Meldungen zum Kunstgeschehen

Das Ausstellungsjahr 2012 in der Erfurter Kunsthalle

Die Kunsthalle in Erfurt tut sich im aktuellen Ausstellungsjahr durch Kooperationen hervor. Das mag an einen kleinen Etat liegen oder das allgemeine Thema der Schauen spiegeln: Das (tägliche) Miteinander. Ungeachtet dessen gibt es eine ganze Reihe spannender Künstler zu entdecken. Rowena Fuß gibt Ihnen einen Überblick.

Eine Premiere in zweifacher Hinsicht bietet die von Februar bis April laufende Schau »Pilvi Takala – Just when I thought I was out … they pull me back in«. Zum ersten Mal in Deutschland wird das Werk der finnischen Künstlerin in einer umfassenden Einzelausstellung gezeigt. Takala befasst sich in ihren Videos, Installationen und Buchprojekten mit der Konstitution und den Grenzen von gesellschaftlichen Gruppen. Dazu mischen sich die Künstlerin und ihre Mitstreiter unter Menschen einer bestimmten Gruppe, so etwa der Amsterdamer Straßenbahn, einem Kaufhaus in Helsinki, einer Schule in Glasgow, im Disneyland Paris oder im Europäischen Parlament in Brüssel. Mehr oder minder deutlich als „Fremde“ agierend, verhalten sie sich nur bedingt systemkonform. Mittels versteckter Kamera hält Takala die Reaktionen der restlichen Gruppenmitglieder fest und macht systemimmanente Abläufe sichtbar. Sie demonstriert, was nötig ist, um jenen Gemeinschaften anzugehören und wie wenig schon ausreicht, um von ihnen ausgeschlossen zu sein.

„Echte“ Außenseiterkunst präsentiert die Kunsthalle von Juni bis August unter dem Titel »Weltensammler«. Im Kunstbetrieb bildet diese eine kleine, in sich geschlossene Welt. Sie ist ein Ort des Fantastischen, des Querdenkens, der Obsession und des Tabubruchs. Hier öffnen sich Perspektiven auf fremde Welten – kleinen und große. Die gezeigte Sammlung Ammann deckt den gesamten Bereich der Außenseiterkunst ab. Vertreten sind Werke psychisch Kranker, geistig Behinderter, von Gefängnisinsassen, spirituellen Medien und gesellschaftlichen Außenseitern. Ebenso sind Beispiele von bäuerlichen Naiven, der „klassischen“ Art brut oder der Folk Art in der Sammlung vertreten.

Mit seinen ephemeren Arbeiten, die man so oder so oder auch über-sehen kann, die mal da und mal nicht da sind, legt Johannes Abendroth von April bis Juni nicht nur Schichten und Bedeutungsebenen des urbanen oder ländlich-natürlichen Lebens (-raums) frei. Stets reflektiert er darüber auch das Phänomen der Zeit, da sich seine Werke allein durch ihr Material oder ihren Ort oft schon auf eine historische und bereits vergangene Zeit beziehen und ihnen zudem ihre eigene Zeitlichkeit eingeschrieben ist.

Einen Rundumschlag über »Ein Leben« bietet von September bis November Knut Wolfgang Maron. Der Essener Fotograf führte im Haus seiner 82-jährigen Mutter fotografisch Tagebuch über die letzte Phase ihres Lebens; teilte mit ihr „eine wunderbare und nicht benennbare Intimität“, wie er es selbst formuliert. Es entstanden berührende Bilder nicht nur von der Mutter in ihrer rapide zunehmenden körperlichen Zerbrechlichkeit, sondern auch von der sichtbaren Ordnung, die ihr Leben prägte.

Ähnliches gilt für die malerischen Schwarz-Weiß-Fotografien des belgischen Fotografen Dirk Braeckman. Weit mehr aber sind seine Bilder Kompositionen von zeitgemäßen Orten und Interieurs, von Figuren und Gegenständen und mitunter von Bildern selbst. Durch eine meisterhafte Lichtführung und bewusst eingesetzte Unschärfe erzeugen sie wunderbare bis unheimliche Stimmungen. Sie haben von November bis Januar Gelegenheit, sich die erstmals in Deutschland präsentierten Arbeiten anzuschauen.

Was besagt es, wenn Künstlerinnen und Künstler sich erneut dem Thema Abstraktion zuwenden? Der Kurator Christian Malycha (Berlin) versammelte für die von April bis Juni laufende Ausstellung »Abstract Confusion« 22 aktuelle künstlerische Positionen aus den Bereichen Malerei, Skulptur und Video mit einer Werkauswahl aus den vergangenen 10 Jahren, um dem Phänomen einer neuen Abstraktion in der Bildenden Kunst nachzugehen. Neben etablierten Künstlern der Szene wie Frank Nitsche, Martin Kobe, Gerhard Mantz oder Thomas Scheibitz finden sich in der Auswahl auch Newcomer wie Wolfgang Flad, Shannon Finley oder der (noch) in Jena beheimatete Robert Seidel.

Mit rund 140 Exponaten zeigt die Ausstellung »Max Scheler. Von Konrad A. bis Jackie O.« von September bis November erstmals einen repräsentativen Querschnitt aus dem Werk des bedeutenden Fotojournalisten Max Scheler (1928–2003). Ganz im Sinne der Magnum-Philosophie war Schelers Hauptthema der „human interest“: Mit der Kamera beobachtete er menschliche Verhaltensweisen, Freude und Trauer, Begeisterung und Verzweiflung. Häufig wurde er dabei zum Chronisten bedeutender Ereignisse. So entstanden Menschenbilder voller emotionaler Dichte: komisch und skurril, dann wieder ernst und dramatisch, einmal stärker dokumentierend, ein anderes Mal deutlich kommentierend.

Mit einem bedeutenden Künstler klingt das Ausstellungsjahr aus: Joseph Beuys. 1942 war er als Soldat der Luftwaffe in Erfurt-Bindersleben stationiert und ließ sich auch von der Thüringer Kulturgeschichte inspirieren, befasste sich mit Goethe, Nietzsche, Novalis und der Frühromantik. Das Jahr in Thüringen stellt zugleich eine Zäsur in seiner Biografie dar. Die Hintergründe dieser Entwicklung legen die Kuratoren Christine Demele (für das frühe Beuys-Werk) und Wolfgang Leißling (für die lokalhistorischen Umstände der Stationierung in Erfurt) offen und spüren dabei der künstlerischen Selbstfindung von Beuys nach, die sich in einem ersten Schritt in den 1940er Jahren und in einem zweiten Schritt in den 1950er Jahren vollzog, bis er Anfang der 1960er Jahre schließlich als jener Künstler in Erscheinung trat, als der er uns heute vor Augen steht.

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