In der umfassenden monografischen Ausstellung „Songs for Gay Dogs“ präsentiert das Musée d’Art Moderne Grand-Duc Jean (kurz: MUDAM) Werke der deutschen Künstlerin Cosima von Bonin, die im Laufe der letzten zehn Jahre enstanden. Die Ausstellung lässt die Besucher*innen durch multimediale Textil- und Skulpturinstallationen Teil einer spielerischen Welt von Comic- und Tierfiguren und voller Widersprüche werden. Eine Besprechung von Nora Kieffer.
Beim Betreten des von Ieoh Ming Pei entworfenen Museum MUDAM im Luxemburg Stadt, wird schnell sichtbar, dass die Künstlerin Cosima von Bonin (*1962, Mombasa) in der von Clémentine Proby kuratierten Ausstellung „Songs for Gay Dogs“ ein faszinierendes Spiel der Kontraste zwischen Architektur und Kunstwerken inszeniert. Mitten in der riesigen, lichtdurchfluteten Eingangshalle befindet sich eine für die Ausstellung angefertigte Auftragsarbeit. Unter den imposanten, meterhohen Tischen sind auf Leitern, Bänken und Schaukeln teils lebensgroße Plüschtiere platziert, wodurch der Eindruck eines überdimensionalen Spielplatzes entsteht. Durch die Raum- sowie die Installationsgröße der Ausstellung, können die Museumsbesucher*innen sich problemlos unter den Tischen und entlang der Muscheln, Wale und Kaninchen durchschlängeln und werden somit Teil der Installation. Mithilfe dieses spielerischen Charakters wird in dem hellen und teils etwas steril wirkendem Museum eine neue Atmosphäre hergestellt, die angesichts der amüsanten Plüschfiguren, zum Schmunzeln einlädt.
Plüschtiere und Comicfiguren, vor allem die Figur Daffy Duck aus der Serie „Looney-Tunes“ sind wiederkehrende Wesen in den Installationen der Künstlerin Cosima von Bonin. Die Künstlerin bedient sich gerne diversen Ikonen der Pop- und Alltagskultur und spielt somit auch mit unseren Erwartungen an die Kunst. In der Ausstellungsbroschüre wird die Künstlerin mit dem Satz „Alles ist gestohlen“ zitiert, eine Aussage, die den Besuchenden angesichts der Inszenierung von bekannten Comicfiguren sicherlich auch durch den Kopf geht.
Die Figur Daffy Duck taucht in der Ausstellung auf vielfältige Weise immer wieder auf – mal als erhobene Skulptur auf dem Tisch im Eingangsbereich, mal in szenischen Comicdarstellungen auf Samtpaneelen. Die Ausstellung bietet jedoch keine Kontextualisierung dieser Figur, die für die Künstlerin von Bedeutung scheint. Dabei wäre es beim Besuch interessant zu erfahren, dass es sich bei Daffy Duck um eine Figur mit egoistischem, hinterlistigem und temperamentvollem Ego handelt. Ähnlich überdimensional wie das Erscheinungsbild der Installation im Erdgeschoss und vielleicht auch eine Verbildlichung so mancher Künstler*innenegos.
Die Darstellung und Inszenierung von Comicfiguren in der Kunst wird häufig mit der gesellschaftlichen Kritik an unserem alltäglichen Massenkonsum assoziiert. Dieser Aspekt ist auch in „Songs for Gay Dogs“ wiederzufinden. So sind die Plüschtiere teilweise mit edlen Stoffen bezogen und erinnern an die Teddybären der Edelmarke MCM (Michael Cromer München). Zudem werden skulpturale Werke mit Cartoon-ästhetik, wie die des Künstlers KAWS, auf dem Kunstmarkt hoch gehandelt und sind längst fester Bestandteil der zeitgenössischen Luxusgesellschaft. Manche Kuscheltiere der Künstlerin könnten in dieser Form auch als Luxusartikel verkauft werden. Cosima von Bonin erschafft in dem rund 90 Millionen Euro teuren MUDAM somit eine ambivalente Welt, die den Spagat zwischen Luxuskonsum und einer farbenfrohen, verspielten Cartoonlandschaft vollzieht, die sowohl Kinder als auch Erwachsene anspricht.
Die von den Plüschtieren und Comicfiguren ausgehende Spannungsverhältnisse lassen sich vor allem auch auf der visuell-ästhetischen Ebene erfassen. Dies wird besonders in der Ostgalerie des MUDAM durch die Installation „What if it barks“ (2018) ersichtlich. Wie in einem Fiebertraum erschafft Cosima de Bonin einen Moment der Absurdität, indem sie teils lebensgroße Skulpturen von Haien und Fischen in einem Kreis platziert. Die Meeresbewohner sind mit Kostümen und Musikinstrumenten bekleidet und erschaffen in dem kahlen Raum eine Szenerie wie in einem spirituellen Ritual. Über dem Kreis der Tiere schwebt eine überdimensionale, an der Decke befestigte Katzenfutterdose, aus der Rauch emporsteigt. Spätestens hier sollte den Besuchenden klar werden, dass die Künstlerin nicht nur zur Reflexion über gesellschaftsritische Themen anregt, sondern wie die Comicfiguren auch humorvoll unterhaltet. Diese Gegensätzlichkeit ist vor allem dadurch möglich, dass diese vielfältige und teilweise verrückte Welt der Tierfiguren innerhalb einer renommierten Museumsinstitution stattfindet. Mit der Ausstellung „Songs for Gay Dogs“ gelingt es Cosima von Bonin, den Museumsbesuch auf erfrischende Weise aufzulockern, ohne dabei ins Unglaubwürdige abzudriften.
Es bleibt nur noch die Frage, welche Bedeutung der Titel „Songs for Gay Dogs“ in sich birgt. Erst durch eine weitere Recherche zu dem Titel offenbart sich die Inspiration, die auf das gleichnamige Album von Paddy Roberts aus dem Jahr 1963 zurückgeht. In der Ausstellung wird dieser Bezug jedoch nicht thematisiert. Obwohl die Installationen teilweise von einer experimentellen elektronischen Musik des Komponisten Moritz von Oswald (*1962, Hamburg) untermalt werden, fehlen in der Ausstellung dennoch die Plüschhunde. So werden die Besucher*innen Teil der Täuschungsmanöver, die die Künstlerin Cosima von Bonin auf ihrem Spielplatz der Kuscheltiere inszeniert. Letztlich bleiben weniger die Botschaften hinter den Installationen im Gedächtnis haften, sondern vielmehr die als Kunstobjekte inszenierte Kuscheltiere und kostümierten Meeresbewohner, die den Museumsbesuch zu einer ironisch-komischen Erfahrung machen.
Die Ausstellung ist noch bis zum 02.03.2025 zu besichtigen.
Zur Ausstellung ist auch ein Katalog erschienen, erhältlich auf der Webseite des Museums: https://www.mudam.com