Call for Papers

Call for Papers: Tagung „Ornament und…“. Über die Ränder ästhetischer Theorien und Praktiken, 30. September – 2. Oktober 2011 in Krems an der Donau

Das Motto der 16. Tagung des Verbandes Österreichischer Kunsthistorikerinnen und Kunsthistoriker in Krems an der Donau (Niederösterreich) lautet "Ornament und ...". Die Tagung möchte das Ornament nicht allein von seiner ästhetischen Funktion in Theorie und Praxis der Moderne her denken, sondern in einem weiteren Blick nach seiner Rolle als ein theoretisches token fragt, über das sich historische und kulturelle Differenzen und Interferenzen reflektieren lassen. Einreichfrist ist der 6. März 2011.

„Je tiefer die Cultur, desto stärker tritt das Ornament auf. Das Ornament ist etwas, was überwunden werden muß.“ Adolf Loos’ Invektiven gegen das Ornament und alles Ornamentale in Kunst und Kultur sind gleichzeitig Höhepunkt wie vorläufiger Abschluss einer intensiven Auseinandersetzung mit dieser gemeinhin wenig beachteten, eher randständigen Kategorie. Zwar war keiner von Loos Vorläufern je zu einer vergleichbar abfälligen Einschätzung des Ornaments gelangt, doch in ihren Analysen nahm es einen ähnlich zentralen Platz ein: Für John Ruskin etwa wurde die spezifische Gestaltung eines Ornaments zum Gradmesser der geistigen und moralischen Verfasstheit einer Epoche, dem Wiener Kunsthistoriker Alois Riegl war es Leitfossil in der Veranschaulichung unterschiedlichen Kunstwollens, und der englische Architekt Owen Jones versprach sich aus dem Studium des Ornaments gar eine Erneuerung der Kunst und verfasste zu diesem Zweck eine Grammar of Ornament.

Möglicherweise verdankt das Ornament seine Bedeutung in thematisch so unterschiedlich ausgerichteten ästhetischen Diskussionen um 1900 just seinem an sich prekären Status: Eben weil es immer schon als Supplement, als parergon erachtet wurde, das dem eigentlichen Werk sowohl ästhetisch wie semantisch untergeordnet war, ließ es sich leicht von diesem ablösen; umso mehr, als es sich meist ohnehin an den Rändern befand, ja als Zierleiste, Bilderrahmen, Gewandsaum die Grenzen des Werkes häufig allererst konstituierte. Und war das Ornament seit jeher zwar kein unspezifisches, gleichwohl aber universelles Phänomen, das sich allen Gattungen und Genres anheftete, so brachte die maschinelle und massenhafte Herstellung von Waren es auf eine Weise zum Wuchern, die seinen Einsatz immer beliebiger werden ließ und seinen Status damit noch weiter problematisierte. Zweifellos also lässt sich die Präsenz des Ornaments in der ästhetischen Theorie und Praxis als Reaktion auf diese historische Entwicklung verstehen, und zweifellos provozierte gerade seine Dekontextualisierung und semantische Entleerung jene Fragen, die nach und nach zu einer Neuaufteilung des ästhetischen Feldes führen sollten. Fragen wie etwa die nach dem Verhältnis von freier und angewandter Kunst und deren unterschiedliche theoretische Fundierung; Fragen nach der Relation der einzelnen Medien zueinander und ihrer jeweiligen Spezifität, nach dem Verhältnis von Form und Funktion, von Wert und Aufwand, von Mode und Stil, u.v.a.m. Kurz: Das Ornament wurde zum Geburtshelfer der Moderne, allerdings um den Preis, selbst entweder als überflüssig verdrängt zu werden oder als abhorresziertes Gegenbild der Abstraktion ein mehr oder weniger dürftiges Dasein zu fristen.

In letzter Zeit jedoch scheint das Ornament wiederum aus der Latenz zu treten, denn sowohl die theoretische als auch die künstlerische Auseinandersetzung haben zugenommen: Das Semper’sche Modell vom Ursprung der Baukunst in der Bekleidung aufnehmend, taucht das Ornament etwa immer häufiger als Motiv oder Muster auf den Oberflächen von Gebäuden auf; gleichzeitig steckt es als digital bearbeitete Struktur nicht nur in den Bauplänen einzelner Gebäude sondern in denen ganzer Städte. Doch auch außerhalb der Architektur hat das Ornament eine Präsenz in der Gestaltung von Oberflächen, die sich im avancierten Design ebenso bemerkbar macht wie in der billigsten Verpackung, und schließlich ist es auch wieder in die bildende Kunst eingezogen, in der Dekorativität offenbar kein pejoratives Attribut mehr ist. Sind es also in einem Fall neue technische Möglichkeiten, die eine Renaissance des Ornaments befördern, so mag im anderen Fall auch der globalisierte Kunstmarkt hiefür eine Rolle spielen. Kontinente und kulturelle Differenzen durch- und überquerend scheint das Ornament als abstraktes Muster weiterhin eine Universalsprache zu verheißen, die sich gleichermaßen als traditionell und modern verkaufen lässt – ein Motiv, das nicht zuletzt auf der documenta 12 eindringlich beschworen wurde. Eine mögliche Auswahl an Themenbereichen findet sich in unten angeführter Liste:

Ornament und Abstraktion: Definitionen, Vergleichbarkeiten, Differenzen, Referentialität, Fragen der Einheit und der Vielheit, Fragen der Grenzen, Ornament als Widerlager der Abstraktion, Ornament zwischen Mimesis und Abstraktion

Ornament und Ökonomie: Folgen der Industriellen Revolution: Demokratisierung der Kunst oder Vermassung des Ästhetischen?, Mehrwert des Ornaments, Poetik und Politik des Überflüssigen, bildimmanente Ökonomie, Verwaltung pikturaler Ressourcen

Ornament und Politik: Rolle in der Ästhetisierung von Politik, Ornamentalität politischer Symbole, Ornamente der Massen, Universalismus, Gemeinschaftsbildung

Ornament und Religion: Visualisierung des Göttlichen bzw. Transzendentalen, bildtheologische Implikationen des Ornamentalen, Rolle des Ornaments in den verschiedenen Religionen

Psychologie des Ornaments: horror vacui, Wiederholungszwang, Ornament als hysterisches Symptom, Ornament als Risse und Brüche überdeckende Form, als Zähmungsfigur

Ornament und Zeitlichkeit: Wiederholung, Serialität, Rekursion, Ornament als zeitlicher Index, Historizität vs. Universalismus

Ornament und Raum: Situierungen des Ornaments, Ornament als Grenzartikulation, Ornament als Zwischenraum, Fläche: Raum, Ornamente im Bildraum, Bildraum als Ornament

Ornament und Bedeutung: Bedeutungsproduktion ergon : parergon, funktionaler : semantischer : dekorativer Wert


Für die einzelnen Vorträge ist ein Zeitraum von 40 Minuten vorgesehen. Eine Auswahl der Vorträge wird 2012 in einem Tagungsband publiziert werden.
Bitte schicken Sie Ihre Vorschläge in Form eines Exposés von max. 2.000 Zeichen zusammen mit Ihrem Namen, Adresse und gegebenenfalls Ihrer institutionellen Anbindung an:

VERBAND ÖSTERREICHISCHER KUNSTHISTORIKERINNEN UND KUNSTHISTORIKER; KÜNSTLERHAUS, KARLSPLATZ 5, 1010 WIEN oder contact@kunsthistoriker.at.

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