Salvador Dalí (1904 – 1989) – die schillernde Persönlichkeit schlechthin, in der ohnehin so schillernden Welt der Künste? Auch unter diesem Aspekt nimmt Dalí sicherlich eine der Spitzenpositionen ein. Viele Biografien gibt es rund um den katalanischen Meister. Die Beobachtungen, die der Cellist Dietmar Berger dem Meister widmet, beziehen sich auf das Cello und wie Dalí jenes in seine Bildwerke integrierte oder besser gesagt wie er es ausstellte. Melanie Obraz ließ sich vom Klang des gemalten Cellos inspirieren.
Dalís Extravaganz war auch in der Kunstszene stets spürbar. Seine Auftritte besonders, eindrucksvoll – manchmal gewöhnungsbedürftig. Sein Leben scheint in seinen Kunstwerken wie in einem Spiegel abgelichtet. Es war wohl das gewisse Besondere, welches ihn auch für einen Regisseur wie Alfred Hitchcock (1899- 1980) so interessant machte. Die Gemälde des Salvador Dalí waren sozusagen prädesdiniert für eine Umsetzung im Film. Dennoch war seine surreale Kunst auch eine Herausforderung – nicht nur für einen Filmemacher, sondern vor allem auch für alle Betrachter:innen seiner scheinbar über aller Wirklichkeit zu schwebenden Werke. Aber was ist wirklich oder geht es nur um das vom Menschen in einer angenommenen Wirklichkeit Liegende? Auf welcher Ebene befindet sich nun das von Dalí in Szene gesetzte Musikinstrument?
Diese Frage stellt der Maler auch in seinen Werken, die sich rund um das Cello bewegen. Dietmar Berger, Künstler/Maler und Cellist, daher mit dem Ausdruck wie Klang des Cellos bestens vertraut, gibt einen ebenso extravaganten Einblick in die Malerei rund um die Thematik des Cellos in der Kunst bei Dalí. Wer interessieren will, muss provozieren. Doch jene provokante Seite zeigt sich hier in den Bildern von Dalí in einer anderen Perspektive. Eigenwillig wie stets inszeniert er auch das Cello. Verwandelt es in menschliche Körper und relativiert damit auch die Flüchtigkeit eines gehörten Tons. Die Traumdeutung war für Dali stets von Obsessionen geprägt. Doch mit dem Cello zeigt Dalí jene Seite seiner Kunst, die keine Schockwirkung erzeugt, sondern auf etwas Anderes hindeutet.
Zeigt sich das Cello hier doch in einer Metapher, die vor allem auf das Flüchtige und sich Verflüchtigende Bezug nimmt. Doch nicht nur, denn andererseits erzeugen und hinterlassen jene Töne eine tiefen Eindruck in der Seele. Auch das Cello in der Malerei bei Gauguin und Modigliani sind Thema dieses Buches. Vor allem aber sieht Dalí das Cello in der Faszination des völlig Anderen. Das Instrument hebt Dalí als zartes und geschmeidiges Etwas in seiner so oft gezeigten Zwei -oder auch Mehrdeutigkeit hervor. Ebenso zeigt sich die atemberaubende Ausstrahlung in einer Art des Mystizismus, für welchen Dali bekannt war. Das über aller Realität Stehende, Schwebende ist dem Cello in den Bildern ebenso inhärent wie die eigene Erotik und bekundet auch ein Tasten in das Leere.
Als Cello, als Frau, als das Weibliche, das Biegsame, das Erotische – bei Dali ist fast alles möglich und so strahlt die Oberfläche des Instrumentes auch eine Glätte und einen Glanz aus, der im Besonderen den ästhetisch-kosmetischen Aspekt des Weiblichen kundtut und welchem Dalí mit seinem malerischen Können Ausdruck verleiht. In einer immer wieder aufkommenden halluzinatorischen Ebene verbleibt auch das Cello in einer von Dalí gekennzeichneten Eigenheit. So zeigt sich jenes Instrument auch in einer quasi Verpuppung, die Dali sogleich entpuppt und in eine völlig neue Dimension abheben lässt. Das Instrument ist hier stets zart und eigentlich auch in den Umrissen einer Harfe vergleichbar, die ebenso bei Dalí ein Thema war. Zynismus – bei Dalí allenthalben in einer paranoisch kritischen Methode als greifbare Realität vorhanden – geht dennoch nicht auf das Cello über, scheint doch jenes Musikinstrument in dieser Hinsicht eine weitaus bodenständigere Bedeutung zu haben. Jeden Kompromiss wie auch den Dogmatismus greift er mit einer Distanz an, wenn alle Welt irgendetwas kritisiert, so geht er einen diametral anderen Weg, indem er gerade dann das Gegenteil behauptet. Schwierig ist in dieser Hinsicht auch Dalís Sichtweise auf Krieg, Diktatur – auf jene Seite, die der Autor streift, doch nicht weiter vertieft. Dennoch erwähnt die Chronologie, dass sein Freund Federico Garcia Lorca (1898-1936) von Soldaten des Franco Regimes ermordet wurde (1936) und Dali daraufhin in „schwere Depressionen“ verfiel.
Dionysisches und Apollinisches zeichnet das Cello in den Darstellungen bei Dali in extremer Weise aus und zwar gar nicht so sehr als Gegensatz, sondern ganz im Sinne eines Etwas, welches über aller Realität zu schweben scheint – auch als eine geheimnisvolle Einheit. Eigentlich ein Unding, aber eben nicht bei Dalí. Was nun die genaue Bedeutung hinter dem gemalten Cello ist, wird als Andeutungen vom Autor durchaus sichtbar gemacht, doch besteht der eigentliche Hinweis in dem Ansinnen, das Cello als etwas Hörbares in einem Gemälde zu sehen und vor allem auch zu hören, quasi in das Gemälde hinein zu horchen. Worin mag nur die so sehr von Dali gerühmte Provokation in den Bildern bestehen, die sich auf das Cello beziehen. Ist es die Frau in ihrer sexuellen Vieldeutigkeit, die Frau als das schlechthin Weibliche, welche sich in einer doch distanzierten Weise dem Musiker, der auf ihr als Instrument spielt, darbietet? Die Harfe wie auch das Klavier sind teilweise Inhalt seiner Gemälde und so auch in dem hier als Cover gewählten Bild, welches ein mit Wasser gefülltes Klavier (mit-)thematisiert.
Interpretationen in geradezu unermesslichem Umfang eröffnen hier Perspektiven, die in eine Welt des Traumes wie auch der Wünsche und Ängste verweist. Ist nun die Musik hier der Malerei unterstellt oder könnte es gar sein, dass ein Musikinstrument sogar auf die Gleichwertigkeit der Musik zur Malerei verweist. Dalís malerische Aussagen in diesen Gemälden geben keine eindeutige Antwort – ganz gleich welche Aussagen er diesbezüglich verbal gemacht hatte. Das Operngedicht x wird vom Autor angesprochen, um Dalís künstlerische Bestrebungen, hinsichtlich der Oper zu verkünden.
Fast könnte man meinen, das Cello versinnbildliche eine schöngeistige Unbefangenheit und Reinheit, die so ausschließlich der Musik und auch dem Weiblichen zukommt? Eine Hommage auch an seine Frau Gala? Dali stellt das Cello in einer Festigkeit dar, die auch eine Verlässlichkeit wie Treue ausstrahlt, eben eine Beständigkeit als Kleinod in seiner Kunst die als Ruhepol gedeutet werden könnte – soweit es jenen in den Gemälden bei Dalí gibt. Lässt sich Musik malen? Dalí beantwortet diese Frage: zu einem Künstler, dessen Musik er gehört hatte, sagte er „Du malst Musik“. Wieder einmal kreuzen sich die unterschiedlichen Disziplinen – Musik und Malerei – und eröffnen eine neue Realität. Werden damit Irrtümer befördert? Auch dies wäre ganz im Sinne Dalís, eröffnen doch gerade Irrtümer die über oder jenseits aller Realität liegenden Bereiche.
Mit Dalís Cello eröffnet Dietmar Berger eine wahrlich musikalisch anmutende Reise zur Kunstwelt des Salvador Dalí.
Dittrich Verlag
168 Seiten
Zahlreiche Abbildungen, teilweise farbig
Sprache: Deutsch
ISBN 978-3-947373-85-7