Ausstellungsbesprechungen

Cristina Barroso – maps to somewhere else. Galerie Harthan, Stuttgart, bis 19.12.2009

Angenommen, die Kunst sei eine Art Navigationssystem für das Leben, in diesem Fall wäre die brasilianische Philosophin und Malerin Cristina Barroso, geboren 1958, auf der richtigen Spur. Die Grundlage ihrer Arbeiten bilden nämlich in der Regel Land- und Stadtkarten, die nur noch als Chiffren zu lesen sind, Pläne des Sternenmeers kommen im Gesamtwerk hinzu. Eine Empfehlung von Günter Baumann.

Bei alldem greift Cristina Barroso zu ausrangierten Karten, aber auch mal zu einem von Hand beschriebenen Plan (»Sao Paulo, Würfel«, 1997) ihres Großvaters. Inzwischen hat sie einen so guten Ruf, dass das Vermessungsamt Stuttgart auch zuweilen ein noch unbeschriftetes Blatt aus der Hand gibt, das Barroso bemalt, mit Wachs überzieht oder in Collagen einbindet. So prägt sie dem akribisch erstellten, maßstabsgetreuen Bild der Wirklichkeit ihren künstlerischen Stempel auf – sie gibt dem wissenschaftlich fundierten Übertrag der Realität eine neue subjektive Aussage. Wer ahnt schon noch den Hintergrund von Werken wie »China (Würfel)«, das mit den Flüssen des sogenannten Reichs der Mitte spielt.

In den 1980er Jahren wurde die Kunstöffentlichkeit bereits aufmerksam auf die Künstlerin, die in den USA und Europa wichtige Ausstellungen bestritt. Nachdem sie vor rund 15 Jahren nach Stuttgart zog und dort wie in München arbeitete, kamen Kunst-am-Bau-Projekte hinzu, etwa – wie sinnfällig – im Münchner Landesvermessungsamt mit einer fünfteiligen Arbeit. Wie aufgeladene Kraftfelder wirken die oft großformatigen Bilder, die Barroso 1992 auch das Helmut-Baumann-Atelierstipendium der Stadt Göppingen eingebracht haben, das gemeinhin als Sprungbrett für eine größere Karriere gilt. Doch längst gehört die Malerin zu den wichtigen Vertretern einer intellektuellen Kunst. Mit ihren »Maps to somewhere else«, die Barroso zur Zeit in Stuttgart zeigt, reizt sie die Reiselust der Gedanken. Einer ihrer bedeutendsten Fürsprecher ist selbst ein begnadeter Reiseschriftsteller und Lyriker, nämlich der niederländische Autor Cees Nooteboom, der seit Jahren als nobelpreiswürdig gilt. Von ihm stammt etwa der kleine programmatische Gedichtzyklus »Kathografie«, den er Cristina Barroso gewidmet hat. »Nur der Vogel sieht, was ich sehe«, heißt es da über die detailgenaue und doch fast schon geheime Wissenschaft der Kartenkunde: »So zeige ich mich, / so verstecke ich mich«. Und wie könnte man die Arbeiten Barrosos besser beschreiben, als es Nooteboom tut – »Was ich wiederhole, bekommt mein Gepräge: / Eine Karte, aus Seele / gemalt«.

Weitere Informationen

Öffnungszeiten:
Di - Fr  14 - 19
Sa 11 - 16 Uhr

Zur Ausstellung ist eine Broschüre erschienen. Im kommenden Frühjahr stellt Cristina Barroso ihre Collagen und Wachsarbeiten auch in Bad Boll aus.

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