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Die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden stufen das Gemälde „Junge Dame mit Zeichengerät“ von Christian Vogel von Vogelstein als NS-Kunstraub ein - Ergebnis des Provenienzforschungsprojektes „Daphne“

Eine junge Dame, rot gewandt, Zeichenblock und –stift haltend, blickt den Betrachter direkt an. Sie sitzt in einem Altan, dessen Rundbögen den Blick auf den Golf von Neapel freigeben. Dieses eindrucksvolle kleine Gemälde schmückt den Umschlag des 1987 herausgegebenen, bis heute gültigen Bestandskataloges der Galerie Neue Meister der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden.

Die Beschriftung auf der Gemälderückseite dokumentiert „Vogel C Roma 1816“. Das heißt: der Maler Carl Christian Vogel von Vogelstein, 1788 im Erzgebirge als Sohn des Dresdner Akademieprofessors Christian Leberecht Vogel geboren, malte das Porträt 1816 während einer ausgedehnten Italienreise in Rom.

1940 erwarb Hans Posse, Direktor der Dresdner Gemäldegalerie, bei der Münchner Kunsthandlung Julius Böhler dieses Bild für sein Museum.

Das Jahr 1940  war für die Provenienzforscher der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden das Signal, diese Erwerbung im Rahmen ihrer systematischen Erforschung der Zugänge seit 1933 genauer zu untersuchen. Die Unterstützung durch das Sächsische Staatsministerium für Finanzen und das Sächsische Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst ermöglicht es den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, seit Mitte 2008 ihren gesamten Bestand in einer Datenbank zu erfassen, eine vollständige Inventur vorzunehmen und fragwürdige Provenienzen aufzuklären. Eine der Prämissen im Rahmen des „Daphne“-Projektes ist es, bei Zugängen seit 1933 nachzuprüfen, ob es sich möglicherweise um Kunstwerke handelt, die ihren jüdischen Eigentümern entzogen oder geraubt wurden. Die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden erfüllen damit die Verpflichtung, die die Bundesrepublik Deutschland 1998 durch die Unterzeichnung der „Grundsätze der Washingtoner Konferenz“ eingegangen ist. 

Die Galerie Böhler erhielt 4.500 RM für das Gemälde. Sie selbst hatte das Porträt Ende 1938 von der Wiener Kunsthändlerin Gussenbauer erworben, zusammen mit einer Handvoll weiterer Gemälde.

Die Rechercheure der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden versuchten nun, die weitere Provenienz aufzuklären. Dabei waren sie auf die Hilfe von Kollegen und Institutionen angewiesen, so vom Bundesdenkmalamt Wien, vom Bayerischen Wirtschaftsarchiv und von privaten Forschern, u.a. dem Spezialisten für das Oeuvre Vogel von Vogelsteins, Gerd-Helge Vogel. Dabei stellte sich heraus, dass sich das Gemälde aller Wahrscheinlichkeit nach bis Mitte 1938 noch im Eigentum der Wiener jüdischen Schwestern Malvine, Jenny und Bertha Rosauer befand. Die Familie Rosauer hatte nach dem „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich ihre Wohnung verlassen und sich von ihrer Einrichtung trennen müssen. Bertha Rosauer und vermutlich auch ihre Schwestern wurden im September 1942 ins Konzentrationslager Theresienstadt deportiert.

Ein Schätzgutachten der Sammlung der Familie Rosauer listet auch ein Porträt Vogel von Vogelsteins auf, dessen Beschreibung deutlich auf das Gemälde im heutigen Besitz der Dresdner Galerie Neue Meister verweist.            
Für die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden liegt also der Verdacht nahe, dass dieses – scheinbar ganz legal erworbene – Gemälde aus sogenanntem verfolgungsbedingten Entzug stammt.

Die Provenienzforscher der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden sind derzeit damit befasst,  mit Hilfe der hierfür zuständigen Institutionen die Anspruchsberechtigten für einen Restitutionsanspruch ausfindig zu machen.  Im Sinne der „Washingtoner Erklärung“ werden sich die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden sodann um eine faire und gerechte Lösung bemühen.
 

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