Ausstellungsbesprechungen

Ferne Zeit. Zeugnisse frühgriechischer Kunst, Akademisches Kunstmuseum Bonn, bis 17. Oktober 2014

Die Sonderausstellung des Akademischen Kunstmuseums führt in eine Zeit weit vor dem bekannten und viel bewunderten Klassischen Griechenland. Nach dem Einbruch in der späten Bronzezeit und einer Übergangsphase in der beginnenden Eisenzeit formierte sich die griechische Kultur wieder und ging auch in der bildenden Kunst originelle, neue Wege. Rainer K. Wick berichtet.

Das Bonner Akademische Kunstmuseum ist die zum Archäologischen Institut gehörende Antikensammlung der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität und gilt als Bonns ältestes Museum. Seit seinen Anfängen im frühen 19. Jahrhundert ist es sein Ziel, Originale und Abgüsse griechisch-römischer Kunst aus den Mittelmeerländern zu sammeln. Obwohl die in dem Schinkel-Bau am Hofgarten untergebrachte Sammlung mit rund zweitausend Originalen aus Marmor, Terrakotta und Bronze und mit Gipsabgüssen der bedeutendsten antiken Statuen und Reliefs in Fachkreisen allgemein bekannt ist und geschätzt wird, repräsentiert diese öffentlich zugängliche universitäre Studiensammlung doch eher den Typus des »verborgenen Museums«, das im Schatten der großen musealen Einrichtungen der ehemaligen Bundeshauptstadt steht. Thematische Sonderausstellungen sichern dem Haus immerhin von Zeit zu Zeit jene Publizität, die es angesichts des Profils und der Qualität seiner Sammlung zweifellos verdient hat – so die aktuelle Schau »Ferne Zeit«, die noch bis Mitte Oktober Zeugnisse frühgriechischer Kunst ausbreitet.

Im Eingangsbereich des Museums sieht sich der Besucher einem aus acht Frauenfiguren (meist Abgüssen, aber auch Originalen) bestehenden »Empfangskomitee« gegenüber, das gleichsam im Rückwärtsgang exemplarisch die Kontinuität der Kunstgeschichte belegen soll – von einem abstrakten Torso mit geschmeidig fließenden Formen von Hans Arp aus dem Jahr 1930 über eine spätgotische Madonna mit Kind und ein streng stilisiertes bronzezeitliches Idol von den griechischen Kykladen aus dem 3. Jt. v. Chr. bis hin zu einer Replik der »Venus von Willendorf«, dem berühmten prähistorischen Fruchtbarkeitsidol aus der Zeit vor rund 25.000 Jahren. Leider bietet diese etwas beliebig anmutende Inszenierung weder einen sonderlichen Erkenntnisgewinn, noch transportiert sie eine spezifische These. Zudem enthält sie kaum etwas, was an das eigentliche Thema dieser Sonderausstellung direkt anschlussfähig wäre. Hervorzuheben ist lediglich der Gipsabguss der sogenannten Dame von Auxerre aus dem 7. Jh. v. Chr., die zeitlich gerade noch jener Periode angehört, die Gegenstand dieser Ausstellung ist.

Mit »ferner Zeit« meinen die Kuratoren, Frank Rumscheid als Direktor des Bonner Archäologischen Instituts und seine Studenten, die an der Erarbeitung der Ausstellung mitgewirkt haben, die Epoche frühgriechischer Kunst, die sich nach dem Untergang der mykenischen Kultur seit dem 10. Jh. v. Chr. entfaltete und von der protogeometrischen bis zur spätgeometrischen Zeit um 700 reichte und dann in die Phase der Archaik einmündete. Es war die Zeit, in der sich die griechische Götterwelt etablierte, die homerischen Epen entstanden, aus dörflichen Siedlungen allmählich Städte erwuchsen und Teile des Mittelmeergebietes von den Griechen kolonisiert wurden.

Dokumentiert wird dieser Zeitraum, für den die geometrische Ornamentik auf den unterschiedlichen Produkten der Gefäßkeramik namensgebend gewesen ist, in vier Themengruppen. Sie sind dem alltäglichen Leben in den frühen Behausungen und Siedlungen, dem Kult in den Heiligtümern, die sich anfänglich im Freien befanden, bevor Tempelbauten errichtet wurden, den Praktiken der Bestattung und den Formen und Produktionsstätten frühgriechischer Keramik gewidmet. Das alles wird durch zum Teil exquisite Exponate aus der Sammlung des Akademischen Kunstmuseums belegt, die sonst kaum im Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit stehen und bisher zum Teil auch noch nicht aufgearbeitet und publiziert wurden.

Über grundlegende Maßnahmen zur Daseinsvorsorge in der Frühzeit – von der Nahrungssicherung bis zur Textilverarbeitung – informieren in der Ausstellung u.a. ornamentierte Fragmente großer Vorratsbehälter (Pithoi), die in den meist aus Holz errichteten Wohnhäusern aufgestellt wurden, sowie als ein ganz besonders außergewöhnliches Stück ein bemalter Teller aus der Zeit zwischen 850 und 750 v. Chr. mit der Darstellung eines Webstuhls. Zu den bemerkenswertesten Votivgaben, also Weihgeschenken, aus einem frühgriechischen Heiligtum gehört ein nur knapp neun Zentimeter hohes Bronzepferdchen, das nicht nur als archäologisches Belegstück für das späte 8. Jh. v. Chr. von Interesse ist, sondern vor der Erfahrungsfolie der Kunst des letzten Jahrhunderts auch in seiner »Modernität« fasziniert. Keramikgefäße mit meist streng geometrischer Ornamentik, teilweise aber auch mit stilisierter figurativer Motivik, die den Verstorbenen als Grabbeigaben mitgegeben wurden bzw. in denen im Fall der Brandbestattung die Asche der Toten beigesetzt wurden, bieten Einblicke in die die Sepulkralkultur der frühen Griechen. Und zu welch kreativen Formlösungen die frühgriechischen Keramiker um 600 v. Chr. gelangen konnten, belegt eine überaus originelle Vase in Form eines menschlichen Fußes mit einem oberhalb des Knöchels aufgesetzten Frauenkopf.

In einem schmalen, aber sorgfältig edierten Katalog finden sich Abbildungen sämtlicher Objekte der Ausstellung sowie kurze Begleittexte zu den einzelnen Schaustücken, ergänzt durch einschlägige Literaturhinweise. Dass die meisten Texte eher deskriptiv bleiben und kaum auf einer analytischen Ebene angesiedelt sind, die eine Einordnung der Phänomene in größere kulturtheoretische oder kunstwissenschaftliche Zusammenhänge liefert, dürfte der Konzeption der Ausstellung geschuldet sein, die aus zwei Lehrveranstaltungen des Bonner Archäologischen Instituts hervorgegangen ist. Gleichwohl lohnt die kleine Schau einen Besuch, wie überhaupt das Akademische Kunstmuseum als ein Ort der Auseinandersetzung mit antiker Kunst eine ausgezeichnete Ergänzung zu den beachtlichen provinzialrömischen Sammlungsbeständen des LVR-LandesMuseums in Bonn darstellt.

Weitere Informationen

Das Museum ist aus Kostengründen vom 18.8. bis 13.9. geschlossen.

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