Ausstellungsbesprechungen

Claudia Fischer-Walter – Zeichnungen, Katharinenthaler Hofgut bei Pforzheim, bis 27. Mai 2012

Claudia Fischer-Walter schafft aus einem Kosmos feiner Striche sowie Licht und Schatten Figurationen, tierische Chiffren und erzählerische Capriccios. Sie ist eine Meisterin des Versteckspiels. Ihre Botschaften sind solche für den zweiten Blick, sie arbeitet für den Betrachter, der sich Zeit nimmt. Günter Baumann hat sich den Zeichnungen genähert.

Es wirkt fast wie ein konspirativer Ort, wenige Kilometer hinter Pforzheim gelegen: das Katharinenthaler Hofgut. Es ist ein ländliches, man kann schon sagen: unwegsam-sprödes Idyll, an das man schon gern ein bestimmtes Ziel knüpft. Seit fünf Jahren bietet die Künstlergilde Buslat hier ein Ausstellungsdomizil als kulturelles Kleinod an – die Gilde selbst feiert 2012 obendrein ihren 50. Geburtstag. Der eingetragene Verein hat im vollendeten fünften Jahrzehnt immerhin rund 200 Mitglieder, von denen nahezu die Hälfte Künstler(innen) sind. Eine davon ist Claudia Fischer-Walter, die zu den diesjährigen Jubilaren gehört, die anlässlich des halben Gilde-Hunderts ausstellen (es stehen 2012 noch Norbert Jüdt und Gudrun Fusch zum 70., Hans Howad zum 90. und Helmut Meyer-Weingarten mit einer Gedächtnisausstellung zum 100. Geburtstag auf dem Programm). Fischer-Walter, Jahrgang 1951, ist in der Künstlergilde ein viel gesehener Gast – und wird zu ihrem 60. Geburtstag geehrt.

Die gebürtige Hessin, die in Karlsruhe Malerei und Graphik studiert hat, ist durch und durch Zeichnerin. Mit brillanter Schraffur erschafft sie surreal-figurative Konglomerate, die zwischen der Comic-Welt eines Paul Flora – mit einer Vorliebe für Vögel – und dem fantastischen Realismus österreichischer Prägung angesiedelt sind. Claudia Fischer-Walter geht additiv vor, folgt dabei aber keinem strikten Plan, eher dem Amüsement einer gewitzten Feder: Die Titel der Arbeiten gehen zuweilen unbenannt ins Leere, enthalten aber auch zuhauf ironische Anspielungen.

Neben Feder-Tusche-Zeichnungen auf Papier, deren akkurate Detailgenauigkeit durch dezent farbliche Abgrenzungsfelder unterstrichen wird, präsentiert die Schau auch Pappelholzarbeiten. Die tierischen Chiffren verleiten den Betrachter zu kafkaesk verkleideten Assoziationen, doch verknüpft die Künstlerin mit den Vögeln und schrägen Kreaturen ihre Idee von Freiheit und erzählerischen Capriccios. Denn souverän verfügt sie über die Fantasiehoheit, aus der Schraffur heraus einen Vogel, der zugleich viele Vögel darstellen kann, entstehen zu lassen, der sich wundersam in eine Landschaft verwandelt, deren partielle, etwa winterliche Trostlosigkeit den Naturraum erzeugt, auf dessen Zweigen wiederum die Vögel sich erst niederlassen könnten, wenn sie denn wollten. Erzählerische Momente tun sich auf, die man sich gedanklich mit spitzer Schreibfeder nach Belieben ausmalen darf – Fischer-Walters Zeichnung würde sich dabei mal als Anlass, mal als Pointe anbieten. In der vermeintlichen Gegenständlichkeit entgeht den Betrachtern zwischendurch, dass sich das Gesamtbild weitgehend zur Abstraktion bekennt. Rot, womöglich einem Vogelschnabel entronnen, ergießt sich über das Bild: Sind es Blutbahnen, sind es ornamentale Flechtornamente über dem Papiergrund? Die Fragen bleiben offen. Doch im unerklärbar-hintergründigen Reiz ihrer Arbeiten, in der charmanten Ironie und dem Eindruck des Unvollendeten reiht sich Fischer-Walter in die Tradition der Postromantik ein, die wiederum ein Auge hat für das illustrative Genie, das hier am Werk ist.

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