Buchrezensionen

Ernst Cassirer: Eidos und Eidolon. Das Problem des Schönen und der Kunst in Platons Dialogen. Erwin Panofsky: Idea. Ein Beitrag zur Begriffsgeschichte der älteren Kunsttheorie. Hg.u. mit einem Nachwort von John Michael Krois. Philo-Fine-Arts

In seinem auf 1924 datierten Vorwort zu »Idea« schreibt Erwin Panofsky mit Blick auf Ernst Cassirers Aufsatz »Eidos und Eidolon«, dass es in der „Absicht beider Verfasser“ gelegen hätte, wenn der enge Zusammenhang ihrer beider Arbeiten „auch äußerlich in die Erscheinung getreten wäre“. Ein Grund für diesen Wunsch war sicherlich die Freundschaft beider Autoren, aber wohl vor allem der thematische Zusammenhang beider Studien, der enger nicht sein könnte. Schon deshalb kann man die jetzt erfolgte Edition zweier so bedeutender Schriften in einem einzigen Band nur begrüßen, befindet unser Rezensent Stefan Diebitz und stellt diese Neuerscheinung vor.

Nachdem er als Berliner Privatdozent mehrere umfangreiche Werke zur Philosophie und Geschichte von Erkenntnistheorie und Wissenschaft vorgelegt hatte (vor allem »Substanzbegriff und Funktionsbegriff«, 1910), wandte sich Ernst Cassirer nach dem Ersten Weltkrieg der Kulturphilosophie zu und schrieb die dreibändige »Philosophie der symbolischen Formen« (1923 – 1929), längst als ein Hauptwerk nicht allein der deutschsprachigen Philosophie des vergangenen Jahrhunderts anerkannt. Man sollte meinen, dass ein derart anspruchsvolles Werk einen Autor ganz in Beschlag nimmt, aber Cassirer fand noch Zeit und Kraft für zahlreiche kleinere Arbeiten, unter anderem für den Aufsatz »Eidos und Eidolon«.

Der dichte und anspruchsvolle, aber dank seines schönen und klaren Stils trotzdem nicht zu schwierige Essay macht das eigenartige Paradox zum Thema, dass Platon die Kunst zwar schroff ablehnte, seine Philosophie in Gestalt der Ideenlehre aber trotzdem Ausgangspunkt der philosophischen Ästhetik werden konnte. Eigentlich vertreten Cassirer wie Panofsky die „starke These“ (so Herausgeber John Michael Krois in seinem Nachwort), „daß im Grunde alle philosophische Ästhetik, die bisher in der Geschichte der Philosophie aufgetreten ist, Platonismus gewesen und Platonismus geblieben ist.“ (Cassirer, S.10) Panofsky urteilt, es sei berechtigt, „die platonische Philosophie als eine wenn auch nicht geradezu kunstfeindliche, so doch kunstfremde zu bezeichnen“ (60), und sucht den Grund dafür darin, dass sie ihr wesensfremde metaphysische Kategorien an die Kunst heranträgt – Kategorien, denen sie nicht genügen kann.

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Fassbar wird dieser Konflikt bereits in dem titelgebenden Begriffspaar des Aufsatzes von Cassirer. Beide Begriffe entstammen derselben sprachlichen Wurzel, besitzen aber zwei grundverschiedene Bedeutungen. „In dem einen Falle trägt das Sehen den passiven Charakter der sinnlichen Empfindung, die einen äußeren sinnlichen Gegenstand nur in sich aufzunehmen und in sich abzubilden strebt – in dem anderen wird es zum freien Schauen, zur Erfassung einer objektiven Gestalt, die aber selbst nicht anders als in einem geistigen Akt der Gestaltung vollzogen werden kann.“ (13) Für Platon war die Philosophie der Kunst deshalb so sehr überlegen, weil sie selbst die Urbilder anschaute, jene aber allein aus den Nachbildern schöpfte.

Der Beitrag Panofskys entspricht viel eher als die kleine Studie Cassirers den Gepflogenheiten der Bibliothek Warburg, denn die meisten dort erschienenen Arbeiten waren eher diachron orientiert. Eine hochkonzentrierte begriffsgeschichtliche Studie wie »Idea« ist deshalb eigentlich beispielhaft für das Programm der Edition. Für sie, die ungefähr dreimal so umfangreich ist (111 Seiten Text, 106 Seiten Anmerkungen, die Zitate fast immer im griechischen, lateinischen oder italienischen Original), markiert Cassirers Darstellung der Philosophie Platons und ihrer Widersprüche den Ausgangspunkt. In seiner Studie verfolgt der damals erst 32 Jahre alte Panofsky den Begriff der Idee und seine Wandlungen von Platon an durch die Zeiten hindurch (von Plotin über Patristik und Mittelalter bis hin zu Michelangelo und Dürer) in völlig souveränen, hoch konzentrierten Darstellungen.

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Wie man sieht, ist die gesamte Philosophie der Neuzeit, ist also vor allem Hegels Ästhetik nicht mehr Gegenstand der Darstellung. Dies ist in der Stellung begründet, die Panofsky im vorletzten Kapitel der Kunsttheorie des Klassizismus zuspricht. Im 17. Jahrhundert erhält der Begriff der Idee „seine letzte und in gewissem Sinne endgültige Formulierung“ (143), und zwar insofern, als in ihr die Mitte gehalten wird zwischen Naturalismus und Manierismus; diese „zugleich gegen Metaphysik und Empirismus“ gerichtete Gegnerschaft ist „das Programm der ‚idealistischen Metaphysik’ in seinem uns heute geläufigen Sinne“ (147). Bei Dürer, den er im letzten Kapitel Michelangelo gegenüberstellt, nimmt der Begriff der Idee (hier im Sinne von „Eingebung“) eine psychologische Bedeutung an, aus der heraus die Vorstellung des Genies als „alter deus“ erwächst: Kunst als schöpferische Tätigkeit.

Der Anhang enthält G.P. Lomazzos »Kapitel über die schönen Proportionen« und den »Symposionkommentar Marsiglio Ficinos« – beide in Italienisch; dazu kommt noch ein II. Anhang: Gio. Pietro Bellori: »L’Idea del pittore«, also ebenfalls nicht übersetzt. In allen drei Fällen findet sich aber ein detaillierter Kommentar. Den Abschluss bildet das Nachwort des Herausgebers John Michael Krois, in dem dieser den Leser über Neuplatonismus und Symboltheorie bei Cassirer und Panofsky informiert.

Weitere Informationen

In derselben Reihe wird im Februar 2009 eine Auswahl von Essays des von Cassirer und Panofsky gemeinsam promovierten Edgar Wind erscheinen (»Heilige Furcht und andere Schriften zum Verhältnis von Kunst und Philosophie«. Fundus Band 174), nähere Literaturangaben finden Sie unten.
 

 

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