Buchrezensionen, Rezensionen

David King: Roter Stern über Russland. Eine visuelle Geschichte der Sowjetunion von 1917 bis zum Tode Stalins, Mehring Verlag 2010

»Roter Stern über Russland« ist eine visuelle Geschichte der UdSSR von 1917 bis zum Tode Stalins. Der aufrüttelnde, dem Cinéma Vérité ähnliche Stil versetzt den Betrachter mitten hinein in die umwälzenden Ereignisse, die für die Bürger des ersten Arbeiterstaates der Welt mit Hoffnungen, Chaos, Heroismus und Schrecken verbunden waren. Elena Korowin hat sich den Fotoband angesehen.

King © Cover Mehring Verlag
King © Cover Mehring Verlag

Der britische Fotohistoriker und Designer David King verfügt über eine riesige Sammlung sowjetischer Bild- und Fotodokumente, die er während seiner Forschungsreisen zusammengetragen hat. Diese Sammlung ist sehr persönlich und das macht ihren faszinierenden Charakter aus. King benutzte sie, um den vorliegenden Band über die russische Revolution sowie ihre Auswirkungen und Folgen zu formen. Die Zeitspanne dieses Bildbandes reicht von 1917 bis 1953 - dem Todesjahr Josef Stalins. Damit wählte King eine turbulente Zeit, die voll war von Verzweiflung und Verlust, aber auch von Hoffnung und Ehrgeiz. Die verschiedenen Aspekte Russlands unter bolschewistischer und kommunistischer Führung werden durch Plakate, Kunstwerke und Fotos aus dieser Zeit vorgestellt. Dieser Bildband verfügt über die Kraft, tiefe Emotionen bei seinem Leser auszulösen, viele der Dokumente sind nicht für schwache Nerven gedacht. King zeichnet den Weg Russlands nach, von der Machtergreifung durch die Bolschewiki, den ersten Weltkrieg, Stalins Terror, die Fünfjahrespläne und den zweiten Weltkrieg bis zu Stalins geheimnisvollen Lebensende. Zum ersten Mal werden die streng verschlossen aufbewahrten Fotografien gezeigt, die während der stalinistischen Schauprozesse der 30er Jahre gemacht wurden. Man sieht die Gesichter der Opfer Stalinistischer Propaganda, es sind traurige Momentaufnahmen von der maßlosen Ungerechtigkeit des sowjetischen Machtapparates, der Millionen von Leben zerstören sollte. Es sind immer wieder Einzelschicksale, mit denen der Leser in diesem Buch konfrontiert wird. Man stößt beim Blättern auf propagandistische Plakate und Fotos von zufrieden aussehenden Arbeitern und Kindern, auf Soldaten, die stolz mit ihren Waffen posieren und immer wieder Lenin – am Rednerpult, bei Besprechungen und vielfach reproduziert in Bronze oder Marmor. Dann tauchen zwischen diesen Bildern, andere auf – die Zeugen des Leides – verstümmelte, kranke Körper, Selbstmörder wie Majakowski und die traurigen aber stolzen Gesichter der Verfolgten und zu Tode verurteilten. Alle Bilder hat King selbst zusammengestellt, geordnet, ihnen eine eigene Überschrift gegeben und persönlich kommentiert. Das ist ein großes Plus dieses Bandes, die persönliche Note führt den Betrachter noch tiefer in das Geschehen hinein, der Autor lässt uns das Schicksal Leo Trotzkis miterleben, dass er in aufwändigen Recherchen bereits in den 70er Jahren erforscht hat. Es ist ein sehr schöner qualitativ hochwertiger Bildband, der dem Leser das Gefühl vermittelt, von King ein persönliches Fotoalbum gezeigt zu bekommen, mit sehr intimen und bewegenden Bildern. Leider kommt der Herausgeber um eine Heroisierung Lenins und eine Diffamierung Stalins nicht herum, er bleibt also der klassischen Überlieferung treu, ohne die Position Lenins und seiner Bolschewikenpartei zu hinterfragen. Da es sich aber um ein sehr ästhetisches und ansprechendes Band handelt, kann man von diesen theoretischen Fragen getrost absehen und sich den privaten Einblicken in die Geschichte hingeben.

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