Ausstellungsbesprechungen

Europäische Mosaikkunst vom Mittelalter bis 1900, Städtische Galerie Überlingen, bis 9. Oktober 2011

Dieser Tage hat man sich in Überlingen viel vorgenommen. Noch bis zum 9. Oktober gibt es dort in der Städtischen Galerie »Europäische Mosaikkunst vom Mittelalter bis 1900« zu sehen. Dass dabei die stark begrenzten Räumlichkeiten am Rande des Bodensees dieses umfangreiche Unterfangen erschweren, hält die Überlinger nicht auf: Sie machen aus der Not eine Tugend. Lennart Petersen hat die Ausstellung besucht.

Was in Überlingen zusammengekommen ist, um 1500 Jahre Kunsthandwerk der Mosaizisten zu repräsentieren, hat vielfach eine lange Reise hinter sich. Die Exponate entstammen Galerien, Museen oder Sammlungen, die nicht nur in Köln oder Berlin, sondern auch in Florenz, London, Rom und dem Vatikan beheimatet sind. Dabei handelt es sich nicht nur um Mosaike, die, wie man es geläufig vermutet, einst als Verzierungen Innenräume von Kirchen oder Palästen schmückten. Vielmehr findet man sie in der Ausstellung auch als teuren Schmuck oder fein gearbeitete Tabakdosen, wie sie einst in höchsten Kreisen als Geschenk dargebracht worden sind.

Überraschen kann allerdings nicht nur die Form der Exponate, sondern auch ihre unterschiedliche Herstellungsweise. Der besondere Reiz dieser Ausstellung liegt darin, dass man sich die Mosaike einmal aus nächster Nähe ansehen kann. Augenfällig wird hier, wie sehr die kantig anmutende Oberflächenstruktur eines Mosaiks, wie am »Kopf des hl. Petrus« aus dem 5. Jahrhundert zu sehen, zu dessen Lebendigkeit beim Blick aus der Ferne beiträgt. Oder man staunt über den Detailreichtum und die Farbigkeit jener in kunstfertiger Kleinstarbeit zusammengelegten Mosaike, die im Laufe der Jahrhunderte immer deutlicher der Malerei ähneln sollten und auch zu ähneln begannen. Und spätestens, wenn man vor einem der Mikromosaike steht, deren Erfindung im Jahr 1780 Giacomo Raffaelli zu verdanken ist, wird man seinen Augen nicht mehr trauen wollen: Die bis zu 230 Steine pro Quadratzentimeter sind mit denselben nämlich kaum noch erkennbar.

Dem Faszinosum der Mosaikkunst hat man sich in Überlingen nun aus verschiedenen Perspektiven genähert. Zur Arbeit mit der Enge und der eigenwilligen Statik der Räumlichkeiten gezwungen, wagte man am Bodensee ein Ausstellungskonzept, das selbst an ein Mosaik erinnern darf. Statt einer chronologischen Darstellung gruppieren sich verschiedene thematische Blöcke mit Exponaten und erklärenden Tafeln zu einem vielfarbigen und eindrücklichen Gesamtbild. Dabei lässt man den einzelnen Ausstellungsstücken nicht nur und trotz der räumlichen Begrenztheit ausreichend Luft zum Atmen, sondern sorgte auch dafür, dass sich die beigefügten Erklärungen in angenehmer Art gerafft und wesentlich lesen lassen. Die Themenbereiche wiederum, an denen sich die Ausstellungsstruktur zeigt, orientieren sich beispielsweise an für die Mosaikkunst wichtigen Gebäuden wie dem Alten Petersdom, an Herstellungsweisen des Mosaikhandwerks oder auch an prominenten Werkstätten der Mosaizisten wie dem Studio del Mosaico Vaticano. Diese strukturelle Vielfalt mag den Besucher anfangs ein wenig verwirren, sorgt allerdings dafür, dass das Phänomen Mosaik multiperspektivisch wahrgenommen werden kann.

Was nach drei Jahren harter Vorarbeit in Überlingen entstanden ist, kann man also getrost als einen Erfolg betrachten, auch wenn noch nicht alle Schwierigkeiten überwunden wurden. So verzögert sich die Herausgabe des Ausstellungskataloges weiterhin, da die Europa umspannende Zusammenarbeit komplizierter wurde, als man in der Städtischen Galerie angenommen hatte: Im Vatikan ticken die Uhren eben anders als in London. Immerhin gibt es bereits einen Kurzführer zur Austellung, der einen kurzen Abriss zur Historie des Mosaikhandwerks, zur beispielhaften Genese des Mosaikes an sich wie auch zu dessen verschiedenen Herstellungstechniken beinhaltet. Ein 14-seitiger Katalogteil rundet die kleine Übersichtslektüre passend ab. Mit einem Preis von 4,50€ ist er als erste Vertiefung des Gesehenen und als Erinnerung an Überlingen durchaus kaufenswert.

Zusammengefasst lässt sich sagen, dass man von der Ausstellung »Europäische Mosaikkunst« quantitativ nicht zu viel erwarten darf: Hier soll keine Gesamtschau des Entstehen und Werdens jenes Kunsthandwerkes vom Mittelalter bis Moderne gezeigt werden. Vielmehr bietet sich in Überlingen die einmalige Gelegenheit, eine Vielzahl von Eindrücken zur Mosaikkunst zu gewinnen, und das anhand einiger äußerst seltener und kostbarer Exponate. Interessierte sollten sich das also nicht entgehen lassen, zumal sich ein Besuch der Galerie exzellent mit einem kleinen Wochenendausflug an den Bodensee kombinieren lässt.

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