Ausstellungsbesprechungen

Copley, Museum Frieder Burda, Baden-Baden, bis 10. Juni 2012

William Nelson Copley entführt den Betrachter in bunte zirkushaft-artistische Welten zwischen Surrealismus und Pop Art. Bis morgen können Kurzentschlossene ihn noch in Baden-Baden besuchen. Dann wandert die Schau nach Brühl und Hannover. Günter Baumann gewährt Ihnen ortsungebunden einen Einblick in das Œuvre des einmaligen Künstlers.

Einen Copley gibt es nur einmal – also kann man sich gleich den Vornamen schenken. Der 1919 in New York City geborene William Nelson (›Bill‹) Copley läuft nicht Gefahr, verwechselt zu werden. Von Hause aus Autor, Zeitungsjournalist und Galerist, griff er aus seiner theoretischen Vermittlerrolle zwischen Surrealismus und Pop-Art heraus selbst zu Pinsel und Stift und wurde Künstler. Fortan entwarf er ein ironisches Szenario zwischen Karomuster, Krimi-Ulk und Kopulationsakrobatik, wobei das eine durchaus auch mal in das andere übergingSo kommt es vor, dass sich ein und dieselbe Örtlichkeit im je changierenden Kontext verändert: »Then I Ducked my Head and the Lights Went Out, and Two Guns Blazed in the Dark« beispielsweise könnte in einem Museum spielen, den Bildern an kunstvoll ornamentierten Wänden nach zu urteilen; es könnte auch ein Bordell sein, angesichts der sich räkelnden Nacktheiten in den Bilderrahmen und der adrett auf einem Tresen sitzenden, modisch-sexy gekleideten Lady. Die könnte aber auch eine bloße Fiktion des (Bar? -) Pianisten und des glatzköpfigen Typen sein, die sich grade eine Schießerei liefern, deren Corpus delicti ein rote Bällchen ist, das den Ernst der Lage ins Artistisch-Zirkushafte verwandelt.

80 Arbeiten des eigenwilligen Künstlers bieten in Baden-Baden und später in Brühl und Hannover eine schwungvolle Retrospektive, die in dieser Fülle noch nicht gezeigt wurde. Allein 20 Bilder stammen aus dem Hause Burda, eine beachtliche Sammlung, wenn man bedenkt, dass der Künstler post mortem noch immer um seinen Platz in der Kunstgeschichte ringen muss.

Gefunden wurde der Vollwaise als Findelkind vor der Türe eines Hospizes.Nach der Adoption durch einen Zeitungsverleger wächst er in die Literatur hinein, die er visuell begreift, wie er umgekehrt später verlangte, dass man poetisch an Malerei herangehen möge. Dass er jemand Besonderes war, schien er selbst zu sehen, zu extrem waren auch seine Lebens- und Berufsstationen: Reporter, Soldat und Galerist passten so wenig zusammen, dass auch die Künstlerexistenz keinen Bruch darstellte. Seinen Namen reduzierte Copley darin übrigens noch weiter, indem er die Vokale in seiner Signatur auch noch wegrationalisierte zu »CPLY«. So erfindet man sich als chaplinesker Dadaist! –Und wird ein unorthodoxer Weltenbummler zwischen den wichtigsten fiktiven Figurationen der Moderne, finanziell erfolglos, aber mit einem enormen Reisetrieb.

Der Kurator der Ausstellung ist kein geringerer als Götz Adriani, der seinerzeit Megaschauen in Tübingen organisierte, die ihn zu einer Art Wunderwaffe der publikumswirksamen Kunstvermittlung machten. Sein Handwerk hat er nicht verlernt, denn nach wie vor gelingt es ihm, lapidar das Wesentliche auf den Punkt zu bringen. »Der Minimalist mit barocken Zügen«, so schreibt er trefflich, »hat ein Künstlerleben lang nicht nur seinen kuriosen Sujets, sondern auch einer raffiniert gesteuerten Kunstlosigkeit die Treue gehalten. Meist beließ er es bei schlagkräftigen Bildpointen und einer eher grafischen Vorgehensweisen«.

Doch das allein macht Copley noch nicht zu dem singulären Genie, das er war – wenn auch nie sein wollte: Den Begriff verabscheute er. Die Banalität hatte nicht nur etwas mit dem Unvermögen des Autodidakten zu tun, und auch nicht mit dem anarchischen Instinkt des Neo-Dadaisten. Adriani weiß es besser: »Aus der Kombination der inhaltlichen Standards mit stark abstrahierenden Kürzeln gelang ihm eine bemerkenswerte kompositionelle und koloristische Vielfalt«. Ähnlich liebenswert wie Boteros Zeitgenossen – auch sie unverwechselbar und nah am Comic –, scheren sich Copleys Protagonisten nicht um Moden, pflegen dafür ihre Marotten. Inwiefern die angedeuteten Sex-and-Crime-Anekdoten autobiografische Hintergründe haben, kann man nur spekulieren (Aussagen von Künstlerfreunden legen es aber sehr nahe), ein Kostverächter war Copley sicher nicht. Die humoristische Verfremdung jedenfalls lässt vermuten, dass er nicht mit vollem Ernst bei der Sache war. Man Ray, einer der verständigsten Freunde aus dem Surrealistenlager, charakterisiert Copley so: »Er ist ganz und gar aufrichtig in seinem Streben nach Freude und Freiheit, in seiner Liebe und seiner Verweigerung von Klischees. Er ist ebenso klug wie der Klügste von uns, wenn er seine Raffinesse sorgfältig hinter dem Erscheinungsbild eines einfachen Mannes ganz ohne Komplexe verbirgt«. Am stärksten ist Copley in seinen Zitaten aus der Foto- und Kunstgeschichte: wenn er etwa »Marylin« malt mit dem nach oben fliegenden Rock, der den Blick auf den hier tatsächlich nackten Hintern freigibt, oder wenn er aus Van Goghs berühmten Stuhl einen »Electric Chair« macht.

Weitere Informationen

Die Ausstellung wandert zunächst nach Brühl, wo sie vom 24. Juni bis 4. November im Max Ernst Museum besichtigt werden kann. Zweite Station ist die Stiftung Ahlers Pro Arte - Kestner Pro Arte in Hannover, wo die Schau vom 16. November 2012 bis 1. April 2013 läuft.

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