Buchrezensionen, Rezensionen

Christopher F. Laferl/Anja Tippner (Hg.): Leben als Kunstwerk. Künstlerbiographien im 20. Jahrhundert. Von Alma Mahler und Jean Cocteau zu Thomas Bernhard und Madonna, transcript Verlag 2011

Star-Wars oder Hymnus des Individuellen: Star-Images sind nach dem Muster einer romanhaften Erzählung oder nach der Vision flüchtiger Bildkaleidoskope im Musikclip geformt. Eine Herrschaftsübernahme durch die MTV-Ästhetik hat stattgefunden. In der Publikation »Leben als Kunstwerk« ergründen wissenschaftliche Essays von Professoren und Kuratoren spannend und unterhaltsam, welche gesellschaftlich vorgegebenen Erwartungsmuster den neuen Star- und Celebrity-Status der Künstlerpersönlichkeiten konstruieren. Sonja Lüke hat die erhellende Lektüre über Josef Beuys, Jean Cocteau, Marilyn Monroe, Thomas Bernhard, Wazlaw Nijinski, Langston Hughes, Nicolás Guillén, Aimé Césaire, Alma Mahler, Václav Havel und Madonna genossen.

»Es sei das Recht des Werkes, den Autor umzubringen«, meinte Roland Barthes und er lag falsch: Denn »es gab einen historischen Augenblick in den 1990er Jahren, als man noch keinen so entlegenen Winkel der Welt aufsuchen konnte, ohne dass einem entweder das Gesicht von Michael Jackson oder von Madonna von irgendeinem Bildschirm entgegengeblickt hätte.« Heiligenvita und Künstleranekdote verschmelzen, es gibt frühneuzeitliche und mittelalterliche Vorstufen der Mythenbildung. Der Grat zwischen biographischer Kolportage und biographischer Recherche war natürlich schon immer schmal. »Bestimmte Kunstrichtungen erfordern geradezu zwingend die Schaffung einer biografischen Legende.« In Autobiografien schreibt keineswegs immer das Leben den Text vor. Häufig ist es sogar umgekehrt: Der Text fungiert als Drehbuch des Lebens.

Lebenskunst oder ästhetisches Artefakt? Wer ist biografiewürdig? Der ausgeprägte Hang zur Selbststilisierung macht die Frage nach dem primären Objekt der Aufmerksamkeit, ja die Aufspaltung zwischen Person und Werk, ohnehin obsolet. Natürlich wird der Unterschied zwischen Leben und Kunst nie ganz aufgehoben sein, trotz gegenteiliger Beteuerungen. Das selbst zum Kunstwerk erhobene Künstlerleben verschärft das Spannungsverhältnis nur. Überflüssig wird eher die Frage nach der Authentizität. Denn sie ist sowieso inszeniert: »Benötigte man früher noch eine Schwundstufe an menschlicher Authentizität, um daraus einen Star zu basteln, so kann er heute zur Gänze am Computer errechnet werden. Seit rund zehn Jahren kann man beobachten, dass zum ersten Mal in der Geschichte der Produktion von Stars der Ausgangspunkt nicht ein Mensch, sondern ein Pixelhaufen ist«, schreibt Mießgang, Kurator der Kunsthalle Wien, über den Marilyn-Madonna-Komplex.

Die Zusammenschau aus den Bereichen der Literatur, der Musik und den bildenden sowie den performativen Künsten, wie sie dieser Band zum ersten Mal bietet, ermöglicht eine Abstraktion und eröffnet so den Blick auf übergreifende Künstlerkonzepte. Die Rezeption in biographischen Texten, Filmen und anderen Medien wird beleuchtet, um die gängigen Klischees und die wahren Geschichten über kreative Persönlichkeiten zu dechiffrieren. Beuys ließ seine Asche in drei Honiggefäßen auf dem Grund der Nordsee bestatten, Andy Warhol besaß 1000 Fotos von seinem persönlichen Star Marilyn Monroe: Nicht zuletzt beinhaltet die Publikation einen wunderbaren Anekdoten- und Zitatenschatz.

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