Ausstellungsbesprechungen

Edward Burne-Jones – Das Irdische Paradies. Staatsgalerie Stuttgart, bis 7. Februar 2010; Kunstmuseum Bern, 18. März – 25. Juli 2010

Ein kleiner Coup ist der Stuttgarter Staatsgalerie mit ihrer Ausstellung von Arbeiten des präraffaelitischen Künstlers Edward Burne-Jones gelungen, wobei es überwiegend glückliche Umstände sind, die der Schau ein beachtliches Echo in den Medien beschert haben. Günter Baumann hat diese für PKG besucht.

Sicher kann man nicht behaupten, die Welt hätte auf die Bilder dieses Künstlers des späten 19. Jahrhunderts gewartet, deren symbolistisch-pathetisches  Aufflammen fast befremdlich wirkt, wären da nicht so manche Fantasy-Comics, die sich einer solchen Ästhetik bedienen und durchaus hoch im Kurs stehen, so dass man Burne-Jones selbstbewusst eine Ahnenschaft zusprechen kann. Dazu kommt, dass Stuttgart mit dem Perseus-Zyklus ein Hauptwerk des Meisters besitzt: Kaum ein anderes Museum in Deutschland dürfte da mithalten können, weshalb es schon nahe liegt, diesem Zyklus einmal weitere Arbeiten des Künstlers beizufügen, zumal wenn der Chef des Hauses, Sean Rainbird, Engländer ist. Schade, dass der Beuys-Experte nicht auf die Idee kam, Burne-Jones mit jenem Filz- und Fett-Guru zu konfrontieren, der mit etlichen erstklassigen Werken in der Staatsgalerie vertreten ist – die »Dernier-Espace«-Installation oder der umgeschmolzene Kron(en)juwelen-Hase würden sich durchaus für interessante Dialoge eignen. Es kann freilich sein, dass ein derartig hausbezogenes Konzept die Weiterfahrt nach Bern erschwert hätte, wo die Ausstellung im Anschluss Station macht. Wie auch immer, dass Stuttgart erstmals in Deutschland eine monografische Burne-Jones-Schau zeigt, die auch hierzulande noch nie gezeigte Arbeiten miteinbeziehen konnte, liegt womöglich auch an einem berechtigten Desinteresse am viktorianischen Schwulst – unabhängig davon, dass Burne-Jones in Großbritannien zu den wichtigsten Künstlern des 19. Jahrhunderts zählt. Noch ein glücklicher Umstand: Puerto Rico gab wegen der Sanierung seines Museums in Ponce den schlafenden »König Artus«, eine 6,5 Meter breite Leinwand, frei, ohne welche die Präsentation kleinteilig zerronnen wäre.

Nun ist er da, Burne-Jones, in einer beachtlichen Werkfülle, und die Ausstellung hat Erfolg. Will man das verstehen, muss man sich schon Zeit nehmen und – den Impressionismus beiseite lassend – den widerspenstigen Geist gegen die Akademiemalerei vor 1900 nach vorne bürsten, den selbstironischen Ton aus den Zyklen heraushören und die formale Kühnheit erkennen, die Burne-Jones davor bewahrt, den süßlich-morbiden Duft zu übernehmen, der über der »Pre-Raphaelite Brotherhood« lag. Ausgerechnet Dante Gabriel Rossetti, der prägendste Vertreter dieser Brüderschaft, war Burne-Jones\' Lehrer, doch hat man es der Bekanntschaft mit dem schon jugendstilbewegten Sozialreformer William Morris zu verdanken, dass der Perseus-Maler ein differenziertes Bild der Bewegung um Hunt, Millais, Rosetti & Co. entwickelte. Morris ist es denn auch, der die Stuttgarter Ausstellung zum einen über den Untertitel (»Das Irdische Paradies« bezieht sich auf eine seiner Dichtungen) und zum anderen mit handfesten, nämlich köstlich karikaturhaften Zeichnungen begleitet. Andere Zeichnungen von Rosetti zeigen allerdings, dass sich auch die Hardcore-Präraffaeliten ein Ventil der Ironie freihalten konnten. Doch wird man auch den ureigen elegischen Ton von Burne-Jones und die anatomische Treffsicherheit in der Gesamtkomposition berücksichtigen müssen, wenn man dem Stil des Engländers gerecht werden will.

Ob man Edward Burne-Jones wegen seiner Dornröschen-Phantasie gleich als Vorläufer der Harry-Potter- und Herr-der-Ringe-Erfinder einstufen kann – wie manche Fantasy-Fans angesichts der Ausstellung verlauten ließen –, mag ein reizvoller Gedanke sein, der den Ausstellungsmachern sicher auch gefällt. Dieser führte jedoch auf einen Nebenschauplatz, der nicht ungefährlich ist. Vielleicht weniger publikumswirksam, dafür kunsthistorisch interessanter ist die Möglichkeit, den bedeutenden Perseus-Zyklus der Staatsgalerie in eine vorbildliche Entstehungsgeschichte einzubinden. Burne-Jones’ Werk insgesamt ist von eminent historischem Interesse, und technisch ist Burne Jones so brillant, dass er auch mit den Tricks moderner Medien mithalten kann. Nur thematisch kann er neben »Avatar« & Co. kaum bestehen, zumindest dürfte er kaum ein jüngeres Publikum anlocken.

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