Ausstellungsbesprechungen

Elfie Semotan. Künstlerporträts, Ausstellung im MdM Rupertinum in Salzburg, bis 24. Oktober 2010

Mit der Kamera fängt Elfie Semotan in markanter Bildsprache Künstler ein und zeichnet dabei deren persönliche Handschrift mit unglaublichem Feingefühl nach, indem sie ihr Gegenüber entweder vorsichtig umkreist oder es schlaglichtartig beleuchtet. In ihren Arbeiten sucht Semotan nach einer wahrhafteren Wirklichkeit, der sie »mit ihren intensiven, subtilen und kippenden Fotobildern auf der Spur« ist, wie Margit Zuckriegl es formuliert. Unsere Autorin Verena Paul hat sich diese eindringliche, klar strukturierte Präsentation angesehen.

Den Ausstellungsauftakt markieren 17 Aufnahmen von weltweit renommierten Künstlerpersönlichkeiten, deren Porträtsitzung vielfach zu einem »Auftritt« avancierte. So wird beispielsweise Georg Baselitz in einer Schwarz-Weiß-Fotografie durch das gleichmäßige Wechselspiel seiner Kleidung – die mit den dynamischen, hell-dunklen Pinselakkumulationen der hinter ihm stehenden Gemälde korrespondiert – in die Fotografie hineinkomponiert. Anders erscheint dagegen die Farbaufnahme von Katherine Bernhardt, die in ihrem floral gemusterten Kurzmantel mit dem Wirrwarr des Ateliers regelrecht verschmilzt und Teil ihrer kreativen Welt wird. Und Daniel Richter? Er fügt sich mit seinem überraschten, ja beinahe verängstigten Gesichtsausdruck in das eigene hinter ihm hängende, großformatige Werk ein und wird von den skelettartigen Gestalten, die nur noch Schatten ihrer selbst sind, umfangen. Bei Cecily Brown hat sich Elfie Semotan auf Kontraste konzentriert, indem sie die Künstlerin vor einer ihrer strichwuchtigen Gemälde als Ruhepol wirken lässt. Mit Licht und Perspektive baut die Fotografin das Figürliche der Personen auf, schält sie aus ihrer Umgebung heraus, lässt sie Bestandteil des räumlichen Kontextes werden und spürt dergestalt das Individuelle subtil auf. »Ihre Fotografie changiert zwischen dem Respekt vor der eigenwilligen und eigenständigen Persönlichkeit des Künstlers, seiner individuellen Örtlichkeit, die der Künstler selbst wählt, und dem fotografischen Gestus, der miteingebracht wird«, so die Erklärung Margit Zuckriegls in ihrem wunderbar zu lesenden Katalogbeitrag.

Neben den Künstlerporträts finden sich an den Längsseiten des Raumes zwei großformatige Aufnahmen, die wie Schnappschüsse die menschenleere Ateliersituation festhalten. Es ist ein Herantasten an den Menschen, der sich hinter den bisweilen chaotisch verstreuten Arbeitsutensilien verbirgt. Dabei fällt besonders die Darbietung dieser Fotografien auf, die nicht gerahmt sind, sondern legere an der Wand angebracht wurden. Ästhetisch reizvoll sind nicht zuletzt die sich an den Rändern abzeichnenden Spuren des Entstehungsprozesses, die nicht nur die Atelierfotos selbst auflockern, sondern auch die sie umgebenden Künstlerporträts.

Beim Verlassen des ersten Raumes, blicken wir unmittelbar auf eine Nische, in der sich zwei Werke spannend eingefunden haben. Zu sehen ist Elke Krystufek, die sich – wie sie es bei ihren Performances auch tut – spielerisch inszeniert: als mondäne, streng blickende Blondine mit etwas zu blonden Haaren, einer kitschigen Perlenkette und einer knallfarbenen, mit Pailletten verzierten Haarschleife, die ihr keckes Spiel mit dem dunkelroten Pelz treibt oder als Schwarzhaarige, die über das zu stark geschminkte Gesicht strahlt. Damit verdeutlicht Elfie Semotan, dass sie den Künstler niemals »als genialisches Schöpferwesen oder kreatürlichen Demiurgen [definiert]. Sie tastet die Persönlichkeit ab, lässt den Spielraum zur eigenen Interpretation von Befindlichkeit und lotet einen Tiefenraum hinter der geschilderten Person aus. Ihrer fotografischen Sprache ist das ‚Kippen’ von Glamour in Absurdität, von affirmativer Pose ins schwankende Fragilität, von effektvoller Präsenz in verwischte Abwesenheit eigen«, so Zuckriegl.

Beim Weitergehen bleibe ich dann bei einer Gruppe von Aufnahmen stehen, die Künstler in manchmal drastischem Hell-Dunkelkontrast vor neutralem Hintergrund festhalten. Da ist beispielsweise Vanessa Beecroft, die lächelnd über die Kamera hinwegblickt, wobei dieses Lachen aufgesetzt, distanziert und inszeniert anmutet. Oder Angela Bulloch, die mit ihren hängenden Schultern und dem herabgerutschten BH-Träger uns enerviert ansieht. Ihr Gesicht ist aber trotz oder gerade wegen seiner leicht zornigen Züge schön und das Funkeln in ihren Augen zieht den Betrachter nur noch stärker an. Es folgen weitere Bildgruppen mit Künstlern wie Erwin Wurm oder Jonathan Meese, mit denen die Raumdynamik neu definiert wird. Nehmen wir beispielsweise Maria Lassnig, die seitlich auf dem mit Folie bedeckten Boden liegt und sich gegen die Fotografie zu sträuben scheint, diese als einen Antipoden begreift, dem mit gespreizten, abwehrenden Händen zu begegnen ist. Es sind mehrere solcher vitalen Aufnahmen der Malerin zu sehen, die an dieser Stelle die Statik durchbrechen und neue Impulse geben, bevor die Präsentation im letzten, meditativen Raumteil, der dem Wiener Bildhauer Bruno Gironcoli gewidmet ist, leise ausklingt.

Wie im ersten, so finden wir auch in diesem spannend zugeschnittenen, zweiten Ausstellungabschnitt vier Ateliersituationen, denen heitere und bedrohliche, humoreske und traurig stimmende Züge eigen sind. Es sind Momentaufnahmen künstlerisch-schöpferischer Arbeit und Spuren der Selbstvergessenheit, die sich in der Fotografie als ästhetische Miniaturen niedergeschlagen haben.

Spannende, klug arrangierte Werkpräsentation, die den Betrachter an keiner Stelle über- oder unterfordert. Damit der zweite Raum durch seine Länge nicht zu einem endlosen Tunnel wurde, haben die Ausstellungsmacher Schrägen an den Wänden eingesetzt, die Kraftachsen bilden und die zu Gruppen gebündelten Arbeiten in ihrer Wirkung unterstützen, akzentuieren und bisweilen auch Widerstand leisten.

Fazit: Atemberaubend authentisch, geistreich ästhetisch und mit feinem Sensorium für Zwischentöne sind Elfie Semotans Künstlerporträts und Atelierstillleben eine echte Bereicherung – eine Ausstellung, der ich viele aufmerksame Besucher wünsche!

Zur Ausstellung ist im Hirmer Verlag München ein reich bebilderter Katalog mit zwei informativen Texten von Roberto Ohrt und Margit Zuckriegl erschienen.

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