon zurückgehender Gedanke, dass der Spiegel als Schlüsselmetapher für das Malen verstanden werden kann, so wie Alberti im Narziss den mythischen Begründer der Bildkunst sieht. So stehen Bild und Illustration zu einem Vorausliegenden (‚Wirklichkeit’ bzw. ‚Text’) in einem mimetischen, einem abbildenden Verhältnis. Das bildtheoretische Konzept des gemalten Spiegels und des Bildes im Bild wird von der christlichen Malerei bis in die Moderne tradiert. Sicher wandelt sich die Art und Weise der Selbstreflexivität im Zuge der erkenntnistheoretischen Verschiebungen zwischen Mittelalter, Früher Neuzeit und 18. Jahrhundert fundamental, doch die intramediale Verdoppelung des Mediums bleibt erhalten. Und über diese Wiederholungsfigur sind die Verfahren des Vor Augen Stellens erschließbar, weil Referiertes und Referierendes simultan gezeigt und zugleich in ihrem Verhältnis deiktisch evident werden.

Da alle Formen medialer Wiederholung im Medium selbst dem rhetorischen Verfahren der mise en abyme verwandt sind, rücken gerahmte ‚Spiegelungen’ unterhalb der Ebene des dargestellten Ganzen in den Blick. Auf dieser nachgeordneten Ebene ist es möglich, Auskunft zu erhalten über die formale und über die interaktive Relation von vor Augen Gestelltem und unmittelbarem Kotext und Kontext. Solche intramedial-selbstreflexiven Formen zeigen die eigenen medialen Bedingungen, weil diese selbst in den Text bzw. ins Bild eingebettet sind und zur Schau gestellt werden. Heuristisch können für intramediale und intermediale Wiederholungen abbildende, narrative, repräsentierende und kommentierende Relationen zum Wiederholten unterschieden werden. Doch gleichermaßen ist an Formen der Auratisierung, Paradoxierung und der rhetorischen Verdunklung zu denken, die der selbstreflexiven Idee und der Identifizierungsleistung der Wiederholungsfigur nicht zu entsprechen scheinen, wenn man an die Metapher des blinden, dunklen, unebenen Spiegels denkt oder aber an religiöse Lichtmetaphoriken, an metaphorisch aufgeladene Exkurse oder Metaphern in Metaphern, die der Dechiffrierung des eigentlich Gemeinten entgegenzuarbeiten scheinen.

Die Werkstatt lädt, ein über die hier skizzierten Formen von Rahmung und Spiegelung in Text und Bild nachzudenken, um anhand des sichtbaren bzw. greifbaren Umgangs mit referentiellem Wissen das Bedingungsgefüge des Vor-Augen-Stellens genauer zu bestimmen. Selbstreflexion innerhalb des Bild- und Textmaterials, aber auch anhand von in den Text inserierten Illuminationen ist immer zugleich Medienreflexion. Es soll darum gehen, heterogene Figuren der Wiederholung zwischen Repräsentation/ Vergegenwärtigung und Evidenz/ Präsenz zu beschreiben. Einerseits verweist das Wiederholte auf seinen Referenten, dem es damit hierarchisch nachgeordnet zu sein scheint. Andererseits intensiviert, potenziert und pluralisiert die Wiederholung und schiebt das Gezeigte auf diese Weise in den Raum der Präsenz. Doch lassen sich neben solchen Formen der Steigerung, Bekräftigung und Explikation auch Formen der Inversion und der Abwertung greifen, wenn sich ein Bedeutungsgefälle beobachten lässt, wenn das Wiederholte als Alternative des Wiederholten vor Augen gestellt wird. Die zentrale Frage ist also, wie die eigentliche Bedeutung des Gezeigten (das vor Augen Gestellte an sich) jeweils mit dem semantischen Gehalt des Verweisens verbunden ist. Ausgangspunkt für die Referate können Binnenerzählungen und das Bild im Bild selbst sein, Motive der Selbstreflexivität (Narziss, Spiegel, Vanitas, Portrait usf.) oder aber auch systematische Überlegungen zum Phänomen der mise en abyme in den Künsten.

Forschungsansätze, die das Interesse der Werkstatt flankieren, lassen sich mit den Schlagwörtern Interpiktoralität, Metaisierung, Mimesis, Potenzierung, Selbstdarstellung bzw. Selbstreflexivität erfassen. Die literatur- und bildtheoretischen Überlegungen zum Gegenstandsbereich der Wiederholung gehen dabei entweder von den Wiederholungsfiguren selbst aus, wenn sie ihre Beiträge etwa unter dem Stichwort der Metaisierung bündeln und schließen von dort auf das Allgemeine (Belting, Spiegel; Hauthal, Metaisierung; Stoichita, selbstbewußtes Bild; Wolf, Illusionsdurchbrechung u.a.), oder sie schlagen den umgekehrten Weg ein unter dem Stichwort der Selbstreflexivität (etwa: Böhn, Vollendete Mimesis; Buch, Selbstreflexivität; Anton, Selbstreflexivität, Mann, Erscheinen, Nöth, Mediale Selbstreferenz, Scheffel, Formen selbstreflexiven Erzählens).

Das zu bearbeitende Gegenstandsfeld im Zeitraum zwischen 1100 und 1700 umfasst erstens das mimetische Verhältnis von Text und Bild und es reicht zweitens von in den Text inkludierten Figuren bis zu Erzählungen in Erzählungen und drittens von bildinternen Wiederholungen, Rahmungen und Spiegelungen aller Couleur bis hin zum Bild im Bild. Wiederholungsfiguren als Ausdruck des Vor-Augen-Stellens sollen damit auf unterschiedliche Weise perspektiviert und konturiert werden. Das Themenspektrum ist breit gefächert. Möglich sind Beiträge zu:

  1. Identität und Differenz von Repräsentierendem und Repräsentiertem
  2. Raumkonzeption im Blick auf das Verhältnis von Repräsentierendem und Repräsentiertem
  3. Simultaneität und Ungleichzeitigkeit
  4. Bedeutungsbildung (mögliche Stichworte wären hier einerseits intramediale bzw. intermediale Bedeutungspluralisierung, -verdichtung, -zirkulation und andererseits intramediale bzw. intermediale Abwertung, Bedeutungsreduktion bzw. -verdunk­lung)
  5. Evidenzerzeugung durch Verdopplung, Verdichtung usf. (etwa bei vanitas-Dar­stel­lungen und Pleonasmen)
  6. Verrätselung und/oder Paradoxierung (etwa Wiederholung als Irritation semiotischer Relationen)
  7. Wiederholung und Spiegelung als Annäherung an das Undarstellbare im religiösen Kontext
  8. Iteration als Mittel der Potenzierung des vor Augen Stellens bzw. des vor Augen Gestellten

Wir möchten Literatur- und Kunsthistoriker auffordern, sich mit passenden Problemstellungen aus ihrem Fach oder interdisziplinären Fragestellungen an der 2. VAS-Werkstatt zu beteiligen. Bitte schicken Sie uns Ihre Vorschläge als einseitiges Exposé nach Möglichkeit bis zum 31.03.2017 an: fwenzel2@uni-koeln.de

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