Ausstellungsbesprechungen

Entdeckt! Rebellische Künstlerinnen in der DDR, Kunsthalle Mannheim, bis 9. Oktober 2011

Mit der Ausstellung über die Kunst der Frauen der DDR stößt die Kunsthalle Mannheim eine Tür auf, die bis dato verschlossen war und kaum beachtet wurde – obwohl sich hinter ihr ein ergiebiger Fundus verbirgt. Diesem wird sich nun erstmals ausführlich genähert. Über die bisher einmalige Schau hat Günter Baumann sich ein eigenes Bild gemacht.

Zugegeben, es hat sich wohl kaum jemand Gedanken über die feministische Kunst in der DDR gemacht, als Sammler wie Peter Ludwig und andere massiv Kunst »von drüben« in den Westen holten: Im Nachhinein betrachtet, waren wenige Künstlerinnen darunter – waren überhaupt welche dabei? Wenn ja, müssen sie neben Tübke, Mattheuer & Co. untergegangen sein. Was auch immer die Erinnerung ins schiefe Licht halb vergessener Bruchstücke rückt, eine feministische Betrachtung war zumindest für Peter Ludwig kein Kriterium bei der Bildersuche. Die Ausstellung »Entdeckt! – Rebellische Künstlerinnen in der DDR« in der Mannheimer Kunsthalle deckt ein Kapitel in der jüngeren Kunstgeschichte auf, das rundum überrascht. Dass der Ost-Feminismus erstmals im Museum gezeigt wird, verwundert umso mehr, als genügend Signale in der Literatur bekannt waren, die nahelegten, dass auch die Kunst sich des Themas angenommen haben muss. Irmtraud Morgner, Christa Wolf (immerhin schon um 1980 Schullektüre im Westen!) oder Maxi Wander (die allerdings eher als Österreicherin wahrgenommen wurde) hatten in der alten Bundesrepublik einen hohen Stellenwert. Aber Namen von Künstlerinnen? Fehlanzeige. In der Ausstellung begegnet man freilich – in sträflicher Verzögerung – wichtigen Vertreterinnen frauenorientierter Kunst und ertappt sich wieder bei einer Fehlleistung des Gehirns: Die Arbeiten von Christine Schlegel oder Cornelia Schleime – um nur zwei Namen zu nennen – sind schon so sehr Gemeingut der deutschen Gegenwartskunst, dass man verwundert zur Kenntnis nimmt: Ach, die sind aus der DDR?

Zur Ehrenrettung folgt man dann der Kuratorin Susanne Altmann in der Erkenntnis, dass die Werke der präsentierten Künstlerinnen im subkulturellen Niemandsland entstanden. Performance oder gesellschaftskritische Filme gehörten nicht zur offiziellen Kunst, und bekanntermaßen waren kritische Töne in den traditionellen Künsten unerwünscht – offenbar noch mehr, wenn sie von Frauen kamen als von Männern. Die Mannheimer Schau macht deutlich, dass andererseits die konzeptionelle Kunst, wie sie in den USA und in Westeuropa die 1970er und 1980er Jahre prägte, in Ostdeutschland sehr wohl bekannt war. Und dass die »rebellische Frau« nicht unbedingt ein Frauenthema ist, zeigt das soziorealistisch inkorrekte »Porträt nach Dienst«, gemalt von Horst Sakulowski. Sichtlich erschöpft ist die Protagonistin eingeschlafen, die lästigen Telefone lösen sich wie Schreckensboten des Arbeitsalltags ab. Ansonsten arbeiten sich die Frauen selbst am Thema ab, in Performance-Dokumenten, Experimentalfilmen und Fotos – die an Extrempositionen der Wiener Performancekultur anzuknüpfen scheinen – genauso wie in der abstrahiert-expressiven Malerei, auch Übermalungen, die in Cornelia Schleime eine hervorragende Protagonistin hat. Selbst für den heutigen Betrachter gehen die Subversion und insbesondere die selbstzerstörerische Körperkunst von Tina Bara, Yana Milev oder Else Gabriel bis an die Schmerzgrenze.

Das bindende Element der höchst unterschiedlichen Positionen, die auf recht kleinem Raum zusammengeführt sind, ist die Frage nach der Identität – und die war im real existierenden Sozialismus wohl keineswegs so klar, wie man eine Zeitlang annahm. Die Chiffrenfigur der Kassandra – von Christa Wolf über die Grenzen und Mauern hinweg der deutschen Gesamtkultur eingeprägt, lieferte im Osten wie im Westen gleichermaßen Stoff für künstlerische Bearbeitungen (so etwa Angela Hampel). Neben der Brutalität, in der sich das Recht der Frau Bahn bricht, gehören auch stille Töne zur Ausstellung wie etwa die melancholischen »Tamerlan«-Bilder von Gundula Schulze Eldowy. Weitere Künstlerinnen sind Doris Ziegler mit wehmutsvollen Gemälden, die sozialistischen Realismus mit der metaphorischen Kunst eines De Chirico vereint, sowie Karla Woisnitza und Gabriele Stötzer. Als Gast ist die Amerikanerin Janet Grau mit von der Partie, die seit 1999 in Dresden lebt.

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