Ausstellungsbesprechungen

Edvard Munch – Liebe, Tod und Einsamkeit, Albertina Wien, bis 24. Januar 2016

Edvard Munch ist ohne Zweifel eine Ikone der Moderne, einige seiner Werke haben es gar in die Popkultur geschafft. Sein durckgrafisches Werk steht in diesen Tagen in Wien im Rampenlicht. Andreas Maurer hat sich die so dramatisch betitelte Ausstellung angesehen.

12 Jahre ist es her, dass die Albertina nach ihrem Umbau wiedereröffnet worden ist. Die erste Ausstellung widmete man damals, gegen jede Erwartung, dem Norweger Edvard Munch (1863–1944). Ursprünglich als Grafische Sammlung angedacht, besitzt das Haus selbst über 200 Drucke des norwegischen Meisters, welche sogar noch zu Lebzeiten Munchs erworben wurden. Und obwohl schon bei der Schau 2003 einige Blätter aus dem druckgrafischen Œevre Munchs gezeigt wurden, blieb der Wunsch, diesem Teil aus dem Gesamtwerk des Künstlers eine eigene Ausstellung zu widmen, bis heute bestehen.

Nun sollte dafür endlich Zeit und Raum sein. Für die angedachte Präsentation, welche Munchs Bedeutung als einer der wichtigsten Grafiker der Geschichte – mit seiner fast suchtähnlichen Experimentierfreudigkeit – zementieren sollte, brauchte man jedoch Werke, die sich nicht im Besitz der Albertina befinden. Fündig wurde das Team rund um Kurator Dieter Burchart, der auch schon die Munch Ausstellung 2003 in Wien gestaltete, in einer privaten Sammlung in der Schweiz, die sich ausschließlich auf eben diese seltenen Drucke, meist Unikate, spezialisiert hat. Einhundert ihrer schönsten Exemplare fanden so nun den Weg nach Wien.

Auf über tausend Quadratmetern rückt die Schau großzügig das druckgrafische Werk des Künstlers ins Rampenlicht. Munchs Lithografien, Radierungen und Holzschnitte wurde dabei nicht nur der selbe Rang wie seinen Gemälden zugesprochen, sondern die Blätter werden zudem erstmals von gleichberechtigten Textpassagen und Zitaten begleitet, die meisten von Munch selbst und Zeitgenossen wie Ibsen, Strindberg und Nietzsche (ausgewählt von Assistenzkuratorin Mag. Gunhild Bauer). Das geschah zum einen aus der Überlegung heraus, dass Munch sich selbst mehr als Dichter denn als Maler verstanden hat. Und zum anderen kreieren diese poetischen Begleiter beim Betrachten der Werke eine eigene Stimmung und erlauben nicht selten einen tieferen Interpretationszugang als bei herkömmlichen Ausstellungen.

Über allem stand aber auch der Gedanke endlich Munchs sogenanntem »Lebensfries« (rückwirkend 1918 selbst so bezeichnet) zur gewünschten Präsentation zu verhelfen. Es war zeitlebens der Wunsch des Meisters, dass dieser Fries in einem Saal angebracht werde, der architektonisch einen passenden Rahmen abgibt, sodass jedes Bild zu seinem Recht käme, ohne dass der Gesamteindruck darunter litte. War niemand bisher bereit, Munchs Wunsch zu verwirklichen, wagt die Albertina nun das Experiment.

Die Bilder erzählen eine Geschichte der Liebe, die von der Anziehung der Geschlechter, einem Kuss, der Loslösung, dem Versinken des Mannes in Melancholie, dem Schrei bis hin zur abschließenden Lebensangst und dem Tod reicht. Das Werk des Norwegers kann so auch als Metabild, als Summe aller einzelnen Serien in ihrer Gesamtheit, verstanden werden. Hat man Munch noch zeitlebens vorgeworfen, sein Fries wäre zu uneinheitlich, spannt sich in der Albertina ein ornamentales Band von Raum zu Raum. Dieses wird einerseits durch die stimmungsvollen Farben an den Wänden erreicht, andererseits werden verschiedenste Werke durch übergeordnete Themenbereiche wie sie auch Munch zusammenfasste miteinander verknüpft. Aber auch der Künstler selbst hat in den Werken bereits verbindende Elemente geschaffen: Mal ist es eine geschwungene Strandlinie, ein andermal vertikale Strukturen wie Bäume oder die subtile Einheitlichkeit in Stimmung und Farbe.

Ausgehend von eigenen biografischen Schicksalsschlägen gelingt Munch in seinen druckgrafischen Werken wie in seinen Gemälden eine scharfe Analyse der Innenwelt der Individuen, und bekräftigt so einmal mehr seinen Rang als einer der einflussreichsten Protagonisten der Moderne – schon Anfang des 20. Jahrhunderts zählten etwa »Der Schrei«, »Madonna«, oder »Der Kuss« zu den Ikonen der Moderne und sind mittlerweile zu allgemein gültigen Chiffren existenzieller Gefühle des Menschen geworden.

Aber trotz dieser einheitlichen Verbindungen ist es vielleicht mehr das Experimentelle was diese Blätter zu einem zusammenhängenden Fries eint. Darin liegt, laut Aussage des Kurators, auch Munchs wahre Bedeutung versteckt: Denn er führt die einzelnen Techniken der Druckgrafik bis an ihre jeweiligen Grenzen, lässt etwa als erster die Maserung des Holzes als Bildelement hervortreten, kombiniert verschiedene Techniken und legt bei manchen Drucken selbst noch einmal Hand an, um mit Öl- oder Pastellfarben aus diesen gemäldeähnliche Hybriden zu erschaffen. Mittels Deformierung, Sichtbarmachung der Technik und dramaturgischer Verknappung machte sich der Norweger daran die Innenwelten seiner Figuren und deren karger Umgebung zu durchleuchten, allen voran die komplizierte Beziehung Mann und Frau.

Die Schau zeigt Munch als d e n innovativen Neuerer auf dem Gebiet der Druckgrafik, denn selbst bekannte Sujets werden auf seinen Blättern, immer weiter variiert, und so gleicht kein Blatt dem anderen, auch wenn sie in manchen Fällen den gleichen Druckstock als Vater haben. Laut dem Direktor der Albertina, Dr. Klaus Albrecht Schröder, ist diese Ausstellung wahrscheinlich die »schönste Druckgrafikschau überhaupt«, und wahrscheinlich hat er damit auch recht.

Für die etwas jüngeren Besucher hält die Kunstvermittlung der Albertina aber ebenso Interessantes bereit: Neben öffentlichen Führungen werden Juniorführungen (für Kinder von 6–12 Jahren), eine Mitmach–Führung sowie Workshops angeboten, in denen die Teilnehmer selbst verschiedene Drucktechniken ausprobieren können und – wie Munch – damit experimentieren dürfen.

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