Ausstellungsbesprechungen

Cornelius Völcker – Malerei und Arbeiten auf Papier 1990–2010, Wilhelm-Hack-Museum, Ludwigshafen, bis 7. August 2011

Ob Meerschweinchen, Badelatschen, Teebeutel, Handtücher oder Butterbrote - bei Cornelius Völker (*1965) wird auch das entlegendste Motiv zum Anlass für große Malerei. Günter Baumann hat es daher auch nicht unterlassen, sich mit dessen Werken und denen Peter Sauerers auseinander zu setzen.

Auch Spargel kann Kunstgeschichte schreiben. Als Edouard Manet ein Bündel davon malte, war er nicht der erste – das Motiv zieht sich von der Antike bis in die Neuzeit: Im 17. Jahrhundert prangt der Spargel bildfüllend auf einer Leinwand des niederländischen Künstlers Adriaen Coorte. Manet macht das Gewächs unfreiwillig zum Star – weil sein Auftraggeber von dem Gemüsebündel so entzückt war, dass er mehr dafür bezahlte, worauf Manet ihm noch einen einzelnen gemalten Spargel nachlieferte. Stars wollen porträtiert sein: Ralph Fleck verewigte ihn in jüngster Zeit genauso wie schließlich Cornelius Völcker, der das Objekt der malerischen (und kulinarischen) Begierde wie einen Flaschengeist zurück in ein Glas steckt – und damit wieder entglorifiziert, mehr noch: zum bloßen Warenartikel macht. Ende einer Karriere.

Cornelius Völker ist eine Art genialer Resteverwerter und Neuschöpfer in einem, wobei die Grenzen auf seinem Terrain fließen. Eine mehrfach gemalte Himbeere von 2008 etwa wird serienreif zermatscht und zugleich monumental in Szene gesetzt, oder eine Reihe von Hunden entsteht aus einer flotten, halbwegs geordneten Breitpinselstrichfassade – wo hier die Abstraktion beginnt und der Realismus aufhört oder anders herum, ist kaum auszumachen. Mit seinem frech-forschen Duktus konkretisieren sich einerseits pastose Farbanhäufungen zu mehr oder eher weniger schönen, meist kopflosen Menschenleibern in Unterwäsche, sich Pullover über den so verhüllten Kopf streifend oder ganz und gar kopflos. Ein anderes Mal zerfließen die Tischreste eines Partyabends oder sonst einer festlichen Tafel fleckenartig in interesselosem Wohlgefallen.Völker ist ein Ästhet, der mit anderen Mitteln als einer bloß schönen Anmutung umgeht, ihm reicht die Faszination einer sich auflösenden oder sich konstituierenden Malerei. Demonstrativ tragen seine Frauenfiguren ihre Handtaschen zur Schau – sind es moderne, modisch gestylte Torsi? Auffallend ist allemal die Vielschichtigkeit: Andere weibliche Protagonisten werden reduziert zu Ausschnitten, hart an der Abstraktion, aber mit deutlich demonstrativen Gesten wie einer geballten Faust – Fragment steht gegen Impuls, Individualisierung gegen Charakterbild. Die Aussagen relativieren sich.

Motivlich macht Völker nicht Halt vor den unscheinbaren Dingen des Lebens, da steht der Spargel nicht allein. Vom abgegessenen Apfelkerngehäuse zu Badelatschen, vom Meerschweinchen bis zum Schoßhund. Die Banalität kommt in jeder Hinsicht groß raus. Nicht zuletzt mit der Monumentalisierung des Nebensächlichen erinnern die Arbeiten Völkers, der seit 2005 an der Kunstakademie Münster lehrt, an das Werk seines ehemaligen Professors Dieter Krieg, doch darf man dabei nicht verkennen, dass auch A. R. Penck zu seinem Lehrmeistern zählte. Ironische Brechung und tabuloser Umgang mit der Kunstgeschichte zeigen die konzeptionellen Ansätze. Völkers riesige Schokoladetafeln etwa sind zwar eindeutig zuzuordnen, aber sie könnten als Tastatur genauso durchgehen wie als konkrete Kunst. Und seine Handtuch-Serie zitiert die spätmittelalterliche Feinmalerei genauso wie den Mondrianschen Stil.

Die Ausstellung nahm in München ihren Lauf und wird nach ihrer Station in Ludwigshafen noch weitere Museen ansteuern, sodass vielfältige Gelegenheiten gegeben sind, dieses erfrischende Werk zu betrachten. Darüber hinaus liegt mit dem Katalog ein Buch zum Schaffen Völkers aus den letzten 20 Jahren vor, das zum besten und qualitativ brillantesten gehört, was man zur Zeit auf dem Kunstbuchmarkt lesen und blättern kann.

Wer übrigens eine ganz entgegengesetzte Position zu Cornelius Völker sehen will, kann gleich im Ludwigshafener Wilhelm-Hack-Museum fündig werden: In der dortigen Rudolf-Scharpf-Galerie, der Projektgalerie für Junge Kunst, sind unter dem Titel »Demolition Demon« nussschalengroße Historienobjekte, holzgeschnitzte Pistolen, Modellautos und ikonische Indianerköpfe des Münchner Künstlers und Karl-May-Verehrers Peter Sauerer, der über Eduardo Paolozzi seinen handwerklichen Kunstbegriff entwickelt: »Durch ihn habe ich gelernt , dass auch Dinge Kunst sein können, die ich bis dahin nicht für Kunstmotive gehalten habe – Baukästen, Pistolen und vieles anderes …«. Das Fragment oder die Reduktion empfindet Sauerer, anders als Cornelius Völker, als »konzentrierte Kraft«, welche die Figuren zu vervollständigen sucht. Einig sind sich beide Künstler darin, dass es Dauer oder Vollkommenheit nicht gibt.

Weitere Informationen

Die Ausstellung zu Völcker ist nach Ludwigshafen auch vom 13. August bis zum 2. Oktober 2011 im Mönchehaus Museum in Goslar und von Februar bis April 2012 in der Von der Heydt Kunsthalle Wuppertal zu sehen.

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