Ausstellungsbesprechungen

Die Medici – Menschen, Macht und Leidenschaft, Reiß-Engelhorn-Museen Mannheim, Museum Weltkulturen, bis 28. Juli 2013

Fast reflexartig verbindet sich mit Florenz der Name der Medici, jener Familie, die mehr als drei Jahrhunderte maßgeblich die Geschicke dieser toskanischen Metropole bestimmt hat. Ihr widmet das Museum Weltkulturen der Mannheimer Reiss-Engelhorn-Museen eine breit angelegte Ausstellung, die den Besuchern anschaulich die Höhen und Tiefen, den Glanz und das Elend dieser Dynastie vor Augen führt. Rainer K. Wick war vor Ort.

Die Kuratoren spannen den Bogen vom Gründungsvater Giovanni di Bicci (1360-1428) bis zur letzten Medici, der Kurfürstin Anna Maria Luisa (Ludovica) von der Pfalz (1667-1743), die nach dem Tod ihres Mannes Kurfürst Johann Wilhelm von der Pfalz („Jan Wellem“) Deutschland 1717 verließ und nach Florenz zurückkehrte. Ihr Verdienst war es, dass nach ihrem Tod die immensen Kunstschätze, die die Medici im Laufe der Jahrhunderte angehäuft hatten, nicht in alle Winde verstreut wurden, sondern dauerhaft in Florenz verblieben.

Die breit angelegte Mannheimer Schau bietet eine Fülle an hochinteressantem Anschauungs- und Informationsmaterial, und zwar gleichermaßen für Besucher, die sich für geschichtliche Ereignisse in Florenz zwischen 1400 und 1750 interessieren, die mehr über die Familiengeschichte der Medici erfahren möchten und sich dabei Aufklärung über manch rätselhaften Todesfall versprechen, oder die ihre kultur- und kunstgeschichtlichen Kenntnisse vertiefen möchten. Im Mittelpunkt der Ausstellung stehen aber nicht die Medici als Förderer der Künste, die als solche einen entscheidenden Anteil an der Entfaltung der Renaissance in Italien hatten, sondern die Menschen mit ihren unterschiedlichen Charakteren, Eigenschaften und Ambitionen, auch ihren Leiden und ihrem Sterben. Gerade dem letzten Aspekt schenkt die Mannheimer Ausstellung ein besonderes Augenmerk. Denn der Dreh- und Angelpunkt sind die Ergebnisse einer Forschungskooperation zwischen den Reiss-Engelhorn-Museen und der Universität Florenz, die darauf zielte, Lebensumstände, Krankheiten und Todesursachen prominenter Medici zu eruieren. Dazu wurden in S. Lorenzo, der Grablege der Familie, etliche Gräber geöffnet und die sterblichen Überreste mit Methoden der Paläopathologie untersucht. Dabei konnte der Nachweis erbracht werden, dass mancher Medici keineswegs jene repräsentative Erscheinung war, als die sie sich auf offiziellen Porträts präsentiert, sondern unter chronischen Erkrankungen litt.

So gilt die Gicht als familientypisches Krankheitsbild, und es ist kein Zufall, dass Piero de’ Medici (1416-69), der Vater von Lorenzo Il Magnifico („dem Prächtigen“), sogar den Beinamen Il Gottoso, „der Gichtige“, trug. Heute gilt als erwiesen, dass es sich nicht um Gicht handelte, sondern um Arthritis. Andere typische Krankheiten der Medici waren die Schuppenflechte und schwere Schädigungen des Knochenapparates. Nicht alle Medici starben eines natürlichen Todes, galten doch – in Übereinstimmung mit Niccolò Machiavellis politischer Philosophie – Treulosigkeit, Verrat und sogar Mord als akzeptable Mittel erfolgreichen Handelns auf der Bühne von Macht und Herrschaft. Starben der sechsunddreißigjährige Großherzog Francesco I. (1541-87) und dessen zweite Frau, seine frühere Maitresse Bianca Cappello, innerhalb kürzester Zeit gemäß offizieller Lesart an Malaria, oder wurden beide mit Arsen vergiftet? Obwohl das am 16. Februar 2013 auf Arte gesendete zweiteilige Doku-Drama »Mord im Hause Medici« die Gift-Version favorisiert, gibt es auf diese Frage bislang keine eindeutige Antwort, ebenso wenig wie die Mordgeschichten um andere Familienmitglieder der Medici, etwa zweier Töchter und einer Schwiegertochter des ersten Großherzogs der Toskana, Cosimo I. (1519-74), geklärt werden konnten, da ihre Gräber bisher nicht identifiziert wurden.

Abgesehen von einem großen Stammbaum, der das komplizierte familiäre Geflecht der Medici zu entwirren hilft, und instruktiven Computeranimationen bezieht die Ausstellung ihren Reiz aus der kontrastierenden Inszenierung hochkarätiger Kunstwerke, etwa Porträts von der Hand des berühmten Florentiner Manieristen Bronzino, und ungewöhnlicher Alltagsgegenstände wie dem Rasierbesteck des Medici-Papstes Clemens VII. (1478-1534), Sohn des bei der legendären Pazzi-Verschwörung 1478 ums Leben gekommenen Giuliano de’ Medici. Gezeigt wird u.a. ein Buch mit den schwarzen Konten der Medici-Bank aus der Zeit Cosimo Il Vecchio („der Alte“; 1389-1464), der sein Bankhaus zum europaweit führenden Geldinstitut seiner Zeit mit Filialen in Brügge, Trier, Basel und Avignon machte. Obwohl er zu den reichsten Männern seiner Epoche gehörte, ließ ihn seine republikanische Gesinnung im äußeren Auftreten bescheiden bleiben. 1444 beauftragte er den Architekten Michelozzo mit dem Bau seines Stadtpalastes, des Palazzo Medici, als Sammler legte er den Grundstein zur berühmten Medici-Bibliothek (der heutigen Biblioteca Laurenziana). Macchiavelli pries ihn deshalb, weil er »alle seine Zeitgenossen an Macht und Reichtum [...], an Freigebigkeit und Klugheit« übertroffen habe, die Zeitgenossen feierten ihn wegen seiner Verdienste um Florenz als „pater patriae“, als Vater des Vaterlandes.

Zu den ganz unterschiedlichen Exponaten gehören neben Bildern und Skulpturen Rüstungen, Schmuck, Prunkgewänder, Handschriften und Bücher, Medaillen und Numismatika, auch ein Nachbau des Fernglases von Galileo Galilei, der seine bahnbrechende astronomische Schrift »Sidereus Nuncius« (Der Sternbote) dem Großherzog der Toskana gewidmet hatte. Ergänzt werden diese Artefakte durch Abgüsse von Schädeln verschiedener Mitglieder der Medici-Familie, darunter jener des berühmtesten aller Medici, des Lorenzo Il Magnifico (1449-1492), unter dem die Florentiner Frührenaissance zur höchsten Blüte gelangte, und der letzten aus der Dynastie der Medici, der eingangs erwähnten Anna Maria Luisa (Ludovica) von der Pfalz, die zusammen mit ihrem Mann Johann Wilhelm in Düsseldorf residierte, wo sich die damals berühmte Gemäldegalerie mit einer erlesenen Kollektion hochkarätiger europäischer Kunstwerke befand, die später zum Teil den Grundstock der Alten Pinakothek in München gebildet hat.

Die Mannheimer Ausstellung, die nach einem Monat bereits rund 25.000 Besucher gesehen haben, wurde explizit nicht als Kunstausstellung, sondern eher als (kultur-)historische Überblicksschau konzipiert. Das erklärt, warum im Museum Weltkulturen von dem unermesslichen Reichtum an Kunstwerken, über die Florenz aus der Zeit von der Frührenaissance bis zum Spätbarock verfügt, nur verhältnismäßig wenig zu sehen ist. So wird die Ausstellung eines nicht ersetzen können, nämlich die Originalschauplätze der Arnostadt und des toskanischen Umlandes zu bereisen und vor Ort in Augenschein zu nehmen. Anregungen dazu finden sich in Mannheim allerdings mehr als genug, zumal dann, wenn man das opulente Katalogbuch zu Hand nimmt und sich in die zahlreichen Einzelbeiträge vertieft.

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