Kataloge

Castello del Buonconsiglio zu Trento: Castelnuovo, Enrico/ Gramatica, Francesca de: Il Gotico nelle Alpi 1350-1450. catalogo della mostra, Museo Diocesano Tridentino, 20 luglio-20 ottobre 2002, Provincia Autonoma di Trento, Trento 2002.

Denkt man an Gotik, so hat man zunächst an die großen französischen Kathedralen mit ihren beeindruckenden Dimensionen, ihren bunten Fenstern und großen Skulpturen vor Augen.

Gotische Kunst umfasst aber auch den Bereich der Kleinkunst, Tafel- und Freskenmalerei und sie hat sich auch aus anderen Landschaften erhalten. Eine von ihnen ist der Alpenraum, der eine ungewöhnlich reiche Überlieferung gotischer Denkmäler aufweist.

Im vergangenen Jahr unternahm eine großangelegte Ausstellung im Castello del Buonconsiglio zu Trento den Versuch, aus den vielen Mosaiksteinen der Überlieferung ein Panorama der alpenländischen Gotik auszubreiten. Man konzentrierte sich dabei auf den Zeitraum zwischen 1350 und 1450, in dem die Region vom Einfluss des gotischen Stils erfasst wurde, diesen aufnahm und verarbeitete. Anhand von 180 Bildzeugnissen aus dem gesamten Alpenraum wurde dem Besucher eine Vorstellung von den verschiedenen Gesichtern der Kunst dieser Zeit und in einem weitgespannten Gebiet gegeben, dessen Dimensionen vom westlichen Piemont bis nach Slowenien, vom Aostatal über die Landschaft des Lago Maggiore und die Tiroler Täler, über Graubünden und das Salzburgische bis hin nach Venetien, Trentino und Friaul reichen. Ziel war es, die Atmosphäre an den kleinen wie großen Höfen, den Weg der Künstler, aber auch der Ideen und Bildvorstellungen nachzuzeichnen und die trotz aller Unterschiede bestehende Gemeinsamkeit innerhalb der komplexen artistischen Physiognomie dieses Raumes anhand einer Fülle von Material aufzuzeigen.

Ausstellungsbegleitend erschien ein umfangreicher Katalog, dessen erster, 400 Seiten starker Teil zahlreiche Essays namhafter Wissenschaftler enthält. Die Beiträge führen dabei von einleitenden Ausführungen zum „Herbst des Mittelalters“ über Untersuchungen zur Funktion und Gestalt der alpenländischen Stadt oder der Rolle von Kirche und Mönchtum hin zu spezifisch kunsthistorischen Fragestellungen, etwa der Problematik einer alpinen Buchproduktion (Vgl. unter anderem Beiträge Castelnuovo, Varanini, Frioli). Einst Schmelztiegel unterschiedlichster Kulturen sowie Berührungspunkt zwischen dem nördlichen Europa und Italien, trafen im Alpenraum verschiedenste künstlerische Einflüsse aufeinander und beeinflussten sich gegenseitig. So wanderten Bildhauer, Maler, Architekten oder Steinschneider von den oberitalienischen Seen bis nach Venedig. Umgekehrt breiteten sich, vor allem in den östlichen Alpen venezianische Einflüsse nach Norden hin aus und erreichten schließlich auch den deutschen Raum. Diesen Weg der Künstler und, damit verbunden, auch der künstlerischen Ideen nachzuzeichnen, ist Gegenstand mehrerer Essays (Vgl. Beiträge Gentile, Castri, Cavazzini sowie Sektion IV, V).

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In den Ostalpen fand die Altarkunst mit polychromen Holzskulpturen eine weite Verbreitung, nicht zuletzt dank der Aktivitäten solcher Meister wie dem Salzburger Hans von Judenburg, einem der Repräsentanten des sogenannten „Weichen Stils“. Vom böhmischen Einfluss zeugt hingegen noch heute die Eleganz der zahlreich erhaltenen „Schönen Madonnen“ (Vgl. Beiträge Andergassen, Schulthes, Sektion VI, VII). Und während im Adlerturm zu Trento großartige Fresken entstanden, betrieben am anderen Ende der Alpen, in Chambéry, die Herzöge von Savoyen ihrerseits eine Kunst auf höchstem Niveau und beschäftigten angesehene Künstler (Vgl. Beitrag Castelnuovo). Zu diesen zählten unter anderen der Minator Jean Bapteur, der mit der Dekoration von Paramenten, Wandteppichen und Tapisserien betraut wurde und später mit Péronet Lamy eine prachtvolle Handschrift der Apokalypse (heute Madrid, El Escorial, Bibl. Laurentiana, Ms. E. Vit. 5) ausgestaltete, oder der Goldschmied Jean de Malines, der eindrucksvolle porträthafte Heiligenfiguren, darunter auch eine kostbare Reliquienbüste des Heiligen Johannes Baptist fertigte.

Einen gewissen Schwerpunkt setzt der Katalog bei der Behandlung profaner Themen. Diese Gewichtung erscheint jedoch gerechtfertigt, haben sich doch gerade im Alpenraum ungleich viele Bildzeugnisse weltlicher Thematik erhalten, die nicht zuletzt das große Interesse der Auftraggeber an Höfisch-Ritterlichem belegen. Man denke etwa an die berühmten Ausmalungen der „Bilderburgen“ Runkelstein und Rodenegg. Zu verweisen sei aber auch auf das Castello d\'Sabbionara zu Avio oder das Castello zu Arco, deren profane, noch in dieser Spätzeit deutlich in höfischer Tradition stehende Wandbilder zu den Kleinodien spätmittelalterlicher Malerei zählen und deren Bildprogramme sich zugleich durch eine erstaunliche Souveränität und Opulenz auszeichnen (Vgl. Beitrag Degli Avancini). Zwei Aufsätze widmen sich der Problematik „Il mondo cavalleresco“ im nordwestlichen und nordöstlichen Alpenraum in eher allgemeiner Überschau (Vgl. Beiträge Castronovo, Cozzi), wobei letzterer bereits die Monatsbilderfresken im Adlerturm des Castello del Buonconsiglio zu Trento in den Mittelpunkt stellt. Die nach dem Vorbild französischer Miniaturen konzipierte Bildfolge veranschaulicht den Verlauf der Monate und Jahreszeiten gleichsam als ein von Bauern, Jägern und Waldarbeitern bevölkerter visualisierter Kalender, der zugleich die höfische Welt vor Augen führt und dessen reizvolle Darstellung sich im Schnee amüsierender Edelleute vor dem Castel Stenico (Detail des Monats Januar) dem Katalog sein Äußeres verlieh. Die Monatsbilder, deren Anfertigung der Erzbischof und Potentat Georg von Liechtenstein um 1400 in Auftrag gab, sind ein außergewöhnliches Zeugnis des internationalen gotischen Stils. Kompositorische Besonderheiten sowie Einzelheiten im Detail sprechen für Herkunft des Malers aus dem nördlichen Europa; vielleicht war es jener wohl aus Böhmen stammende Meister Wenzeslaus, dessen Anwesenheit als Hofmaler des Liechtensteiners in Trento einige Dokumente belegen (Vgl. Beiträge Wetter, Curzel, De Gramatica).

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Der zweite, ebenso umfangreiche Teil des Kataloges präsentiert in übersichtlicher Form und gruppiert in insgesamt zehn Sektionen 162 der 180 ausgestellten Objekte. Eröffnet wird die Reihe mit den Werken der ritterlichen Welt, die durch Fresken, Tapisserien und Zeichnungen, aber auch durch Waffen und Rüstungen vertreten wird. Zu den Besonderheiten zählt hier ein abgelöster Freskenzyklus aus Alessandria mit Darstellungen nach dem Lanzelotstoff. Zwar gehört die Stadt nicht zum Alpenraum, dennoch verweist der Einfluss der französischer Hofkunst im Piemont auf deren Blüte auch jenseits der Alpen. In Umkehrung hierzu schuf ein lombardischer Meister im Trientiner Stadtschloss ein wuchtiges Schlachtengemälde in der Tradition der Frührenaissance. Abgeschlossen wird die Sektionsreihe von den „Tesori“. Hier werden Meisterwerke der Goldschmiedekunst präsentiert, darunter die wohl aus dem Dom von Brixen stammende, heute im Kunsthistorischen Museum Wien aufbewahrte preziöse Reliquienbüste des Hl. Cassianus oder ein elfenbeinernes Pastorale des Hl. Eusebius aus dem Sanktuarium von Oropa (Biella). Dazwischen entspannt sich in den weiteren Abteilungen die gesamte Breite künstlerischer Produktion vom Flügelaltar über die Miniatur bis hin zur „Schönen Madonna“.

Ein Wermutstropfen - der nicht das Buch, sondern den Prozess seiner Beschaffung betrifft - bleibt jedoch: Denn trotz allen äußeren Anscheins ist eine direkte und unproblematische Order über die Hompage des Castello del Buonconsiglio nicht so einfach möglich, da nur per Überweisung bezahlt werden kann (Hinweis: 20 Euro Versandkosten kommen zum Grundpreis noch hinzu, was nicht auf den ersten Blick ersichtlich ist). Auch innerhalb Italiens führte eine Order über den Buchhandel nicht zum Erfolg. Das Bestellprocedere kann durchaus langwierig sein und erfordert vom Interessenten vor allem Durchhaltevermögen. Eine Alternative wäre die Bestellung bei einem der einschlägigen online-Antiquariate, allerdings zu einem höheren Grundpreis. Wer hartnäckig bleibt, wird jedoch mit einem außergewöhnlich schönen, inhaltsreichen und in jeder Hinsicht gewichtigen Katalog belohnt.

Bibliographische Angaben

Castello del Buonconsiglio zu Trento: Castelnuovo, Enrico/ Gramatica, Francesca de: Il Gotico nelle Alpi 1350-1450. catalogo della mostra, Museo Diocesano Tridentino, 20 luglio-20 ottobre 2002, Provincia Autonoma di Trento, Trento 2002.
846 p.: ill.;
ISBN: 88-900909-0-1

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