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Donatello. The first modern sculptor. DVD des Verlags Arthaus Musik

Die Machart eines solchen monografischen Filmportraits ist aus unzähligen Filmen bekannt: Man heftet sich einem Vermittler an die Fersen, in diesem Fall einem britischen Bildhauer, der die Spuren eines großen Vorbildes verfolgt, als habe es vor ihm keine ernsthaften Wissenschaftler gegeben. Dem großen Bildhauer des Quattrocento, den sie «der kleine Donato» nannten, ist dieser Film gewidmet. - Die britische Dokumentation über Donatello ist jetzt neu auf DVD erschienen - zu Recht, findet unser Rezensent Walter Kayser.

Donatello
Donatello

Der Anfang ist wenig vielversprechend. Man sieht den Engländer auf eine Leiter steigen und einen angeblich neuen Donatello an der Straßenecke in Florenz entdecken. Die Autotypen und noch mehr die Hose des Mannes verraten aber, dass diese Szene mindestens 1985, wenn nicht in den 70ern stattfand. Dann der Sprecher aus dem Off mit so nichts sagenden wie unbescheidenen Sätzen wie: «Er war wohl der vielseitigste Künstler seines Jahrhunderts, ja vielleicht sogar aller Zeiten. [Satter Einsatz des unvermeidlichen, breit hingestrichenen Vivaldi-Adagios] Donatello ist ein Bildhauer, den jede Zeit neu entdeckt, weil sein Thema das menschliche Leben selbst ist. Er beeinflusste Michelangelo [Michelangelo, ganz im Stil der Banausen mit deutschem ch gesprochen], seine Darstellungen sind unübertroffen, einzigartig und individuell».

Aber dann geht es doch nicht so weiter. Gott sei Dank. Chronologisch wird die Werkgeschichte des Künstlers aufgerollt, von den Anfängen in der Werkstatt Ghibertis bis zum furiosen Spätwerk. Auch der Charakter des Künstlers, die Lebensumstände, seine Unfähigkeit mit Geld umzugehen, und der spartanische Lebenswandel werden gelegentlich beleuchtet.
Donatello war ein herber, ja sperriger und großartig tragischer Künstler. Dabei hat sich sein Stil immer wieder gewandelt: Der Hl. Georg, der 1417 für Or` San Michele geschaffen wurde, wirkt ruhig und wachsam, voller Entschlossenheit und verhaltener stolzer Leidenschaft.

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Bei dem 1427 in Gemeinschaftsarbeit mit Michelozzo geschaffenen Grabmal für den Kardinal Brancacci in Neapel sorgte das bis dato nie gesehene zarte Flachrelief für noch größeres Aufsehen als die von seinem Werkstattgesellen geschaffenen vollplastischen Grabfiguren. Die großen Zeitthemen der Räumlichkeit und der Neuorientierung an der vorchristlichen Antike rücken endgültig in den Mittelpunkt.
Etwas Besonderes an diesem englischen Film sind immer wieder die technischen Hinweise auf die rekonstruierbare Arbeitsweise. Vermutlich kamen bei den hauchdünnen Flachreliefs nur noch drei Werkzeuge zum Einsatz: der Drehmeißel, der Flachmeißel und den Rundmeißel. Besonders die Arbeit mit dem Flachmeißel ermöglichte ein förmliches direktes ‚Zeichnen’ in den Marmor. Am schönsten geriet ihm das vielleicht in dem nicht tiefer als 5 Millimeter tiefen Relief, das die versammelten Jünger, die Himmelfahrt Christi bezeugend, zeigt, wobei sich Christus Petrus als seinem irdischen Stellvertreter zuwendet.

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Donatello hatte einen Hang, wie Goya oder Picasso Greueltaten oder auch exzessive Freude mit schockierender Eindringlichkeit zu zeigen. «Sprich - oder Du musst bluten!», soll Donatello laut Vasari gesagt haben, als er den «Zucchone» für den Campanile des Florentiner Doms schuf.
Diese vorweggenommene «terribiltá»tritt nicht erst im Spätwerk zu Tage, in der Judith mit Holofernes, in den Büßerfiguren von Maria Magdalena, Johannes dem Täufer oder der Kanzel für San Lorenzo mit dem grausigen Martyrium des Patrons. Mehr noch als beispielsweise die Salome des Taufbeckens aus Siena, die wie eine wilde Mänade tanzt, wird das bereits in der Sängerkanzel für den Florentiner Dom deutlich. In dem über 5 Meter langen Fries tanzen die Putti eine wilde, geradezu heidnisch anmutende Bacchianale, - eine Antwort auf Luca della Robbias anmutig-süßliche, viel dekorativere Sängerkanzeln.
Der Film zeigt die Kunstwerke in einer bemerkenswerten Ruhe, ohne die völlig unsinnigen Kamerabewegungen und Zooms oder die gewaltsamen Ton-Bild-Scheren, die man von vielen Fernsehproduktionen gewohnt ist.
Mit 57 Jahren brach Donatello nach Padua auf, vermutlich weil sein Atelier dem Neubau des Medici-Palastes weichen musste. Der Dom San Antonio bildete bekanntlich für die nächsten 10 Jahre den Mittelpunkt seines Schaffens. Bis zum Juni 1450 arbeitete eine ganze Werkstatt mit mehr als 20 Angestellten fieberhaft an dem Hochaltar. Besonders reizvoll ist es, dass die Technik dieser Reliefs im Film eingängig von seinem großen Kollegen Henry Moore untersucht wird.
 
Deshalb ist das jetzt erst auf Deutsch greifbare BBC-Lebensbild des Künstlers trotz gelegentlicher Verstaubtheiten gelungen und nach wie vor eine empfehlenswerte Einführung.

 

 

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