Ausstellungsbesprechungen

Der schwedische Impressionist Anders Zorn, Behnhaus Lübeck, bis 15. April 2012

Als einer der großen Stars des internationalen Kunstbetriebs war Anders Zorn zunächst in Europa, später auch in den USA ein gefragter Porträtist und Landschaftsmaler. Nun zeigt das Lübecker Behnhaus eine großartige Retrospektive des außerhalb Schwedens halbvergessenen Malers. Einhundert Arbeiten unterstreichen nachdrücklich das Genie des Virtuosen. Stefan Diebitz war von seinen Darstellungen des Wassers ebenso beeindruckt wie von seinen schönen Frauenakten.

Anders Zorn (1860 – 1920) begann und beschloss sein Leben im mittelschwedischen Mora, einem kleinen Ort in Dalarna, aber schon früh reiste er durch Europa, lebte acht Jahre in London und erwarb in Spanien und Frankreich mit Porträts und Aktbildern frühen Ruhm. Auch später zeigte er sich äußerst reiselustig, meist innerhalb Europas, das er in allen Richtungen erkundete und für sich eroberte. Endlich gelangte er sogar bis nach Russland, in den Nahen Osten und in die USA, wo Zorn unter anderem den 22. Präsidenten porträtieren durfte. Aber immer wieder und vor allem für seine beiden letzten Lebensjahrzehnte kehrte er nach Mora und an den Siljan zurück. Testamentarisch verfügte er, sein Vermögen für den Aufbau eines seinem persönlichen Werk gewidmeten Museums zu stiften, und so werden bis heute in Mora seine Bilder zusammen mit seiner eigenen Kunstsammlung gezeigt. »Zorngården« entspricht mit seiner Verbindung von Weltläufigkeit und Liebe zur Heimat sehr genau dem Leben des Künstlers.

Vielleicht kein Ort in Deutschland bietet sich mehr für eine Zorn-Retrospektive an als Lübeck, eine Stadt, die seit Jahrhunderten intensive Beziehungen zu Schweden pflegt und in der bereits 1927 eine erste Anders Zorn-Ausstellung im selben Haus zu sehen war. Aber wie alle anderen deutschen Ausstellungen seither war sie 1927 von Schweden aus kuratiert worden, und so ist die diesjährige Retrospektive, betreut von Anna-Carola Krausse, die erste wirklich deutsche Ausstellung. Sie wird dem Werk des Malers in allen seinen Aspekten gerecht.

Das Behnhaus ist bekanntlich ein Museum, das in mehreren klassizistischen Bürgerhäusern beheimatet ist. An derselben Stelle, im Haus des Bürgermeisters Brömbse, fand Gustav Wasa 1521 Unterschlupf vor seinen Feinden, und an den großen schwedischen König – bis heute ein Nationalheld – erinnert eine Bronzestatue aus der Hand Anders Zorns, die sonst im Lübecker Rathaus zu sehen ist. Es gibt also wirklich mehr als genug Verbindungen zwischen Anders Zorn und dem Behnhaus.

Zorn war Realist im Zeichen des Impressionismus und ein dank seiner Virtuosität eminent schneller und auch deshalb sehr produktiver Maler. Sein Werk umfasst zahllose Landschaftsbilder, Porträts und endlich Freilichtakte, die keine Pose kennen; ein Beispiel unter vielen ist »Eine Premiere«, das eine junge Mutter zeigt, die zusammen mit ihrem sich zaghaft sträubenden Kind zum Baden ins Wasser geht. Auch bei seinen Porträts begann er stets mit schnell hingeworfenen Bewegungsstudien, und Bewegung findet sich sowohl auf den Akten als auch auf den Porträts; manchmal nur angedeutet, manchmal auch scheint sich der Mensch wirklich zu bewegen.

Ein besonders schönes Bild zeigt die Rückenansicht einer Nackten, die behutsam, nach vorne gebeugt und den Blick nach links unten gerichtet, über die Klippen der schwedischen Granitküste klettert. Während Zorn in seinen Anfangsjahren noch Komplementärfarben benutzte, hat er hier Ton in Ton gemalt, was sicherlich ebenso zu der geradezu schlagenden Lebendigkeit und Natürlichkeit beiträgt wie der Verzicht auf Umrisslinien. Das vorsichtige Klettern und Balancieren ist in »Sommerabend« genauso gut getroffen wie in »Eine Premiere« die Ängstlichkeit des Kindes, das dem Wasser ganz offensichtlich noch nicht trauen mag, oder der fürsorgliche Blick der Mutter.

Sind diese Akte erotisch? Zorn hat ja nicht allein Rückenansichten gemalt, sondern seine Modelle in entspannter Haltung auch von vorne. Haben wir uns so sehr an den Anblick von Nacktheit gewöhnt, dass wir ihre erotische Bedeutung heute überhaupt nicht mehr wahrnehmen? In jedem Fall war Nacktheit im Skandinavien des 19. Jahrhunderts längst nicht so anstößig wie in Mittel- oder Südeuropa.

Neben den Porträts und den Akten waren es besonders die Wasserlandschaften, die Anders Zorn berühmt machten und seine Bekanntheit bis heute sicherten. Anders als William Turner oder Iwan Aiwasowski, die großen Stars des Seestücks, malte er aber weder die tobende See, noch versuchte er deren elementare Kraft einzufangen, legte es auch weder auf romantische Sonnenuntergänge noch auf spektakuläre Veduten an. Vielmehr findet sich auf seinen Bildern sehr oft ruhiges Wasser, auf dem die Sonne in einer geradezu fabelhaften Lebendigkeit schimmert, glitzert und blinkt; manchmal sind es nur Teiche oder stille Wasserläufe im Binnenland, manchmal ist es die See am Strand, deren Lichtspiele Anders Zorn mit stupender Technik einzufangen wusste.

Von weitem sieht die Bucht von Lidingö aus wie ein scharfes Foto, aber ein näherer Blick auf die Blätter offenbart, dass das Wasser ebenso wie die Pflanzen mit geradezu provozierender Lässigkeit hingetuscht wurde. Das Faible wie die Hand für das Wasser besaß er übrigens schon als ganz junger Künstler: sie hat ihn ein ganzes Künstlerleben lang begleitet.

Die schöne und reiche Ausstellung kann man gar nicht warm genug empfehlen.

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