Ausstellungsbesprechungen

Expressionsismus und Wahnsinn

Dass Kunst und Wahnsinn eng beieinander liegen können, zeigen nicht nur die prominenten Beispiele Vincent van Gogh und Edvard Munch. Heute ist es gesellschaftlich akzeptiert, einen Künstler als ‚verrückt’ zu bezeichnen. Einerseits soll diese Bewertung unser Unverständnis gegenüber seinem Schaffen oder seiner Persönlichkeit überspielen. Andererseits kann sie auch Ausdruck unserer Bewunderung sein.

In beiden Fällen ist es ein Prädikat, dass den Künstler zu etwas Besonderem macht.

 

Für Psychiatrien, ihre Patienten und ihre Langzeitbewohner stellt die Kunst längst eine Möglichkeit dar, in der Öffentlichkeit sich Aufmerksamkeit und Anerkennung zu verschaffen. Neben der Kunsttherapie bieten psychiatrischen Einrichtungen häufig auch offene Ateliers an. Dort - immer noch am Rande der Gesellschaft - entstehen bemerkenswerte Kunstwerke, die durch Ausstellungen für alle zugänglich sind.

 

In einer anderen Zeit, der des Nationalsozialismus, konnte einem das ‚Verrückt-Sein’ zum Verhängnis werden. 200.000 Menschen sind dem Euthanasie-Programm der Nazis zum Opfer gefallen. Darunter auch die Künstlerin Elfriede-Lohse-Wächtler, die im Jahr 1940 als ‚unheilbar Geisteskranke’ vergast wurde. Ihre Werke sind Teil einer Ausstellung im Schloss Gottorf in Schleswig, die bereits in ihrem Titel ‚Expressionismus und Wahnsinn’ in einem Atemzug nennt und somit zwangsläufig ein schwieriges Thema deutscher Geschichte wieder in unser Bewusstsein rückt.

 

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Der „Irre“ war eine zentrale Figur im Ideenfundus der Expressionisten. Zunächst fühlten sie sich zu den psychisch kranken oder geistige behinderten Menschen hingezogen, weil sie sich damit im Kontrast zur Normalität befanden, abgewandt vom konservativen deutschen Bürgertum des Kaiserreiches und der Weimarer Republik. Bis zur Machtübernahme der Nationalsozialisten wuchs jedoch auch die Angst vor einer Identifizierung mit den „Irren“.

 

In der Schandausstellung „Entartete Kunst“, die von 1938 bis 1941 durch Deutschland wanderte, bewahrheiteten sich schließlich die Befürchtungen der Expressionisten. Ihre Kunstwerke zeigten die Nazis mit denen von Psychiatriepatienten. Das Leben letzterer war als ‚unwert’ gebrandmarkt. Ihre Kunst geächtet. Um die Expressionisten stand es plötzlich nicht viel besser.

 

Die Schau im Schloss Gottorf verlässt sich nicht nur auf die Reflexionsfähigkeit zeitgenössischer Museumsbesucher. Mit sensibler Konzeption und genauer Vorbereitung, was auch an dem sehr interessanten Katalog deutlich wird, präsentieren die Ausstellungsmacher rund 180 Exponate. Dabei geht es nicht nur darum, die Verleumdungskampagne der Nazis gegenüber den Expressionisten wieder wettzumachen, sondern auch die Kunst aus Psychiatrien berechtigterweise aufzuwerten.

 

 

Öffnungszeiten: Dienstag bis Freitag 10.00 - 16.00 Uhr;
Samstag, Sonn- und Feiertag 10.00 - 17.00 Uhr (montags geschlossen)

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