Kunstbücher für junge Leser

Couprie, Katy / Louchard, Antonin: Die ganze Kunst, Gerstenberg Verlag, Hildesheim 2006.

Wie kann man Kinder schon frühzeitig für Kunst begeistern?

Ein Museumsbesuch mit den Kleinen gestaltet sich manchmal etwas nervenaufreibend, denn fast alles, was Kindern Spaß macht, ist nicht erlaubt, sodass schnell Langeweile aufkommt.

Eine echte Alternative sind hier Kunstbilderbücher, die genau das bieten, was Kinder beim Wahrnehmen und Verstehen brauchen: die erlauben, Kunst aus der Nähe zu betrachten, auf das Bild zu zeigen und dabei die Entdeckerlust wecken. Wenn dann noch Geschichte bzw. (Künstler)Geschichten in kleinen Häppchen zum Weiter- und Wiedererzählen verabreicht werden, die die Kinder mit den betreffenden Bildern verbinden können, ist das Kinderkunstbuch perfekt.

Das puristisch gestaltete Bilderbuch im handlich-kompakten, quadratischen Format des französischen Künstlerduos Katy Couprie und Antonin Louchard erfüllt in besonderem Maße diese Kriterien, gerade weil es auf jeglichen Text oder Kommentar verzichtet (lediglich Werke und Technik werden am Ende aufgelistet): kein Rand, keine Seitenzahlen, nur Farben, Formen und angedeutete Geschichten, die viel Raum für Assoziationen und die kindliche Fantasie lassen. Hier darf man mit Kunst spielen – und ganz nebenbei die großen Werke der Kunstgeschichte ohne Ehrfurcht kennen lernen! Denn genau um diese Verbindung von Kunst und Spiel geht es den beiden Künstlern, die bereits mit ihrem Buch »Die ganze Welt« den Deutschen Jugendliteraturpreis 2002 gewonnen haben.

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Hier wie dort stellt ihr assoziatives Konzept Erhabenes neben scheinbar Banales, Meisterwerke neben Kinderbuchzeichnungen. Nächtelang haben sie für diesen Wälzer mit einer Sondergenehmigung in der größten Gemäldesammlung der Welt, im Louvre, mit viel Witz und Kreativität fotografiert, arrangiert, nachgemalt und dekoriert. So wird etwa neben einem ägyptischen Mumienporträt eine Barbie-Puppe als Mumie eingewickelt, der »Nike von Samothrake« wird ein Vogelkopf aufgesetzt, einer ertrinkenden Märtyrerin eine Art Anleitung zum Rettungsschwimmen beiseite gestellt, das »Floß der Medusa« mit einer Gruppe schiffbrüchiger Playmobilmännchen nachgebaut oder der heilige Sebastian – in seinem profan-alltäglichen Gegenstück als Zeichnung auf Magnettafel – mit einer Spielzeugpistole malträtiert.

Beim ersten Durchblättern meint man, es handle sich um eine beliebige Ansammlung von Kunstwerken und deren künstlerische Umwandlungen in Fotos, Gemälde, Gebasteltes oder Collagen. Bei genauerer Betrachtungsweise entdeckt man jedoch gedankliche Verknüpfungen, logische Ketten, Typologien und Gemeinsamkeiten traditioneller und zeitgenössischer Bildgeschichte: Details, Assoziationen oder Eindrücke des vorangegangenen Bildes werden aufgegriffen und weiterentwickelt. Auf diese Weise fördert jede Darstellung oder erdachte Geschichte das Denk- und Wahrnehmungsvermögen.

Diese originelle und heitere Schule des Sehens, die nicht zuletzt durch ihren Umfang und die Qualität der Abbildungen beeindruckt, bietet nicht nur den Kleinen (ab etwa 5 Jahren) vielfältige Entdeckungs- und Beschäftigungsmöglichkeiten – daran haben sicher auch die Großen ihren Spaß!

 

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