Verleger vorgestellt

Der schreibende Verleger oder wie man einen Verlag erfolgreich führt und sich auch noch selbst verwirklicht: Dr. Michael Imhof, Michael Imhof Verlag

Der durch den promovierten Kunsthistoriker Michael Imhof gegründete Michael Imhof Verlag gehört zu den führenden deutschen Kunstverlagen. Die Buchproduktion umfasst sowohl wissenschaftliche Titel (u. a. Dissertationen, Habilitationen, Bestandskataloge und Ausstellungskataloge) als auch Bildbände, Reiseführer zu Burgen und Kirchen sowie vielfältige Regionalia. Wie es der Verleger trotzdem schafft, eigene Bücher zu schreiben, erfahren Sie im Gespräch zwischen Antje Fleischhauer und Dr. Michael Imhof.

Dr. Michael Imhof © Foto: Antje Fleischhauer
Dr. Michael Imhof © Foto: Antje Fleischhauer

Herr Dr. Imhof, Sie sind der Geschäftsführer des Imhof-Verlages, der 1996 gegründet wurde. Wie kam es zur Gründung des Verlages?

Ich bin sogar der Verleger (lacht). Ich bin promovierter Kunsthistoriker und hatte bereits Erfahrung mit der Produktion von drei Büchern, die ich gemacht habe. Zum einen habe ich meine Doktorarbeit selbst produziert, d.h. ich habe sie selbst gelayoutet und habe sie einem anderen Verlag zur Kommission übergeben, so dass ich also Erfahrung hatte. Außerdem hatte ich eine Festschrift herausgegeben für einen Professor und hatte so Kontakt zu anderen Autoren. Als jemand versuchte, mich in einen Verlag zu integrieren, habe ich mir überlegt, dass ich das doch auch selber machen könnte, einen Verlag gründen. Die Voraussetzungen waren also die, dass ich selber schreiben, Fotos machen und auch noch das Layout erstellen konnte. Ich habe gedacht, das wären die Voraussetzungen, um einen Kunstverlag zu gründen.

Hat Ihnen die Digitalisierung dabei geholfen?

Als ich den Verlag gegründet habe und das war das eigentlich Innovative, konnte man mit dem Erwerb von Flachbildscannern preisgünstig Farbbilder einscannen und das Layout selbst erstellen. Also man kann sagen, ohne die Digitalisierung wäre ich kein Verleger geworden. Der Zeitpunkt, um die Kosten in der Produktion zu reduzieren, war günstig. Ich habe mir eine Mittelformatkamera gekauft, um eine gewisse Qualität zu erzielen und war damals in Fulda der Erste, der mit einem QuarkXPress-Programm, heute gang und gäbe, gearbeitet hat. Bei der Bildqualität ist es nämlich so, dass die Leute, die die Bücher kaufen, intuitiv merken, ob etwas besser oder schlechter ist, aber sie können es vielleicht nicht in Worte fassen.

Wie ging es weiter? Ganz praktisch?

Nun ja, ich habe damals vielleicht auch blauäugig geglaubt, man könne kunsthistorische Literatur in Massen verkaufen, wenn sie denn gut gemacht ist und habe damals gar nicht gewusst, was ein Druckkostenzuschuss ist. Das habe ich erst später gelernt, weil ich bis dahin meine Bücher selbst finanziert habe bzw. meine Eltern haben das gemacht. Bis dahin hatte ich alles selbst gelayoutet (650 Seiten hat eine Doktorarbeit), so dass ich gar nicht wusste, welche finanziellen Kosten dahinterstehen.

Ihr Bruder ist mit im Unternehmen. Er sitzt hier neben uns.

Mein Bruder Thomas ist Diplomkaufmann und kam einige Jahre später ins Unternehmen, er betreut den kaufmännischen Teil. Ich bin für das Programm zuständig. Im Unterschied zu einigen anderen Unternehmern schreibe ich weiterhin selber Bücher und ich erstelle Fotos für einige Bildbände. Man muss sagen, die Gründung eines Verlages ist deutlich schwieriger als man das vielleicht denkt. An der Gründung an sich ist nichts dabei, auf dem Markt bestehen zu bleiben, ist das eigentlich Schwierige. Es bedarf einer gewissen Selbstausbeutung. In diesem Fall gab es noch die Unterstützung durch die Eltern, sonst wäre das Projekt sicher gescheitert. Inzwischen habe ich mich sehr gut etabliert, der Verlag läuft jetzt mit 14 Mitarbeitern ganz anders als dies noch vor 15 Jahren der Fall gewesen ist.

Welche Schwierigkeiten gab es denn? Gerade in der Gründungsphase und vielleicht auch später gab es doch sicher den einen oder anderen Moment, in dem sie gesagt haben, da müssen wir jetzt durch, auch wenn es schwer fällt.

Es war am Anfang so, dass ich annahm, dass man Doktorarbeiten, wenn sie besonders gut gemacht sind, doch in einer Stückzahl verkaufen kann, dass es sich wirtschaftlich rechnet. Und das ist leider so nicht der Fall gewesen. Es war vielmehr so, dass ich mich bei den ersten Büchern immer darauf gefreut habe, etwas Schönes vorweisen zu können und gedacht habe, jetzt geht’s los, da können wir einige Hundert verkaufen. Nach einer gewissen Zeit, nach mehreren realisierten Projekten, bei denen die Verkaufszahlen nicht entsprechend waren, war es dann irgendwann so, dass ich mich gar nicht mehr gefreut habe, wenn das Buch erschien, weil dann jedes Mal die Druckkosten fällig waren und wir gleich wieder in die roten Zahlen gerieten. Dies konnte ich, dadurch, dass ich einen Stadtführer von Kassel geschrieben hatte, der sich sehr gut verkaufte, in den ersten Jahren kompensieren.

Inzwischen ist es tatsächlich so, das lässt sich nicht anders handhaben als bei den anderen Verlagen auch, dass ich 50 % der Bücher selbst finanziere und wir auf der anderen Seite vieles über Festabnahmen, Zuschüsse etc. subventionieren, damit am Ende ein Ergebnis steht, mit dem sich der Verlag erfolgreich führen lässt.

Nach welchen Kriterien suchen Sie die Bücher aus, die sie veröffentlichen?

Das ist bei jedem Projekt anders. Selbst finanziere ich vor allem die Bücher und Ideen, die ich mir ausdenke. Jetzt haben wir die Bundesgartenschau in Koblenz und da schreibe ich den Stadtführer. Wenn es eine Ausstellung gibt, wie die Salier-Ausstellung in Speyer, dann schreibe ich unter Umständen ebenfalls. Oder es gibt den Fall, dass ich Leute beauftrage, etwas zu tun, weil ich denke, dass da eine Marktlücke besteht. Damit hoffe ich natürlich, mich etablieren zu können und dass es sich entsprechend verkauft.

Nun habe ich gelesen, dass Sie auch Ausstellungskataloge für bedeutende deutsche Kunstmuseen herstellen, wie die Kunsthalle Basel, das Städel Frankfurt oder das Museum Kunstpalast in Düsseldorf? Wie kam es zur Zusammenarbeit?

Dort kommt man tatsächlich nur in die Auswahl, wenn man einen entsprechenden Namen hat. Zum einen benötigt man eine gewisse Qualität, zum anderen sollte man beweisen, dass man einen Katalog in einem gewissen Zeitrahmen realisieren kann, weil doch immer alles auf die letzte Minute kommt. Es sind in der Regel auch die Kontakte, die wichtig sind und dass man sich als Partner bewährt hat. Dann bleibt das Museum mit einer gewissen Kontinuität bei einem Verlag.

Auch das Ausland lässt bei Ihnen Bücher veröffentlichen: die Albertina in Wien etwa, der Louvre in Paris, das Musée d‘Orsay ebenfalls in Paris – das sind bedeutende Kunstmuseen und große Namen.

Ja, bei der Albertina war es eine Ausschreibung und sie haben sich dann für uns entschieden. Die Zusammenarbeit mit dem British Museum bzw. dem Louvre oder dem Musée d’Orsay sind zwar über eine Tagung in München erfolgt, aber die meisten Kontakte entstehen auf der Buchmesse, wo man Lizenzen zusammen macht, d.h. man bekommt ein Buch angeboten und überlegt, ob man dazu die deutsche Version realisiert. Dabei handelt es sich oft um Novitäten, d.h. da werden die englische und die deutsche Ausgabe zusammen gedruckt. Das sind in der Regel sehr schöne Projekte, Ausstellungshäuser und Museen haben oftmals etwas Besonderes zu bieten.

Wie läuft die Produktion ab? Bei Ihnen wird viel inhouse produziert, die gesamte Druckvorstufe, das Lektorat sowie das Layout.

Das ist sicher auch ein großer Vorteil gegenüber anderen Verlagen, dass bei uns die Druckvorstufe selbst gemacht wird, weil das heißt, dass man eine gewisse Gewährleistung, eine gewisse Qualität vorweisen kann, hinzu kommt eine große Flexibilität und so können Projekte wesentlich schneller realisiert werden. Ich rechne auch hinterher nicht genau nach, ob sich eine bestimmte Tätigkeit gerechnet hat, da ich die Mitarbeiter sowieso bezahlen muss. Anders als bei anderen, wo dann sofort die Rechnung kommt. Das spielt bei uns nicht so die Rolle.

Sie sind nicht nur Kunsthistoriker, sondern auch Denkmalpfleger. Als was sehen Sie sich heute?

Ich habe neben Kunstgeschichte Denkmalpflege studiert und Volkskunde. Für mich war es in den ersten Jahren als Verleger so, wenn mich jemand gefragt hat, was ich denn von Beruf bin, habe ich gesagt Kunsthistoriker und Verleger. Und es hat 4 Jahre gebraucht, bis ich gesagt habe, ich bin Verleger. Vom Gefühl her war ich es erst da.

Inzwischen können Sie es?

Aber ja. Der große Idealismus ist zum Teil noch geblieben, aber man hat heute vor allem eine größere Verantwortung bei einem Betrieb mit 14 Mitarbeitern.

Was können Sie den Studenten mit auf den Weg geben, die ihre Leidenschaft für das Buch entdeckt haben und Verleger werden wollen. Welche Eigenschaften sollte man als Verleger mitbringen? Sicher braucht man auch eine gehörige Portion wirtschaftliches Denken.

Bei mir ist es in erster Linie die Liebe zum Buch, zur Kunstgeschichte. Ich habe immer schon viele Bücher gekauft und wenn wir eine Exkursion hatten, dann habe ich vermutlich doppelt so viele Bücher gekauft, wie alle Kommilitonen zusammen. Da gibt es den Fall, dass ich mit dem Taxi nach Hause fahren musste, weil ich die vielen Bücher nicht mehr tragen konnte. Für mich waren das Größte immer schon Bücher, wobei ich die Entscheidung, Verleger zu werden, erst kurz vor dem Rigorosum getroffen habe.
Aber was zeichnet einen guten Verleger aus? Das kann ich so gar nicht unbedingt sagen, denn es ist immer die Frage, wird man Verleger in einem bereits existieren Betrieb, d. h. übernimmt man etwas, was bereits da ist. Ich glaube, das ist wesentlich einfacher. In meinem Fall ist es so, dass ich im Grunde alles selber aufgebaut habe. Es gab nichts, auf das ich hätte zurückgreifen können.

Wer immer eine Existenzgründung betreibt, wird kämpfen müssen. Man muss viel Geduld haben. Ich glaube, das ist nichts Spezifisches für einen Verleger, denn jeder, der sich selbstständig macht, muss sehen, dass er über die Runden kommt und irgendwann erntet er auch die Früchte seiner Arbeit. Man braucht insgesamt viel Idealismus und es muss vor allem Spaß machen.

Ich sehe das auch bei meinen Mitarbeitern. Wenn sie mit einem Projekt betraut werden, dann ist das ihr Projekt, dann hängen sie sich dahinter. In dem Augenblick, wo sie zuarbeiten müssen, klappt das alles nicht mehr, da fühlt sich keiner mehr verantwortlich. Im Verlag ist es genau das Gleiche, wenn man selbst der Chef ist, ist alles, was man macht, das eigene Kind und da engagiert man sich eben anders.

Wie sieht es mit dem „Nachwuchs“ im Imhof Verlag aus? Welche Einstiegsmöglichkeiten gibt es?

Ja, wenn jemand nachfragt, kann sich kurzfristig etwas ergeben. Aber in der Regel haben wir keine Praktikanten oder Volontäre. Ich habe jetzt zwei Lektoren und fünf Mediengestalter. Der Bedarf wäre momentan nicht da bzw. sind bei uns die räumlichen Kapazitäten völlig ausgereizt.

Ich muss auch sagen, ich bin natürlich sehr erfreut, wie voll die Buchmesse heute ist, wie viele Leute hier sind. Das ist sehr beglückend, zu sehen, das Buch stirbt natürlich nicht aus, wie vor 10 Jahren behauptet. Als ich meinen Verlag gegründet habe, haben alle mit dem Kopf geschüttelt, wie ich so verrückt sein könne, das Buch hätte doch gar keine Zukunft. Das hat natürlich nicht gestimmt, Gott sei Dank. Man muss sich aber darüber im Klaren sein, dass der Markt im Grunde nicht wächst. Man muss sagen, es wird in der Buchbranche in den nächsten Jahren weniger Arbeitsplätze geben.

Das ist das allgemeine Empfinden. Trotz digitaler Medien und Internet ist das Buch aber dennoch nicht verschwunden, ganz im Gegenteil, das Interesse ist nach wie vor groß, wie man heute auf der Leipziger Messe feststellen kann. Was wünschen Sie sich für die Zukunft Ihres Verlages?

Ich hoffe, dass wir das Level noch etwas steigern können, ich sage mal die Bedeutung. Was die digitalen Medien angeht, glaube ich, dass sie nicht so erfolgreich sein werden, wie viele Leute im Augenblick glauben. Die Konkurrenz liegt eher bei den anderen Medien, dem Internet etwa. Ich glaube, dass jemand, der in eine Kirche geht und sich keinen Kirchenführer kauft, vorher oder hinterher auf eine Internetseite geht, wie Wikipedia etwa, und sich Daten kostenlos runterlädt. Das Fachbuch aber, das besondere Buch, das wird weiterhin existieren und da kommt man nicht dran vorbei. Und ich werde mich auch strikt weigern, bessere Informationen in das Internet hineinzugeben, weil das, glaube ich, dem Verlagswesen komplett schadet, den Buchhandlungen gleichermaßen.

Glauben Sie, dass diese Weigerung realistisch ist angesichts der weltweiten Verfügbarkeit von digitalen Informationen?

Ich glaube, dass die Leute es gar nicht mehr gewohnt sind, für gewisse Inhalte zu zahlen. Man versucht sich da irgendwie durchzuwinden. Das merke ich an mir selber natürlich auch, es gibt so viele Möglichkeiten, an Informationen über das Internet zu kommen, ohne dass man irgendetwas bezahlen muss.

Glauben Sie, dass die Leute einsehen werden, dass hochwertige Informationen bezahlt werden müssen?

Ja, aber es wird das Buch sein. Ich glaube, dass viele sich verspekuliert haben, die auf etwas anderes gesetzt haben, das hat man ja bereits gesehen. Viele Prognosen sind da einfach nicht eingetreten. Ich gehöre noch zu der Generation, die Bücher in erster Linie liebt und diese Generation (und nachfolgende) werden auch beim Buch bleiben.

Um mal bei einem ihrer Bücher zu bleiben, das sich lohnt, zu lesen und auch dafür zu bezahlen: Sie haben „Die Päpstin Johanna-Wahrheit und Mythos“ geschrieben. Wie kam es dazu?

Ich schaue natürlich immer nach Themen, die sich auch verkaufen lassen. Ich bin aus Fulda und dort wurde ein Musical aufgeführt über die Päpstin Johanna. Ich habe einige Autoren im Bekanntenkreis gefragt, ob sie etwas darüber schreiben wollen. Eigentlich hatte ich aber selbst Lust, herauszufinden, was denn an der Päpstin Johanna dran ist und habe dann das Buch selbst geschrieben. Und ich muss sagen, so ein spannendes Thema habe ich selten gehabt. Ich wage mich oft an Themen heran, bei denen es für mich interessant ist, herauszubekommen, welche Wahrheit sich da verbirgt und das war bei der Päpstin Johanna äußerst spannend, weil man im hohen und späten Mittelalter, selbst noch unter Martin Luther, geglaubt hat, eine Päpstin Johanna hätte es wirklich gegeben.

Wie findet man denn als vielbeschäftigter Verleger und Geschäftsführer Zeit für ein Buch wie die Päpstin Johanna, da sind doch sicher einige Recherchen erforderlich?

Da muss man fairerweise sagen, dass das Buch überwiegend aus Bildmaterial besteht, aber auch dieses muss man erst einmal zusammenbekommen. Ja, wie findet man die Zeit. Die muss man sich einfach nehmen. Und es ist für mich ein Ausgleich, wenn ich etwas schreiben kann. Es macht viel mehr Spaß als sich mit Kalkulationen herumzuschlagen. So ist es für mich die größte Freude, mal einen halben Tag Zeit zu haben, um etwas zu schreiben. Das ist vielleicht so, wie für andere Leute im Wald spazieren zu gehen. Mein Vorteil beim Thema Johanna war, dass die Literaturlage so dünn war. Und es ist eigentlich verrückt, dass niemand vorher ein populäres Sachbuch zu diesem Thema geschrieben hat. Das kann ich überhaupt nicht verstehen bei diesem spektakulären Inhalt.

Wo haben Sie für dieses Buch recherchiert? Sind Sie nach Rom gefahren?

Ich war in Rom. Dort gibt es einen „Platz der Päpstin“, aber der heißt nur so, weil man im Laufe der Zeit den Begriff uminterpretiert hat. Dort lebte eine Familie mit einem Namen, der so ähnlich klingt wie Päpstin, nach dieser Familie hat man den Platz benannt und im Laufe der Zeit kam es zu dieser Fehldeutung. Allerdings wurde dies in der Literatur immer wieder als Argument dafür vorgebracht, dass es eine Päpstin tatsächlich gegeben habe. Diese Fehldeutung habe ich in dem Buch dargestellt. Es ist eine höchst faszinierende Geschichte, ein Sachbuch, aber so spannend wie ein Krimi.

Herr Dr. Imhof, vielen Dank für das Gespräch.

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