Ausstellungsbesprechungen

Der deutsche Impressionismus. Kunsthalle Bielefeld, bis 28.2.2010

So wie man die Malerei der Romantik auf Deutschland beschränken kann, hat der Impressionismus hierzulande streng genommen kein Pendant zu Frankreich. Weniger päpstlich genau genommen, wird man im ersten Fall Delacroix und Géricault einer französischen Romantik zuschlagen können, wie man – selbstverständlich – Liebermann und Corinth als deutsche Impressionisten ansprechen darf. Unser Autor Günter Bauman hat die Veranstaltung besucht und kommt zu einem positiven Ergebnis.

Lesser Ury: Unter den Linden (Regenstimmung), um 1920, Pastell (Privatbesitz)
Lesser Ury: Unter den Linden (Regenstimmung), um 1920, Pastell (Privatbesitz)

Interessant ist dabei, dass die weniger reinen Stilformen jeweils figurenlastiger erscheinen als die stilistischen Musterknaben (bzw. -mädchen), die tendenziell die Landschaft bevorzugten. Dass derartige Pauschalurteile problematisch sind, ist klar, und längst nimmt man die Abweichung von irgendeiner Idealnorm als positiv wahr, weil sie auch eine Bereicherung darstellt. Um im Beispiel zu bleiben: Die »figurativen« Romantiker Frankreichs bringen eine barocke Dramatik mit, die in Deutschland fehlt; die »figurativen« Impressionisten Deutschlands greifen – oft mit sozialen und kommunikativen, also auch dramatisierbaren Komponenten – auf den Naturalismus zurück, wie sie auf den Expressionismus vorausweisen, was es in Frankreich in dieser Form nicht gibt. Die Bielefelder Ausstellung stellt nun diesen deutschen Impressionismus auf den Prüfstand und entfaltet eine fulminante Bandbreite an impressionistischen Zügen: im Stadtbild wie im Interieur, im Garten wie im Wald. Und wir lernen, dass der deutsche Impressionismus keineswegs eine rein Berliner Erfindung ist, sondern in München fröhliche Urständ’ feierte.

Die Puristen unter den Kunstkritikern werden die Hände über dem Kopf zusammenschlagen, wenn sie die Künstlerliste der Kunsthalle lesen: Gut, die Dreierbande Corinth/Liebermann/Slevogt mögen sie noch durchgehen lassen, aber bei Max Beckmann oder Christian Rohlfs spätestens würden sie rot  oder gar schwarz  sehen. So betrachtet, ist die Ausstellung durchaus mutig. Neben den Genannten finden sich rund 30 Namen, die für gewöhnlich in ganz anderen Gewässern verankert sind, darunter finden sich Fritz von Uhde, den man mit einem religiös untermalten Naturalismus verbindet, oder Heinrich von Zügel, der traditionell dem Realismus zugeordnet wird, oder Hermann Pleuer, der einen eher düsteren, regionalen Secessionsstil pflegte und mit seiner Vorliebe für Eisenbahnen über die Region hinaus relativ unbekannt geblieben ist. Darunter sind auch etliche andere Künstler weniger bekannt: Paul Baum, Robert Breyer, Ferdinand Brütt, Carlos Grethe bis hin zu Franz Skarbina und Robert Sterl gehören kaum zum Impressionisten-Kanon. Doch tut man der Schau ganz und gar unrecht, wenn man diese Namen gegen Monet, Manet & Co. aufrechnet.

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Zum einen sind die Exponate sehr klug gewählt. Dafür steht insbesondere Max Beckmann, dessen frühes Werk eben noch nicht jenen symbolschweren Verismus aufweist, aber auch noch nicht auf den Expressionismus verweist, dem der Einzelgänger ohnehin nie eindeutig zugehörte. Seine Strandarbeiter im Bild »Am Strand von Wangerooge« von 1909 atmen die Leichtigkeit der Pleinair-Malerei und zeigen im dezentralen Bildaufbau, im Bildduktus und in den gesetzten Lichtern deutliche impressionistische Züge. Nebenbei bemerkt, ist sein Menschenbild in dieser Phase dem von Christian Landenberger verwandt, der das Licht noch mehr in impressionistischem Sinn einsetzt. So könnte sich man die Teilnehmer der großartigen Ausstellung nacheinander vornehmen und die vielen Berührungspunkte zum sogar strengen Impressionismus aufzeigen, wenn man denn will. Uhdes Frauenbilder in begrünter Umgebung - Garten oder Park - gehören zu den zauberhaftesten Beispielen jenes »eindrücklichen« Stils, der sich wie alle „Ismen“ nie aufwarf, eine Epoche wiederzuspiegeln, sondern gerade durch die unzähligen Facetten seine Größe demonstriert. Abgesehen davon stelle man sich nur vor, man würde um die Handvoll Protagonisten des französischen Impressionismus rund 30 weitere Kollegen versammeln, sähen die Karten im wahrsten Sinne des Wortes gemischter aus: Deutschland, aber auch die Niederlande, die skandinavischen Länder und andere mehr müsste man näher an Frankreich heranrücken, die Grenzen würden sich verwischen - ohne am Nimbus Monets kratzen zu müssen. Die Weimarer Bilder von Christian Rohlfs vermögen das Licht nicht nur physisch, sondern auch noch psychologisch wirksam werden zu lassen. Das mag man schon expressionistisch nennen, aber wie im letzten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts der Bildgegenstand sich aufzulösen beginnt, kann man die Quelle nur im Impressionismus suchen. Lesser Ury gehört mit seinen einzigartigen Nachtbildern auch hierher, obwohl er ganz leicht auch noch den Symbolismus streift.

Zum anderen lädt die Bielefelder Schau zur Entdeckungsreise ein. Es ist nicht möglich, alle rund 180 Arbeiten einzeln zu empfehlen, auch weil naturgemäß schwächere Arbeiten darunter sind - die Kühe von Thomas Herbst sind brav gemalt, aber er wird wahrscheinlich und trotz einiger netten besonnten Landschaften in der Versenkung bleiben, in die hinein er sich selbst resigniert am Ende seines Lebens begeben hat. Aber es sind die zufälligen Begegnungen, die die Ausstellung liebenswert machen: die Kircheninterieurs von Gotthardt Kuehl, die Porträts von Robert Sterl, die luftigen Parkszenen von Albert Weisgerber, die topografisch klar erfassten Naturbilder von Wilhelm Trübner (hart an der Grenze zum Realismus), die (zuweilen etwas zu punktgläubigen) pointilistischen Landschaften von Paul Baum, die immer wieder überraschenden Natureinblicke von Walter Leistikow und vieles andere mehr. Dass dabei nie vergessen wird, wem der deutsche Impressionismus seine Bezeichnung verdankt, unterstreicht die Souveränität der Ausstellungsmacher: Immer sind Liebermann, Slevogt und Corinth präsent, die im Zusammenspiel mit den anderen Künstlern deutlich machen: Ja, es gibt einen Impressionismus in Deutschland, mehr noch: Es gibt einen deutschen Impressionismus.

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