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Der Kreis um Anton Stankowski »Ob Kunst oder Design ist egal - nur gut muss es sein«, Museum Wiesbaden, bis 4. Juli 2010

Der Künstler und Grafikdesigner Anton Stankowski stand in seinem Leben mit vielen namhaften bildenden Künstlern, Werbegrafikern, Fotografen, Philosophen und Literaten in Kontakt oder in einem künstlerischen Dialog. Sein Ausspruch »Ob Kunst oder Design ist egal - nur gut muss es sein« bildete dabei die inhaltliche Leitlinie. Unter dem Thema „Der Kreis um Stankowski“ werden gattungsübergreifende Exponate von 35 Künstlerkollegen und Freunden aus dieser Zeit präsentiert. Günter Baumann hat die Schau für PKG rezensiert.

Anton Stankowski (1906–1998) begründete keine Schule im eigentlichen Sinn, schließlich war er Praktiker und kein dozierender Theoretiker (erst spät wurde er zum Professor ernannt), doch dieser von der Ästhetik durch und durch erfüllte Gestalter seiner Umwelt – ausgerechnet er, der unzählige Marken erfand und prägte wie kaum ein anderer – war selbst eine Marke, sprich ein Original. Er zog mit seinem Schaffen Kreise, wie es Gleichgesinnte auch taten, etwa der Designer und Ulmer »Institution« Max Bill oder der zur Zeit vielgepriesene Philosoph Max Bense, und diese Kreise trafen und überschnitten sich, erzeugten mehr oder weniger große alltagshistorische, wenn nicht zeithistorische Wellen und bildeten ein Netzwerk, in dessen Mittelpunkt sich allerhand Künstler tummelten – man denke an Willi Baumeister oder Donald Judd, die man in diesem Umkreis vielleicht nicht erwartet. Anton Stankowski arbeitete nicht im, sondern für das Rampenlicht, weshalb man heute, über elf Jahre nach seinem Tod, an einige seiner einflussreichsten Werke erinnern sollte: Von ihm stammen die Logos bzw. Schutzmarken der Deutschen Bank, der SEL und anderer Firmen, die auch typografisch interessante Signets von Stankowskis Händen tragen. Daneben war er als freier Künstler der Abstrakten (oder besser: Konkreten) Kunst tätig sowie als Fotograf – da wirkte Stankowski bereits in den 1920er Jahren als Pionier. Wer das Glück hatte, ihn kennengelernt zu haben, hat einen recht urigen, fast knauzig-kauzigen Menschen vor Augen, der mit viel Witz und Selbstironie den ganzen Kunstzirkus aufs Korn nahm. Gebrauchsgrafik war ihm so viel wert wie die »hohe« Kunst.

Die Ausstellung stellt folgerichtig nicht Stankowski in den Mittelpunkt – zum 100. Geburtstag war er schon ordentlich gewürdigt worden, u.a. in der Stuttgarter Staatsgalerie. Thema ist er dennoch als Mentor, väterlicher Freund, Kollege. Und die vertretenen Namen ergeben in der Fülle eine beeindruckende Parade der Grafik, die insbesondere im Stuttgarter Raum bis heute die Herzen der Freunde konkreter Malerei höher schlagen lässt. Im einzelnen sind dies: Otl Aicher, Josef Albers, Willi Baumeister, Max Bense, Max Bill, Max Burchartz, Johannes Canis, Hans Coray, Wim Crouwel, Karl Duschek, Hermann Eidenbenz, Egon Eiermann, Rupprecht Geiger, Hans Geipel, Karl Gerstner, Hermann Glöckner, Eugen Gomringer, Franco Grigniani, Erwin Heerich, E.A.Heiniger, Helmut Heißenbüttel, Hans Hillmann, Hans-Peter Hoch, Hans Heinz Holz, Donald Judd, Kurt Leonhard, Verena Loewensberg, Richard Paul Lohse, Hans Matter, Almir Mavignier, Josef Müller-Brockmann, Hans Neuburg, Gunter Rambow, Willem Sandberg, Heiri Steiner, Klaus Wittkugel. Die Maxime, die alle miteinander verband, ist das Qualitätsurteil jenseits der Funktion: »Ob Kunst oder Design ist egal – nur gut muss es sein«, so Stankowski.

Während des Studiums an der Folkwangschule in Essen traf Anton Stankowski auf den Professor und späteren Direktor der akademischen Schule Max Buchartz, der dem Studenten das Einmaleins moderner Werbung beibrachte und zugleich den Sinn für die Kunst schärfte. Die Züricher Jahre, die sich anschlossen, machten die Zusammenarbeit mit so bildgewaltigen Künstler(inne)n wie Bill, Lohse und Loewensberg möglich. Nach dem Weltkrieg, ab den 1950er Jahren festigte sich Stankowski in Stuttgart und phasenweise in Ulm, wo er selbst zum Spiritus rector wurde. Allerdings war in der Landeshautstadt mit Baumeister und Bense der Boden für eine kulturelle Metropolstellung bereitet, die nicht immer zu den provinziellen Zuständen der Stadt passten (wenn man sich nicht an der weltberühmten Weißenhofsiedlung orientierte). Namen sind hier Aicher, Albers, Gerstner, aber auch Autoren wie Gomringer, Heißenbüttel oder Leonhard, die das Klima spürbar nach vorne brachten, sprich den Anschluss an die Moderne fanden. Darüber hinaus knüpfte Stankowski Kontakte in alle Welt, die sich in Freundschaften etwa mit den Niederländern Sandberg und Crouwel oder der Zusammenarbeit mit Geiger oder dem Raumplastiker Heerich niederschlugen. In den 1970er Jahren holte sich Stankowski Karl Duschek in sein grafisches Atelier, dessen Leitung er bald übernahm – er lenkt noch heute die Geschicke dieses Hauses.

Die Schau bringt erstmals über 30 renommierte Künstler zusammen, die am selben Strang der seriellen Abstraktion zogen. Dankenswerterweise erinnert sie auch an überregional weniger bekannte Kollegen wie Hans Geipel, der immer etwas im Schatten von Stankowski oder auch dem kinetischen Lichtkünstler Klaus Heider blieb, oder den leider zu selten zitierten Philosophen Hans Heinz Holz, der die Verbindung von der künstlerischen Gestaltung zum Denken auf anderem Wege wie Bense deutlich machte und die »praktische Funktion des Bildes im Lebensvollzug« ansprach. Andere, insbesondere die Schweizer Kollegen und Freunde hielten Kontakt nach Stuttgart – oder in den USA, wohin etwa Matter 1936 emigriert war: Der Freund Stankowskis krempelte dort die Gebrauchsgrafik parallel zur Pop Art um. Mehr oder weniger sichtbare Stränge legten sich da über Ländergrenzen und Kontinente hinweg. Übrigens kamen aus einem solchen Netzwerk Erfindungen wie das Panoramakino (Heiniger), epochale Möbelkreationen wie den Ulmer Stuhl (Bill), Weiterentwicklungen wie das Fotoplakat (Matter) oder Entwürfe für Banknoten (Eidenbenz). Anton Stankowski hatte sicher nie den Anspruch erhoben, ein Primus inter pares zu sein oder all diese kreativen Schöpfungen aktiv im Blick zu haben. Er war vielmehr als Freund eine Art Dreh- und Angelpunkt einer Gebrauchskunst im besten Sinne – diese Erkenntnis ist das Faszinosum dieser Ausstellung.

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