Ausstellungsbesprechungen

Fernand Léger und Henri Laurens – Tête-à-Tête, Museum Frieder Burda, Baden-Baden, bis 4. November 2012

Kopf an Kopf zeigt das Museum Frieder Burda noch bis Sonntag in einer für Deutschland bisher einzigartigen Ausstellung die Malereien und Skulpturen zwei befreundeter Kubisten: Fernand Léger und Henri Laurens. Günter Baumann hat sich die Schau angesehen.

Das beste Wort zur Kunst von Fernand Léger fand der Künstler selbst – entgegen dem Diktum von Max Bense & Co., Künstler würden nichts von Kunst verstehen.
Mit einem so überraschenden wie überzeugenden Bild charakterisierte Léger seine emotionslos wirkenden Protagonisten: »Ich versuchte, das Wesen des menschlichen Körpers zu übersetzen, der sich ohne die Erde zu berühren im Raum entwickelt. Dies gelang mir, indem ich die Bewegungen von Tauchern studierte, die aus großer Höhe ins Wasser springen.« Er führte seine Aussage lapidar-ästhetisch weiter, was sie insgesamt ins Ironische bzw. auf ein motivisches Nebengleis verschob: »Um auch die Bewegung auszudrücken, wählte ich Sujets wie Radfahrer, gutaussehende Männer und schöne Frauen in roten, gelben und grünen Pullovern.« Gut, damit gab Léger zu erkennen, dass er das Taucherbild kaum wirklich ernst nahm. Dem Betrachter allerdings geht tatsächlich ein Licht auf, warum ihn die teilnahmslos dreinblickenden und eher abweisenden Typen so drastisch erfassen – zum einen hat man den Eindruck, als würden die Figuren schweben, muss aber andrerseits feststellen, dass der Umraum weniger zum Schweben taugt: statt Luft scheint eher Wasser den Raum zu erfüllen, was angesichts der topografischen und architektonischen Details irritierend genug ist.

Im Museum Frieder Burda in Baden-Baden sind rund 25 Arbeiten von Fernand Léger versammelt, die man in dieser Fülle und Qualität hierzulande selten zu sehen bekommt. Dazu kommt als »Dialogpartner« das Werk von Henri Laurens, dessen Auswahl man schon retrospektiv nennen muss: Über 80 Arbeiten sind in Baden-Baden von ihm zu sehen. Ein doppelter Genuss, treffen hier doch Künstler aufeinander, die sich wunderbar ergänzen. Henri Laurens zeigt in seinem reifen Werk Figuren, die – um das Bild von Léger noch einmal zu bemühen – von einem Tauchgang kommend, auf den Grund gesunken zu sein scheinen, als hätten sie eben erst Kontakt zum Boden aufgenommen. Die Faszination für das Schaffen beider Künstler mag dadurch noch gesteigert sein, dass sie in ihren frühen Phasen einem Kubismus verpflichtet sind, der die klassischen Vertreter dieses Stils, Picasso und Braque, überflügelt. Ihr Potential reicht weiter, bei Léger kommt die Nähe zum Konstruktivismus bzw. Suprematismus hinzu, und Laurens ist ohnehin der herausragende Plastiker des Kubismus, an den selbst Picasso mit seinen Reliefcollagen nicht heranreicht.

»Tête-à-Tête«, der Titel der Ausstellung, verbindet die enge Verknüpfung der beiden Werke an sich, kann aber auch wörtlich verstanden werden: Über den Umweg über den Kubismus griffen sie in der für die Moderne typische Deformation des menschlichen Antlitzes ein, fanden aber wieder zu einem ganzheitlichen Menschenbild, das angesichts der antirealistischen Fügung der Gliedmaßen dennoch keinen Zweifel daran ließ, dass der Mensch des 20. Jahrhunderts nie mehr die Werte früherer Zeiten, nie mehr die Weltanschauung und das einst gültige Ideal der menschlichen Darstellung erreichen oder in irgendeiner Form wiederholen könnte. Tête-à-Tête meint also auch ein Kopf-an-Kopf-Rennen zweier Einzelpersönlichkeiten, die alternative Bilder des Menschen anbieten. Wohltuend daran ist der parallele affirmative Blick auf die Welt – offenbar haderten weder Léger noch Laurens mit der Zerrissenheit des modernen Menschen, sondern huldigten ihm durch die Gestaltung eines erstaunlich stimmigen »homme déformé«, der in einem Missverhältnis zu seiner Umgebung agiert. Nach bzw. mit dem Schrecken zweier Weltkriege vor Augen, dürften die beiden Künstler damit ein Stück Menschsein für die Nachwelt gerettet haben. Die Ausstellung macht aber nicht nur die Nähe beider Freunde deutlich, die einer Generation angehören – Laurens lebte von 1885 bis 1954, Léger von 1881 bis 1955 –, sondern sie verweist auch auf die jeweilige Eigenständigkeit, die nicht nur auf der unterschiedlichen Gattung der Bildhauerei bzw. der Malerei beruht.

Die Qualität der Ausstellung lässt sich insbesondere an der Zahl der Leihgaben aus dem Centre Pompidou in Paris herleiten, das über eine grandiose Sammlung beider Lichtgestalten der Klassischen Moderne verfügt. Baden-Baden ist nun eindeutig der Nutznießer der langjährigen Zusammenarbeit beider Häuser. Wie kaum ein dritter vermochten beide die Menschen monumental zu heroisieren und zugleich in aller Alltäglichkeit zu anonymisieren. Dass hierbei die Form den Gestaltungswillen bestimmt, ist der Herkunft aus dem Kubismus geschuldet.

Parallel zur Léger-Laurens-Ausstellung zeigt das Museum Frieder Burda eine Studioausstellung mit neuen Arbeiten des zeitgenössischen Künstlers Jean-Michel Othoniel, den der Paris-Besucher von einer großartigen Ausstellung – wen wundert es? – im Centre Pompidou im vergangenen Jahr noch lebhaft in Erinnerung hat.

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