Buchrezensionen

Ferdinand Hodler. Maler der frühen Moderne, Kerber Verlag 2017

Ferdinand Hodler gilt als einer der erfolgreichsten Künstler der frühen Moderne und ist immer noch der bekannteste Schweizer Maler des 19. Jahrhunderts. Der Katalog zur Ausstellung in der Bundeskunsthalle beleuchtet sein Wirken. Spunk Seipel hat ihn gelesen.

Ferdinand Hodler, einer der bekanntesten Maler der Schweiz, gilt vielen in Deutschland nur als Maler der Berge. Die Bundeskunsthalle in Bonn bewies mit ihrer groß angelegten Ausstellung im letzten Jahr aber, welch wichtige Bedeutung der Schweizer in Deutschland zu Beginn des 20. Jahrhunderts hatte: Er war weit mehr als ein alpiner Künstler, sondern einer der Vorreiter der Moderne im deutschsprachigen Raum.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts hatte Ferdinand Hodler viele Sammler und Freunde in Deutschland, wobei die einen, wie Max Liebermann und Karl Ernst Osthaus in ihm einen wichtigen Vertreter der Moderne sahen, während andere in ihm eher einen nationalen, »deutschen« Künstler erkannten. Dies vor allem durch seine heroischen Bilder, die heute, zumindest in Deutschland, viel weniger bekannt sind als seine Landschaftsbilder oder Allegorien. Dabei befinden sich zwei seiner wichtigsten wandfüllenden Historiengemälde in Deutschland: im Rathaus Hannover und in der Universität Jena.

Doch die nationale Vereinnahmung des Künstlers durch die Deutschen in der Tradition der Rembrandtdeutschen war stets umstritten, zumal Hodler am französischsprachigen Genfer See lebte und nicht im deutschsprachigen Teil des Nachbarlandes. Zudem vernachlässigte diese nationalisierende Sichtweise das Innovative in seinem Werk.

Hodler war der Erfolg im eigenen Land nie genug, seine Versuche in Paris zu reüssieren blieben jedoch mäßig erfolgreich. Immerhin fand er hier wichtige Anregungen für seine Kunst. Vor allem der Symbolist Pierre Puvis de Chavannes, ebenfalls berühmt für seine parallelen Kompositionen von Figurengruppen, übte großen Einfluss auf ihn aus. Hodler bestritt dies oft, um nicht als Nachahmer sondern als singuläres Genie zu gelten. Mehr Erfolg hatte er dagegen in Wien, wo ihm in der Secession für seine Arbeiten ein gebührender Rahmen geboten wurde. Doch am wichtigsten wurde für ihn neben seiner Heimat das Deutsche Reich.

Den Erfolg Hodlers in Deutschland macht besonders der Beitrag von Christina Feilchenfeldt deutlich, die die Verbindungen des Künstlers zum deutschen Kunstmarkt untersucht hat, aber auch seine Ausstellungstätigkeit in der Berliner Secession und anderen Orten.

Immer wieder sorgten Werke Hodlers in Deutschland und der Schweiz für Skandale. Der Künstler nutzte diese geschickt für sich, um seine Karriere zu fördern und sich in den Kreisen der Secessionisten zu etablieren. So förderte Max Liebermann, der doch eine gänzlich andere Kunstauffassung vertrat, den schweizer Maler und vermittelte ihm sogar den Auftrag für die künstlerische Ausgestaltung des Rathaus in Hannover. Dort malte er 1911-1913 wandfüllend in Öl auf Leinwand den Schwur der Hannoveraner Bürger 1533 auf die Reformation.

Noch wichtiger wurde für Hodler und seine Rezeption in Deutschland das 1913 fertiggestellte Wandbild vom »Auszug der Deutschen Studenten in den Freiheitskrieg« in der Universität Jena.

Vom Jenaer Professor und Literaturnobelpreisträger Rudolf Eucken und seiner Frau Irene gefördert, fand er hier eine höchst umstrittene Lösung für das Thema. Auf zwei übereinanderliegenden Ebenen sieht man, wie sich Studenten auf den Weg in den Freiheitskrieg machen. Eine mehr als ungewöhnliche Lösung für ein Thema, von dem eigentlich ein klassisches Schlachtenbild erwartet wurde. Vor allem nationalistisch gesinnten Kritikern war der Stil zu unkonventionell, zu wenig heroisch. Hodlers Flächigkeit und Parallelismus mussten einfach Widerspruch erwecken in einer Zeit, in der in Breslau die Jahrhunderthalle und in Leipzig das Völkerschlachtdenkmal zur Erinnerung an die Freiheitskriege errichtet wurden. Auch störten sich viele nationalistisch Gesinnte daran, dass ein Schweizer solch ein »deutsches Thema« im öffentlichen Auftrag realisieren durfte. In diesem Moment war Hodler wieder mit der Frage der Nationalität konfrontiert. Eine Diskussion, die die künstlerischen Aspekte seiner Arbeit weitestgehend verdeckte.

Als im September 1914 Ferdinand Hodler eine Protestnote gegen die Bombardierung der Kathedrale von Reims unterschrieb und den Deutschen damit Barbarei unterstellte, wandte sich nicht nur die breite deutsche Öffentlichkeit von ihm ab, sondern auch Eucken und seine Frau. Nur wenige standen weiter öffentlich zu ihm, darunter Karl-Ernst Osthaus und Liebermann. Es kam zum heute noch aktuellen Streit, ob man das Werk vom Künstler trennen kann. In den deutschen Museen wurden seine Werke abgehängt, das Wandbild in Jena hinter einem Bretterverschlag versteckt. Kunst wurde, wie auch heute noch oft, zu einem politischen Kampfsymbol.

Die Wahrnehmung Hodlers in Deutschland scheint sich nie wieder ganz von diesem Ereignis erholt zu haben. Heute haben nur sehr wenige deutsche Museen Werke von ihm. Die Ausstellung und der Katalog dienen deshalb als wichtiger Schritt, Ferdinand Hodler nicht allein als Schweizer Phänomen wahrzunehmen, sondern auch als einen wichtigen Maler der frühen Moderne in Deutschland. Leider konzentriert sich der Katalog vor allem, neben einem hervorragenden Bildteil, auf das Ringen des Künstlers um Erfolg und seine markttechnischen Strategien. Wer das Werk von Ferdinand Hodler nicht näher kennt, muss sich die malerische Entwicklung, seinen Stil und seine künstlerische Bedeutung aus Nebensätzen erarbeiten. Die Flächigkeit, die Wiederholungen und Serialitäten, das Ornamentale und die Parallelität, vor allem das Heroisierende in den Arbeiten Hodlers machen sein Werk heute für viele schwer zugänglich und hätten einer besseren Einordnung in die Kunstgeschichte bedurft. Dennoch können die einzelnen Aufsätze im Katalog vieles zum Verständnis des Symbolisten beitragen.

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