Ausstellungsbesprechungen

Der Bloemaert-Effekt! Farbe im Goldenen Zeitalter, Staatliches Museum Schwerin, bis 28. Mai 2012

Abraham Bloemaert (1566–1651) gehört nicht zu den größten Namen der niederländischen Kunst. Eine reich bestückte Ausstellung, die nach Utrecht nun auch in Schwerin gezeigt wird, wird aber seinen Bekanntheitsgrad hoffentlich ein wenig erhöhen, denn sie zeigt einen ungemein vielseitigen, gelegentlich auch virtuosen und immer interessanten Künstler, der schon wegen seines Katholizismus überhaupt nicht in das Klischee eines großen Niederländers passt. Stefan Diebitz hat sich seine Werke angeschaut.

Bloemaert hatte ein langes Leben, und es war produktiv bis zum Ende. Was für ein Wunder, dass sein Werk auch verschiedene Stile zeigt! Besonders zu Beginn finden sich manieristische Züge, später stand der Maler unter dem Einfluss von Rubens, und viele seine Bilder lassen sich als frühbarock klassifizieren. Das Merkwürdige ist, dass er auch in späteren Jahren noch gelegentlich manieristisch malte – wer also sein Werk bloß nach stilistischen Kriterien ordnen will, wird fast notwendig scheitern.

Der erste Raum der Ausstellung ist den religiösen Bildwerken gewidmet. Hier werden Zeichnungen (in manchen Fällen wohl auch Vorzeichnungen), Kupferstiche und endlich die zum Teil sehr großen Gemälde gezeigt, so dass nicht allein die verschiedenen Bildmedien präsentiert werden, sondern auch die Entstehung der Bilder in groben Zügen nachvollzogen werden kann. Der Katholik Bloemaert malte für katholische Gemeinden, und zum Teil befinden sich seine Werke immer noch im Besitz seiner Auftraggeber – seit vierhundert Jahren!

In einem Fall hat sich über die Jahrhunderte eine prachtvolle Kasel aus Brokat erhalten, die ihm als Vorlage für verschiedene Bilder gedient hat – unter anderem für »Die Anbetung der Könige« – und nun zusammen mit den Bildern ausgestellt wird. Diese Kasel, die sich in einem sehr guten Zustand befindet, ist ein liturgisches Priestergewand, das seiner Lichtempfindlichkeit wegen nicht ausgeleuchtet werden darf, so dass das Gemälde daneben, das eben dieses Gewand zeigt, es schon deshalb überstrahlen muss.

Die religiösen Bilder sind oft sehr große Ölgemälde, die den Untertitel der Ausstellung – »Farbe im Goldenen Zeitalter« - mit ihrer Leuchtkraft rechtfertigen. In manchen Fällen sieht man sich wegen der seitlich einfallenden Beleuchtung und des dunklen Hintergrundes an Caravaggio erinnert, aber insgesamt sind die Bilder Bloemaerts viel ruhiger und weniger spektakulär. Eines in diesem ersten Raum zeigt die »Krönung der Maria«. Hier legt der Gottvater (auch er hat den genannten Brokat umgelegt) seine Linke auf eine grünlich-durchsichtige Kristallkugel, die an die Glasmurmeln von Kindern erinnert und tatsächlich die Erde repräsentiert: von einem blauen Planeten (die Erde ist kein Stern) wusste man damals noch nichts.

Eine längere Betrachtung fordern besonders die manieristischen Bilder, in denen der Künstler seine Spielchen mit dem Betrachter spielt – oft ist die Hauptszene versteckt, und man muss erst eine Weile in den vielfigurigen Gemälden suchen, bis man den Titel versteht und die Hauptfigur endlich gefunden hat. Nebenfiguren oder Körperteile (Knie!) stehen vorn im vollen Licht, die eigentliche Handlung aber vollzieht sich irgendwo im Hintergrund. Oft ist die Raumgestaltung dramatisch, den Blick in die Tiefe ziehend, und die Figuren sind überschlank und gelängt. Auch sind die Körperhaltungen in vielen Fällen sehr künstlich.

So ist »Ruhe auf der Flucht« ein Bild, bei dem sich die Aufmerksamkeit zunächst ganz auf das Dorf richtet, das mehr als die Hälfte des Bildes ausmacht und auch im vollen Licht liegt; erst später sieht man in der linken und sehr dunklen Bildecke Maria und Josef. Konsequenterweise findet sich dieses Bild dann auch unter den Landschaftsgemälden.

Besonders auffallend ist immer wieder die Gestaltung der Hände, die oft zu groß sind mit langen Fingern und gelegentlich unnatürlichen Haltungen. Auf »Maria Magdalena« von 1619 sind zwei solche Hände zu sehen. Schon die Rechte, die sich expressiv um den Deckel einer Urne krallt, ist auffallend, aber die Linke, die aus einem Umhang an ihre Brust greift, ist gar eine Männerhand: sie ist viel zu groß und stark für eine Frau, und außerdem erscheint sie mit ihren gespreizten, kräftigen Fingern aggressiv und buchstäblich angreifend. Der himmelnde Blick und die gelöste Haltung Maria Magdalenas passen überhaupt nicht zu dieser Pfote, und so ist »Maria Magdalena« ein weniger schönes Bild.

Auffallend auch die Hände auf einem ganz anderen Bild, das einmal als konventionelles Ölgemälde, ein anderes Mal als Grisaille erhalten ist und unter dem Titel »Caritas Romana« die Geschichte des Greises Cimon erzählt, der im Kerker vor dem Hungertod von seiner Tochter gerettet wird – sie gibt ihm die Brust. Das könnte ein erotisches Motiv sein, ist in diesem Fall aber tatsächlich die Darstellung kindlicher Liebe. Und nun die Hände! Die Linke des Vaters, die auf ihrem Oberschenkel liegt, ist einfach riesig, eine wahre Pranke. Sie springt auch deshalb in die Augen, weil sie sich fast genau im Zentrum des Bildes befindet und die Bilddiagonale von links unten nach rechts oben genau auf sie zuführt: Der Blick geht von der Rechten, mit der Cimon sich abstützt, an seinem Arm nach oben, führt über die linke Hand zu ihrer Brust und endlich zu ihrer Schulter. Auch die abgeknickte Rechte zu Beginn dieser Diagonale ist auffällig – die unnatürliche Handhaltung ist laut Kurator Gero Seelig ein verstecktes Rubens-Zitat und außerdem eine typische Schlafhaltung. Übrigens sind die Fingernägel schmutzig – wie bei Caravaggio. Aber während bei diesem die schmutzigen Fingernägel ironisch auf das Modell deuten, einen Straßenjungen, sind sie bei dem im Kerker gefangenen alten Mann nur realistisch, denn Gelegenheit zum Baden fand er im Kerker höchstwahrscheinlich nicht.

Es scheint, dass Bloemaert immer ein biblisches oder auch ein mythologisches Thema für seine Bilder brauchte, also ein eher klassischer Maler war, denn selbst, als er nur einen pittoresken Taubenschlag malte, fügt er noch rechts unten ein Paar hinzu, das so klein ist, dass man tatsächlich nach ihm Ausschau halten muss, und nennt das Bild nach ihm »Landschaft mit Tobias und dem Engel«. Es gibt viele solcher Bilder mit einem Thema, das im Titel angesprochen wird und für das sich auch irgendwie im Bild eine Entsprechung findet – aber immer muss man ein wenig suchen. Tatsächlich interessant für den Betrachter sind an diesen Bildern ganz andere Aspekte, die Landschaft, die Haltung der Figuren oder ein bäuerliches Dorf.

Erst am Ende seines Lebens schuf er auch Genrebilder, und darunter sehr schöne, zum Beispiel Radierungen eines Verschlages oder von Baumstümpfen. Auch das sehr lebendige, vom Feuerschein warm ausgeleuchtete Bild eines älteren, auf eine Kohle blasenden Mannes zählt dazu. Offenbar interessiert sich der Maler Bloemaert erst am Ende seines Schaffens für das menschliche Gesicht. Das Bild könnte ein Tronie sein, also eine Charakterstudie ohne Porträtcharakter, aber für Bloemaert wird es sogleich zu einer »Allegorie des Winters«. Ein sehr schönes Bild ist es aber trotzdem.

Das gilt auch für »Die Schäferin mit Trauben« von 1628, bei dem besonders die Lebendigkeit des Gesichts berührt, die vielleicht mit den ein wenig zur Seite gerichteten Augen, vielleicht aber auch mit dem Mund zu tun hat – sie hat die Lippen ganz leicht geöffnet, als wollte sie gleich zu sprechen beginnen.

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