Ausstellungsbesprechungen

Die Kunst der Simulation | The Art of Simulation, ACC Galerie Weimar, bis 6. Mai 2018

Was ist echt und was ist Fantasie? Was gaukeln wir uns selbst vor, was wollen andere uns weißmachen? Diese und andere Fragen haben sich auch die Künstler der Ausstellung in der Weimarer ACC Galerie gestellt. Stefanie Handke hat dort ganz unterschiedliche Zugänge zur Faszination alternativer Realitäten entdeckt.

Fake News, virtuelle Welten, simulierte Wahrheiten – unsere Welt scheint immer mehr voller unwirklicher Situationen zu sein, die unsere Wahrnehmung auf die Probe stellen. Nicht immer ist das Polemik wie bei einem Vorwurf des US-amerikanischen Präsidenten Trump an kritische Zeitschriften. Oft genug entspringen diese simulierten Wirklichkeiten unserem Bedürfnis uns in eine andere – vergangene oder einfach bessere – Welt zu träumen. Diesem spüren die elf Künstler der Ausstellung nach.

Immer wieder zum Schmunzeln bringen den Besucher dabei die Yes Men. Die haben schon mehr als einmal international Aufsehen erregt, wenn sie global agierende Unternehmen, Staaten und Institutionen herausgefordert haben. Als Anzugträger geben sie Pressekonferenzen und Interviews, geben sich mal eben als Welthandelsorganisation aus und verkünden deren Auflösung und noch einiges mehr. Dabei stellen sie immer wieder hoch moralische Fragen. In Weimar ist zum Beispiel zu sehen wie die Aktionskünstler eine Ausgabe der New York Times verteilten, in der all das stand, was sich die Bürger so wünschten: am 4. Juli 2009 brachten sie insgesamt 1,2 Millionen solcher Wunschausgaben unter‘s Volk. Das Video zur Aktion dokumentiert wie die Leute stutzig werden ob der Nachricht, dass der Irakkrieg zu Ende sei. Sie simulierten eine Wahrheit, die sich zahlreiche Leser wohl wünschten – und brachten denen neben etwas Freude auch eine Hoffnung auf die Zukunft, die kommen könnte. Weit weniger Freunde machten sich die Yes Men dagegen mit ihrer vermeintlichen Überwachungsaktion auf dem Roskilde Festival 2016. In dessen Namen verkündeten sie, dass alle Telefonkommunikation mitgeschnitten und gespeichert würde und riefen so die empörten Besucher auf den Plan. Denen offenbarten sie schließlich die Wahrheit und ermöglichten sodann eine Live-Schaltung zum Whistle Blower Edward Snowden, der über Datenschutz aufklärte. Und auf der Weltklimakonferenz in Bonn 2017 führten sie mal eben die Gesetze des freien Marktes ad absurdum, als sie das Public Private Partnership-Projekt »Refugreenergy« vorstellten. Dabei sollten Flüchtlinge mit acht Stunden Radeln Strom produzieren und sich so 24 Stunden Aufenthaltsrecht verdienen. Mit ihren Aktionen treffen sie so mitten ins Herz der gesellschaftlichen Empörung, stellen dabei stets die Frage nach moralischen Werten – und erschaffen eine Fiktion, die von der Realität kaum zu unterscheiden ist, wenn man die Reaktionen auf ihren Pressekonferenzen beobachtet.

Regelrecht entspannend dagegen sind die gezeigten Werke Egill Sæbjörnssons. In »Teatime« (2014) begibt sich der Besucher in eine geheimnisvolle Teezeremonie herein, bei der ein Teesrrvice aus Glas im Mittelpunkt steht. Im abgedunkelten Raum projiziert ein Beamer geheimnisvolle Farb- und Rauchspiele an die Wand hinter dem Service und spielt so mit den Schatten, den Kanne und Tassen werfen. Was ist nun das eigentliche Kunstwerk, was Projektion? Ist der Schatten das zentrale Stück oder doch die Lichtspiele um ihn herum? Sæbjörnsson verwischt die Grenzen zwischen physischer und psychischer Realität, lässt beide eine Symbiose eingehen und zieht den Besucher mit »Teatime« und dem mit dem gleichen Prinzip arbeitenden »Strompet« (2014) in den Bann seiner poetischen Welten.

Vik Muniz‘ »The Weimar File« (2004) simuliert kein aktuelles Ereignis. 2004 schoss der Künstler tausende Fotografien von Objekten aus DDR-Zeiten, hatte dabei aber das Ziel sie ihrer Historizität zu berauben und sie neu anzuordnen. In Weimar sind nun 450 dieser Fotografien zu sehen. So kann der Betrachter seine eigene Erzählung entwickeln, das Gesehene nach Realitätsgehalt zu durchforsten oder sich einfach seine eigene Wirklichkeit daraus zu erschaffen.

Die Simulation an sich dagegen ist das Thema der Fotografien Reiner Riedlers aus vier seiner Serien. In »Fake Holidays« thematisiert er unwirkliche Ferien in Freizeitwelten, die Natur eigentlich nur vorgaukeln. Das Ferienparadies Tropical Island etwa ist wohl eine der größten Dreckschleudern im Land Brandenburg, während es gleichzeitig üppige Natürlichkeit simuliert. Ebenfalls nicht ganz wirklich sind wohl die Welten der Serie »Pleasure Gardens«, in der Riedler die übertrieben grellen Realitäten von Swinger- und Fetischklubs ins Bild setzte. Ungleich politischer ist hingegen seine Serie »WILL – The Lifesaving Machines«. Maschinen, die unser Dasein überwachen, senden bei Bedarf Alarmsignale aus – simulierte Sicherheit?

Diese und weitere Künstler, darunter vier Studenten der Bauhaus-Universität Weimar, hinterfragen unseren Zugang zur Realität und schaffen eigene Wirklichkeiten, die mithilfe der Kunst Bekanntes zitieren, aber auch ins Hyperrealistische überführen. Das wohl größte Werk für das ein Großteil des Ausstellungsbesuches eingeplant werden muss, ist »Allegoria Sacra« (2011-13) von AES+F, das sich an Bellinis gleichnamiges Gemälde anlehnt, aber in einem surreal anmutenden Flughafen spielt, wo sich Flüchtlinge und Flughafenpolizisten, Außerirdische und Zentrauren in Hipster-Optik tummeln.

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