Ausstellungsbesprechungen

Die schönsten Holländer in Leipzig, Museum der bildenden Künste Leipzig, bis 17. Juni 2012

Anlässlich eines Bestandskataloges hat das Leipziger Museum seinen Holländern einen großen Auftritt beschert. Rund 120 Gemälde aus dem eigenen Bestand repräsentieren die Malerei des 15. bis 17. Jahrhunderts, wobei letzteres nicht umsonst das Goldene Zeitalter genannt wurde. Rowena Fuß hat es sich angeschaut.

Man wird von der schieren Masse an Porträts, Landschaften, Genrebildern und Stillleben fast überwältigt. Es ist daher ratsam, genügend Zeit mitzubringen. Aber dann kann man sich in Blumenstillleben verlieren, die Pfingstrosen, Tulpen, Lilien, Buschwindröschen so realistisch festgehalten haben, dass man meint, deren Duft zu riechen. In seinem Gemälde »Blumenstück« (um 1675) hat Abraham Mignon zudem Erbsen, Kornähren, Himbeeren, Kirschen und Aprikosen hinzugefügt, die das Formen- und Farbspektrum des eh schon üppigen Straußes nochmals erweitern.

Während man sich beim Blumenstrauß erst einmal dem Genuss der Farben und Formen hingibt, betrachtet man ein Vanitasstillleben von Jan Davidsz. de Heem nachdenklicher. Auf einem in feinsten Brauntönen abgestuften Bücherstapel mit zerknickten Seiten liegt ein Totenschädel und erinnert den Betrachter an die Vergänglichkeit des eigenen Lebens.

Weitaus fröhlicher, aber durch eine dialektische Rhetorik genauso mahnend, geht es in einigen Genrebildern zu, die Szenen in Gasthäusern beschreiben. Bei der zechenden Bauerngesellschaft von Jan Miense Molenaer sind die Figuren eng um den Tisch gruppiert, einer zecht, ein zweiter raucht und weitere Figuren unterhalten sich. Molenaers Palette an verwendeten Brauntönen suggeriert eine Einheit von Raum und Figuren, ohne jedoch zu einer tatsächlichen Innenraumillusion beizutragen. Mit der Darstellung des bäuerlichen Wirtshauspublikums schließt er an die Bildtradition Adriaen Brouwers an, allerdings fehlt ihm die Brouwersche Bissigkeit in der Figurenkarikatur.

Dem gegenüber hängen Kircheninterieurs, die mit ungewöhnlichen Blickwinkeln und einer stimmungsvollen Wiedergabe von Licht und Farbe glänzen. Szenische Darstellungen von Gottesdiensten oder einem Begräbnis bei Emanuel de Wittes »Kircheninneres mit Leichenzug« (um 1680/85) erweitern die Interieurs um erzählende Momente.

Subtile Ironie, die beim genauen Hinschauen sofort offenbar wird, gibt es bei Jan van Wijckersloot. Sein Selbstbildnis von 1669 ist als ein Bild im Bild konzipiert. Ein Trommelfell zeigt einen rotmützigen Maler, der ein Schaf mit Narrenkappe und Pinsel im Maul malt. Dabei rümpft dieser die Nase. Die Trommel ist in ein größeres Bild gesetzt, das den Künstler in schwarzer Robe und Perücke zeigt. In der rechten Hand hält er eine Kerze, die ein schmaler Papierstreifen umwindet, auf dem Auge, Mund und betende Hände gezeichnet sind. Ferner sitzt ein Zwicker auf dem Kerzenstiel. Die linke Hand hat Wijckersloot auf das Tamburin gelegt. Den Hintergrund der Szene bilden schließlich zwei antike Plastiken, die im Vordergrund durch eine Zeichnung der griechischen Göttin Athene komplettiert werden. Venus, Prometheus und Athene umkreisen so den Künstler. Was Wijckersloot thematisiert, ist eine gewisse Art von Kollegenschelte. Er selbst ist ein Erleuchteter, der sich über Schafemaler lustig macht und den Takt für die wahre Kunst vorgeben möchte.

Mit dem wissenschaftlichen Anspruch der Katalogarbeit korrespondiert der didaktische Ansatz der Ausstellung. Zu wichtigen Bildgattungen finden sich Erläuterungen auf den Wänden, Karten geben einen Einblick in die Geografie des jungen Staates. In einem Nebenraum werden sogar aufschlussreiche Ergebnisse aus den restauratorischen und gemäldetechnologischen Untersuchungen präsentiert.

Hinzu kommt die abwechslungsreiche thematische Ordnung der Gemälde. Auf den grünen verwinkelten Wänden kann man so die Genese von Bildtypen verfolgen, die sich im Holland jener Epochen herausbildeten. Das vielfältige Themenspektrum umfasst neben den bereits präsentierten Gattungen patriotische Inszenierungen der holländischen Seeflotte oder die heimische Dünenlandschaft. Insbesondere die Seestücke sind ergreifend. So bei Allaert van Everdingen, der eine meisterhafte Darstellung der stürmischen See um 1643/44 schuf, die den Betrachter die wogenden, grau-blauen Wellen und das Spritzen der Gischt hautnah miterleben lässt.

Von besonderem Reiz sind auch die Bilder des Marinemalers Ludolf Backhuysen, der gekonnt Kriegsschiffe in Szene setzte, beispielsweise in »Die Spiegelpavillonsschlacht von Johann Moritz, Graf von Nassau-Siegen« (um 1671/72).

Jan van Goyen war hingegen ein herausragender Maler von Dünen, Dörfern und Landschaften. Er war der erste Landschaftsmaler, der in seinem Bild »Auf der Düne« einem bewölkten Himmel ästhetische Reize abgewann.

Fazit: Der Superlativ im Titel der Ausstellung, der die »schönsten Holländer« ankündigt ist absolut gerechtfertigt. Ein Besuch der Ausstellung ist wärmstens zu empfehlen!

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