In der Ausstellung „Paare und andere Individualisten in Hamburg“, die vom 11. November 2008 bis zum 9. Januar 2009 in der Handelskammer Hamburg zu sehen ist, widmet sich die Hamburger Malerin Carolin Beyer (*1962) in innovativer Farb- und Formsprache dem gegenwärtig zu Unrecht stiefmütterlich behandelten Genre der Portraitmalerei.
In 28 großformatigen Bildnissen, Doppelportraits und Einzelbildern, fängt sie bekannte und unbekannte Einwohner der Hansestadt ein und rückt dabei, fast so sachlich wie eine Psychologin, die Darstellung der jeweiligen Wesensart in den Vordergrund. Als „Spurensicherung“ hat sie ihre Tätigkeit als Portraitmalerin selbst einmal bezeichnet. Und tatsächlich legt die Künstlerin während ihrer Arbeit einen hellwachen Spürsinn an den Tag, um die Persönlichkeit des Portraitierten in all ihren Facetten zu erfassen. Es geht Carolin Beyer um den Menschen selbst und die objektive Charakteristik mit den Mitteln der Malerei.
Im Gespräch mit Roger Willemsen beschreibt sie sehr eindringlich die Annäherung an das Gegenüber. Einfühlsam und vorsichtig scheint sie den Kern eines Menschen mit dem Malgrund auf ihrer Leinwand zu verschmelzen, wenn sie sagt: „Der Pinsel ist ja meine Wünschelrute und damit versuche ich herauszubekommen, wann ein Mensch am meisten er selbst ist“. Und sie fährt fort: „Für mich ist ein Portrait erst dann gelungen, wenn ich es geschafft habe, dieses eigentliche Gesicht einzufangen. Diesen echten, unverstellten Blick. […] Es ist eine Reise in die Seele eines Menschen, eine Expedition, deren Ergebnisse mit Pinsel und Farbe in die Sprache eines Bildes übersetzt werden müssen.“ Dabei kehrt Carolin Beyer die viel besungene „innere Schönheit“ des Menschen nach außen, denn als „Augenmensch und Ästhetin“ versucht sie „den Portraitierten in seiner ganz persönlichen Schönheit einzufangen.“ Für sie besitzt jeder Mensch eine individuelle Schönheit, die nicht auf ein makelloses Gesicht reduziert werden kann, sondern sich in einer Aura äußert.
Diese markante Ausstrahlung ist für Carolin Beyer wichtig, denn sie verbindet damit eine Farbskala: „Es gibt für mich von jedem Menschen einen farblichen Ersteindruck.“ Und diesen macht sie sich in ihren Arbeiten zu Nutze. Neben dem expressiven Pinselduktus ist es nämlich vor allem das kraftvolle Kolorit, das die Portraits aus der Masse hervorhebt. Sind die Bilder anfangs noch stumm, so beginnen sie dem Betrachter nach und nach Geschichten zu erzählen, Geschichten, die sich den Gesichtern, den Händen, eigentlich der ganzen Körpersprache der Portraitierten eingeschrieben haben. Keiner der Personen wirkt steif oder auf dem Bildträger eingefroren. Sie leben durch ihre entspannte Körperhaltung, den vitalen Pinselstrich und die lebendigen Farben. Die Menschen werden von Carolin Beyer immer in ihrer ganzen Erscheinung gezeigt, in den ihnen typischen, angenehmen Haltungen.
Neben Ehepaaren, präsentiert die Künstlerin in der Ausstellung auch ganz überraschende Beziehungen, etwa einen Akkordeonspieler mit seinem Instrument, eine Journalistin mit ihrer Fotokamera oder eine Dame, die in Begleitung ihres Hündchens ist. Die Dargestellten bleiben ganz bewusst nicht anonym und so begegnen uns Mediziner wie Uwe Schmidt, Persönlichkeiten aus dem Kunst- und Museumsbereich wie der verstorbene Helmuth R. Leppien, Schauspieler wie Barbara Auer oder Journalisten wie Claudia Herstatt und Roger Willemsen. „Die Künstlerin“, so Felix Billeter in seinem Katalogbeitrag, „hat ihre Serie unter ganz eigenen Gesichtspunkten zusammengestellt: Ohne Ansehen der Herkunft oder des Berufes reiht sie die ihr bekannten Menschen gleichberechtigt nebeneinander, […]. So zeigt sie uns die Menschen in ihrem jeweiligen Wesen, in ihrem So-Sein.“ Mit künstlerischer Vielfalt und doch Einzigartigkeit sucht Carolin Beyer sich der ewigen Menschheitsfrage „Wer bin ich?“ anzunähern. Und so geht es in dieser Präsentation, wie Billeter es pointiert formuliert, ganz einfach um „Menschen aus der Welt einer Malerin, die mit ‚Paaren und anderen Individualisten’ uns Betrachtern die nicht minder alte philosophische Aufforderung vor Augen hält: ‚Erkenne dich selbst!’“
Ergänzend zu den großformatigen Bildern der Künstlerin, sind die Fotografien von Michael Zapf zu sehen. Der Hamburger Fotograf hat die Entstehung der Werke im Atelier Carolin Beyers mit der Kamera begleitet und einige Begegnungen der portraitierten Persönlichkeiten mit ihrem Bildnis dokumentiert. Dieser „erste freudige Erkenntnisschrecken“ [Roger Willemsen] ist für Carolin Beyer sehr wichtig, zumal sie „es immer sehr bewegend [findet] mitzuerleben, wie der Prozess des Sich-Annehmens, dieser Gewöhnungsprozess an sich selbst vonstatten geht.“
Mit einer gelungenen Werkpräsentation, vor allem aber durch die qualitativ hochwertigen Arbeiten Carolin Beyers, weiß die Handelskammer Hamburg mit der Ausstellung „Carolin Beyer. Paare und andere Individualisten in Hamburg“ zu überzeugen. Fazit: Ein wunderbarer Griff in die Schatzkiste hanseatischer Gegenwartskunst!
Zur Ausstellung erscheint ein alle Werke farbig abbildender Katalog.
Handelskammer Hamburg
Adolphsplatz 1
20457 Hamburg
http://www.hk24.de/kultur
Öffnungszeiten
Mo-Do 9-17 Uhr
Fr 9-16 Uhr
Zusatzinformation
http://www.carolinbeyer.de
Katalog
Carolin Beyer. Paare und andere Individualisten in Hamburg, mit Fotos von Michael Zapf, einem Interview von Roger Willemsen und einem Text von Felix Billeter, Verlag Dölling und Galitz, Hamburg, München 2008, 96 Seiten. ISBN 978-3937904-79-5, Preis: € 22,50