Buchrezensionen, Rezensionen

Claudia Hattendorff: Napoleon I. und die Bilder, Michael Imhof Verlag 2012

Napoleon Bonaparte war zu seiner Zeit ein begehrtes Motiv für Gemälde, Statuen und Karikaturen. Dabei änderte sich je nach politischer Lage die Darstellungeweise des französischen Kaisers. Claudia Hattendorff setzt sich in »Napoleon I. und die Bilder« mit diesem Sachverhalt auseinander. Christian Welzbacher hat das Buch gelesen und war verwirrt.

Bildproduktion und Bildpropaganda pro und contra Napoleon gehören fraglos zu jenen hochinteressanten Komplexen der Kunstgeschichte, aus denen findige Autoren mit Grips und Lust neue Volten schlagen. Aber man kann auch das spannendste Sujet so aufbereiten, dass es langweilig, ja belanglos wird. Ich (Einführung des kritischen Subjekts) möchte ungern polemisch erscheinen. Doch kann ich gar nicht zählen, wie oft ich das Buch müde zur Seite gelegt habe, wie häufig ich schließlich darüber eingeschlafen bin. Solch fade Lektüre hatte ich lange nicht mehr. Und fade war sie gleich aus dreifachem Grund.

Erstens: Der Text ist ein Kompendium der Strukturschwäche, vom Satzbau bis hin zum Aufbau ganzer Absätze und Passagen schlecht gegliedert, folglich arm an Pointen, stattdessen ein unerschöpflicher See von Worten, in dem die Thesen – fast hätte ich geschrieben: absaufen – nun ja: untergehen.

Zweitens: Der Text vermeidet über weite Strecken die intellektuelle Durchdringung seines Themas. Er zieht sich auf die Nacherzählung von historischen Fakten und kunsthistorischen Zusammenhängen zurück, bisweilen gestreckt durch wenig originelle Beschreibungen, er bringt gar französische Originalzitate von unverschämter Länge einfach, ohne dass die Autorin eingriffe, um dem Leser die Textstelle zu erschließen, die Quelle einzuordnen und im Zusammenhang der – welcher? – Argumentation verständlich zu machen.

Drittens: Der Text ist extrem redundant.
Und doch: gräme ich mich, dies alles zu schreiben. Ich will auch gar nicht glauben, dass ich es geschrieben habe und bitte daher die Leser der Rezension einzusehen, dass die obigen Zeilen gar nicht existieren. Denn ich irre mich. Ich muss mich irren.

Frau Hattendorffs Buch »Napoleon I. und die Bilder« mit dem schneidigen Untertitel „System und Umriss bildgewordener Politik und politischen Bildgebrauchs« ist eine Habilitationsschrift, entstanden während »der Assistenzzeit am Kunstgeschichtlichen Institut der Phillips-Universität Marburg«. Die Arbeit ist also die Ausgeburt eines Systems, das sich Universität nennt, und dieses pflegt seine eigenen Codes, seine eigene Sprache, seine eigenen Wertvorstellungen, was Wissenschaft sei. Kurzum: das Buch ist für Außenstehende gar nicht gedacht. Schuld ist, wer wie ich in seiner Naivität glaubt, in diesem Rahmen Aufschluss bekommen zu können über Inhalte und Zusammenhänge. Oh, Du heiliges Drittmittel!

Doch Schluss jetzt. Kommen wir zum Punkt und kratzen aus der vorliegenden Publikation (von öffentlichen Geldern bezuschusst – also Prädikat: besonders gesellschaftsrelevant) zusammen, was geht, um eine anständige Rezension hinzubekommen. Das Buch hat vier Teile, wovon eins und vier vernachlässigbar, da Einleitung und Ende, also Exposition und Bestätigung/Relativierung der Thesen sind. Das Buch hat also zwei Teile: Napoleon und das kritische sowie das affirmative Bild.

Interessant im ersten Teil ist, dass es zwischen englischer (antinapoleonischer) und französischer Karikatur tatsächlich so etwas wie einen Bilderkrieg oder genauer: einen Motivkrieg gegeben hat, der sich im Fundus der »Hochkultur«, d.h. der akademischen Malerei, bediente. Die Mediengattungen waren extrem durchlässig, die Zeichner bestens informiert (etwa durch Printmedien und zirkulierende Stichfolgen) und wahrscheinlich waren es auch die Rezipienten.

Interessant im zweiten Teil ist, wie anhand politischer Zäsuren, die den europäischen Dauerkriegszustand unter Napoleon kurzfristig unterbrachen, die Bildmodi politischer Propaganda tastend und suchend auf Brauchbarkeit überprüft wurden. Nach der Revolution war das bis dahin gültige Bildrepertoire der Macht nicht mehr zu benutzen. Die »neuen« Allegorien auf das Konkordat mit dem Vatikan und den Frieden von Amiens 1801/02 aber erschienen durch eine komplizierte Symbolsprache schwer verständlich. Die Folge: das Sinnbild wurde bald vom Ereignisbild abgelöst, der historisierten, heroisierten Darstellung jüngster Vergangenheit. Im Falle des Erfurter Fürstentags wiederum betrieb Vivant Denon einen Denkmalsbau: erneut ein Medienwechsel, doch wieder kein Paradigma. Ganz bei sich war die napoleonische Bildpropaganda wohl nur im schnelllebigen Bereich der Flugblätter, Stiche und Karikaturen, wo sprunghafter Wechsel der Modi ohnehin zur Gattung selbst gehört. Jacques-Louis David etwa lieferte Blätter im Krickelstil, um sich bestimmten Konventionen der Bildpolemik anzunähern.

Zum Schluss fragt die Autorin nach dem Bildwillen des Empereur. Nur drei Mal habe der sich überhaupt explizit zum Thema Propaganda geäußert. Dieser Befund, gleichzeitig negativ gespiegelt durch die herangezogenen heterogenen Bildquellen, führt Hattendorf zu der Erkenntnis, dass es mehrere »Protagonisten des Bilddiskurses Napoleon« gab. Das klingt banaler als es ist. Denn es offenbart die Eigendynamik des Staatsapparates, der – zumindest im gezeigten Ausschnitt der napoleonischen Kulturpolitik – nicht intentionalistisch, sondern strukturalistisch funktionierte (oder, im Hinblick auf die Ergebnisse des Bildfindungsprozesses, eben nicht funktionierte). Ein versöhnliches Ende der Rezension dieses Buches also, das übrigens alle 176 Abbildungen, teils auch farbig, in tadelloser Qualität bringt.

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