Ausstellungsbesprechungen

Dieter Krieg, Fritten und Brillanten

Dieter Krieg (1937–2005) hatte keine Berührungsängste – was immer er im Alltag und im großen Leben vorfand, machte er potentiell denkmalwürdig. So kam es, dass Blumentöpfe wie Brillanten, und Letztere wie selbstverständlich in trauter Gemeinschaft mit mutmaßlich fetten Fritten auf seiner Leinwand einer Wahrnehmungs- und Seinsebene angehörten.

Oder muss man anders anfangen: Krieg hatte vielmehr Verlustängste und konnte nicht von den Dingen seiner Umgebung lassen? Die Oberfläche – manche halten sie für Oberflächlichkeit – ist die eine Seite der Kunst: Fritten sind Fritten sind Fritten. Die andere Seite ist die Tiefe der Kunst: auch zwei Fritten können ein Kreuz bilden. 

Das Faszinierende in Kriegs Werk ist das Wechselspiel zwischen einem Sowohl-als-auch und dem Weder-noch. Doch das ist nicht alles, ging es dem Maler doch kaum um ein Lavieren im Unbestimmten oder um ein Schleichen um den heißen Brei. Im Gegenteil, die großen Formate treten derart selbstbewusst auf, dass man die Gegensatzpaare allenfalls als These und Antithese wahrnimmt, um am Ende die Erkenntnis zu gewinnen: Es ist was es ist (frei nach Erich Fried, der freilich ganz anderes im Sinn hatte), und zwar Malerei. Das und nichts anderes ist das Thema von Dieter Krieg gewesen.

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Wie weit seine Malerei konzeptionell, wie weit sie symbolisch ist, lässt sich sicher schwerlich bis in jeden Winkel der Leinwand festlegen, aber die Bilder leben ja auch von den verschiedenen Optionen des Betrachters, mit ihnen umzugehen. Krieg machte nie einen Hehl daraus, dass seine Arbeiten »ähnlich« seien, was auch die litaneihaften Hintergrundtexte aus unsichtbaren Lautsprechern während der Stuttgarter Ausstellung deutlich machen. In der Tat ist es völlig einerlei, ob die Leinwand Pommes Frittes oder Spiegeleier zeigt. Aber wie steht es mit der grandiosen Buchserie mit Titeln, die Beckett und Arno Schmidt preisen? Nur Malerei? Dieter Krieg wendet Banalitäten ins Existenzielle und umgekehrt.

 

Seit den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts bereicherte Dieter Krieg die neufigurative Richtung in der Malerei, eine Retrospektive hat er erst jetzt erhalten, wenige Jahre nach seinem Tod. Die späte Ehrung mag man bedauern: Umso größer ist der Genuss, einen der wichtigsten Künstler im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts in allen seinen Facetten kennen zu lernen. Mehr als 100 Arbeiten stehen bzw. hängen dazu bereit. Mit großer Geste hat er seine Riesenformate inszeniert, mit einer Souveränität, wie sie kaum ein Kollege aufwies. Vergleicht man die Arbeiten mit Gemälden des Abstrakten, insbesondere des Lyrischen Expressionismus, fällt dabei aber ein fast gewaltsamer Stil auf: Alles muss groß gewesen sein – der Pinsel, der Gegenstand, die Wucht des Banalen, aber auch die tragische Flüchtigkeit des Tiefgangs. Demgegenüber fällt der Vergleich mit den prosaischen Meistern der Neuen Gegenständlichkeit aus der Generation von Penck und Lüpertz eher poetisch für Krieg aus. In seinem Zusammenspiel von Schrift und Bild kommt allenfalls Cy Twombly als Verwandter im Geiste in Frage – mit der Differenz in der Betonung des Malerischen bei Krieg und des Zeichnerischen bei Twombly. Was kaum noch sichtbar ist im reifen Werk des Künstlers ist der Einfluss von HAP Grieshaber, bei dem Krieg studierte.

 

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Als exzellentes Bilderbuch empfiehlt sich der Katalog, der bei Kerber erschienen ist. Wie bei dem Gestalterteam der Stuttgarter Firma L2M3 gewohnt, muss der Leser erst ein textfreies Entree blätternd durchschreiten: Breitet sich das malerische Werk an anderer Stelle ganz ungestört von Bildlegenden aus – eine wahre Augenweide - , so präsentiert sich Krieg auf den ersten 24 Seiten, noch vor jeglicher Titelei, als Fotograf erster Güte.





Öffnungszeiten

Dienstag bis Sonntag 10–18

Mittwoch 10–21 Uhr

 

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