Buchrezensionen

Dietmar J. Ponert: E. T. A. Hoffmann: Das bildkünstlerische Werk. Ein kritisches Gesamtverzeichnis, Imhof Verlag 2012

Im Jahre 2012 erschien im Michael Imhof Verlag in Form zweier großformatiger Bände ein »kritisches Gesamtverzeichnis des bildkünstlerischen Werkes E.T.A. Hoffmanns«. Der Pinsel- und Bleistiftstrich des gemeinhin als Schriftsteller bekannten Hoffmanns dürfte den meisten Lesern zumindest in Form von Buchdeckelillustrationen verschiedener hoffmannscher Reclam-Ausgaben kenntlich sein. Unser Autor Lennart Petersen hat sich nun auch von der zeichnerischen Vielfalt E.T.A. Hoffmanns überraschen lassen und einen Blick ins Werkverzeichnis geworfen.

Dr. Dietmar J. Ponert, seines Zeichens seit über 25 Jahren Hoffmannforscher, hat mit seinem zwei Bände starken Werkverzeichnis hoffmannscher Bildkunst ein so notwendiges wie überfälliges Studien- und Nachschlagewerk veröffentlicht. Notwendig deswegen, weil die wissenschaftliche Arbeit an einer derart produktiven Person wie E.T.A. Hoffmann und seinem ausgreifendem Œuvre ein belastbares Verzeichnis für eindeutige Nach- und Verweise eigentlich voraussetzt. Und überfällig deswegen, weil, nach Ponerts Erfahrung, trotz allgemeinem Interesses an Hoffmann eine derartig einheitliche, wissenschaftlich belastbare und überdies vollständige Strukturierung seiner bildkünstlerischen Werke bisher nicht vorlag. Mit seinem Gesamtverzeichnis soll diese Lücke nun geschlossen sein.

Ponert hat es sich damit sichtlich nicht einfach gemacht. Insgesamt führt er 240 Einträge in seinem Katalog und stellt 198 Abbildungen zur Verfügung. Diese umfangreiche Sammlung ergänzt er um einen kritischen Apparat, der nicht nur ordentlichen Aufschluss über Herkunft, Machart und Entstehungschronologie hoffmannscher Werke gibt, sondern auch dezidiert und nachvollziehbar zwischen Originalen und Reproduktionen unterscheidet. Auffällig ist dabei, dass ein nicht geringer Teil der im Katalog angeführten Bilder in ihrer einstmaligen Existenz nur vermutet werden kann. Ponert rekonstruiert sie anhand umfangreichen Quellenmaterials und unterscheidet hier zwischen »nicht erhaltenen« und »wahrscheinlich nicht ausgeführten« Originalen. Überschlägt man einmal das Verhältnis von Katalognummern und Abbildungsnummern des ponertschen Verzeichnisses und zieht vergleichende Abdrucke von Originalen und Reproduktionen sowie zur Ergänzung herangezogene Photographien ab, ergibt sich als gröbste Schätzung ein überdauern von ungefähr 170 Werken Hoffmanns in die heutige Zeit und gleichsam der Verlust von circa 70 Bildern. Ponert versäumt leider, diesen Punkt mit einer exakten Rechnung und genaueren Aufstellungen hervorzuheben.

Den Bänden vorangestellt sind neben einem einseitigen Geleitwort das Vorwort des Autors, eine Einleitung sowie die Benutzungshinweise zum Katalog. Hierbei entstehen gewisse Redundanzen in Bezug auf Struktur und Ordnung des Verzeichnisses. Auch verfällt Ponert – wie es bei Forschern, die sich intensiv mit einem Künstler beschäftigen, oftmals der Fall ist – in seiner Einführung zuweilen in eine huldigungshafte Charakterisierung der Bildkunst und Person Hoffmanns. Auch ohne etwaige Hyperbeln würde der geneigte Leser ihm sowohl seine Leidenschaft für das Thema als auch für die hoffmannsche Kunstfertigkeit vorbehaltlos abnehmen.

Nichtsdestoweniger ist es auch Ponerts rauschhafter Sprachduktus, der sein Gesamtverzeichnis zu etwas Besonderem macht. Die detailgenauen Bildbeschreibungen, die er jeder Katalognummer in unterschiedlicher Länge hinzufügt, bieten nicht nur zusätzliche Informationen zu den einzelnen Abbildungen, sondern auch bereits erste Interpretationen sowie, wenn keine Bildlichkeit überliefert ist, zumindest einen gewissen Eindruck von dem, was fehlt. Gerade auch bei den wenigen nur sehr dunkel im Ton abgedruckten Bildern geben Ponerts Ausführungen Gewissheit über ansonsten nur schemenhaft zu erkennende Elemente und Szenerien. Die zusätzlich abgedruckten Quellentexte aus Briefkorrespondenzen, Erinnerungen und Tagebuchaufzeichnungen Hoffmanns und seines sozialen Umfeldes bereichern das bereits reiche Sammelsurium aus Bild und Bildbeschreibung. Bei den nur vermuteten Bildern dienen sie darüber hinaus zur Rechtfertigung der Aufnahme derselben in Hoffmanns Œuvre.

Das so entstehende Konvolut lässt sich daher auch zum Vergnügen lesen. Die versammelten Quellen ergeben interessante Einblicke in die Lebens- und Schaffenswelt Hoffmanns und fügen sich gemeinsam mit seinen Werken zu einem ganz eigenen Bild des Schriftstellers und Künstlers. Die enge Verflochtenheit seiner Bild- und Schreibkunst wird häufig in den Quellenzitaten deutlich, beispielsweise in einer Erinnerung an die Entstehung von Hoffmanns »Sandmann«: »Aus den Handzeichnungen ausgesucht, um zu zeigen, wie Hoffmann die Gestalten, die er auftreten ließ, lebendig vor sich stehn sah. Er erzählte dem Herausgeber den Inhalt des Sandmanns, den er sich zu schreiben vorgesetzt, und warf, während des Sprechens, die Scene S. 13. Th. 1. der Nachtstükke […], auf ein vor ihm liegendes Stück Aktenpapier« (S. 286).

Es ist eine absolute Stärke des Katalogs, Bilder und Texte in so umfangreicher Art zusammenzubringen. Damit hat Ponert erreicht, was er erreichen wollte, und »ein kritisches Gesamtverzeichnis« des bildkünstlerischen Werkes Hoffmanns erschaffen, welches das Zeug zum Standardwerk hat. Die beiden prächtigen Bände liegen dabei gleichermaßen gut in den Händen der Wissenschaft wie in denen jedes an E.T.A. Hoffmann Interessierten. Sowohl der Bildband als auch das Verzeichnis selbst laden in Form und Inhalt nicht nur zum Forschen, sondern auch zum gelegentlichen Schmökern und Entdecken ein. Dietmar Ponerts »E.T.A. Hoffmann – Das bildkünstlerische Werk« ist eine Zier für jede Hand-, Salon- oder Institutsbibliothek und im Gebrauch zu empfehlen.

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