Ausstellungsbesprechungen

Fotografische Arbeiten von Bernhard Fuchs und Jessica Backhaus in der Robert Morat Galerie.

Bis zum 5. Mai 2009 präsentiert die Robert Morat Galerie in Hamburg in einer Parallelausstellung die Fotoarbeiten von Bernhard Fuchs und Jessica Backhaus. Während Fuchs die Bildobjekte in seiner Serie „Autos“ in eine neue Rolle schlüpfen lässt, entdeckt Backhaus in der Serie „What still remains“ das Eigenleben von liegen gelassenen Dingen des Alltags und mit „One Day in November“ bringt sie die tiefe Verbundenheit zu ihrer einstigen Mentorin Gisèle Freund zum Ausdruck. Unsere Autorin Verena Paul hat sich nun von der Qualität dieser Präsentation überzeugt...

Freund, die in den späten vierziger Jahren Mitglied von „Magnum“ war, weckte u.a. mit ihren sozialpsychologisch eindringlichen Dokumentationen über Künstler und Schriftsteller, die in der Zeitschrift „life“ publiziert wurden, sowie der Aufsehen erregenden Reportage über Evita Perón das Interesse der Öffentlichkeit.

Bernhard Fuchs „Autos“
Bernhard Fuchs, der bei Bernd Becher an der Kunstakademie Düsseldorf und bei Timm Rautert an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig studierte, lebt heute in Düsseldorf. Seit 1991 wurden seine Arbeiten in zahlreichen Einzel- und Gruppenausstellungen gezeigt und international publiziert. Die fotografische Serie „Autos“, der wir im ersten Ausstellungsraum gegenüberstehen, ist eine Sammlung von Aufnahmen älterer Fahrzeuge, die auf Parkplätzen oder am Waldrand abgestellt wurden. Bernhard Fuchs sagt dazu: „Auf meinen Radtouren sah ich immer wieder Autos, die einfach nur in der Gegend standen. Ich glaube, meine erste Reaktion war, nach dem Besitzer Ausschau zu halten. Da ich aber meistens keinen Menschen sah, blieb ich mit der Situation alleine und es entwickelte sich auf einmal eine Beziehung zu diesen Fahrzeugen, wie ich es nicht erwartet hatte. Die Autos in der Landschaft hatten eine Wirkung auf mich, wie die von Schauspielern auf einer Bühne, und ich fing ab da ihren Witz und ihre Tragödie zu interpretieren und zu sammeln an.“

 

Die Fahrzeuge treten also in einen spannenden Dialog mit der Umgebung, in der sie ihre Besitzer zurückgelassen haben. Der „Weiße Passat“ etwa, den wir in der Seitenansicht wahrnehmen, wurde auf einem verlassenen Parkplatz abgestellt. Zentral im Foto positioniert, ist der Wagen in der unteren Bildhälfte von einer tristen Betonwüste und im oberen Bereich von einem von Nebel verschleierten Wald gerahmt. Diese Spannung zwischen Ursprünglichkeit und dem von menschlicher Hand determinierten Naturraum umklammert das Auto und lässt es zu einem „tragischen Protagonisten“ werden. Ähnlich ist die Bildkomposition bei dem von Rost bereits in Mitleidenschaft gezogenen „Blauen VW-Transporter“, der sich in das horizontale Gefüge der Fotografie integriert und als Mittler zwischen Straße und reich belaubten Sträuchern fungiert.

Der Tragik enthoben ist dagegen die Arbeit „Roter Toyota“. Hier ist das Fahrzeug zur Gänze in die Landschaft eingefügt und wirkt dergestalt noch stärker als Fremdkörper. Abgesehen vom Komplementärkontrast ist es primär das Groteske dieser Situation, das uns auffällt – und wir müssen unwillkürlich schmunzeln. Insgesamt zeugen Bernhard Fuchs’ fotografische Arbeiten vom richtigen Gespür für Situationskomik und -dramatik, Farbstimmungen, Strukturen und lassen den Betrachter Zufälligkeiten, denen er täglich begegnet, intensiver wahrnehmen.

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Jessica Backhaus: „What still remains“ und „One Day in November”
Jessica Backhaus zog als Sechzehnjährige nach Paris, wo sie Fotografie und Visuelle Kommunikation studierte. 1992 traf sie dort die Fotografin Gisèle Freund, die zur Mentorin und schließlich engen Freundin wurde. 1995 dann zog es die Künstlerin nach New York, wo sie erste Gehversuche als Fotoassistentin machte, bald aber eigene Projekte verfolgte. Seitdem haben ihre Arbeiten sowohl in Einzel- als auch Gruppenausstellungen große Anerkennung gefunden und so waren ihre Werke u.a. in der National Portrait Gallery in London und im Martin-Gropius-Bau in Berlin zu sehen. Im Jahr 2005 erschien das erste Buch mit Fotografien von Jessica Backhaus („Jesus and the Cherries“), 2008 folgten die beiden Bücher „What still remains“ und „One Day in November“, aus denen zahlreiche Motive nun erstmals in Hamburg präsentiert werden.

Im zweiten Ausstellungsraum der Robert Morat Galerie geht Backhaus mit der Fotoserie „What still remains“, die seit 2006 an unterschiedlichen Orten entstanden ist, der Frage nach, warum vergessene oder liegengebliebene Dinge an bestimmten Orten auftauchen und eine Art Eigenleben zu führen scheinen. So beispielsweise die Arbeit „Apple“, die uns einen das ganze Bild einnehmenden grünen, angebissenen Apfel in einer Regenpfütze zeigt. Die Spuren der Zähne im Fruchtfleisch, das sich an manchen Stellen bereits braun verfärbt, erzählen eine geheimnisvolle Geschichte und lassen uns rätseln, wer dieses Nahrungsmittel liegen gelassen hat und warum er es getan hat. Und nicht zuletzt fragen wir uns, wieso ein derart lieblos behandeltes Ding unsere Aufmerksamkeit auf sich locken kann. Backhaus verleiht dem Werk eine ästhetische Anziehungskraft, indem sie in spielerischer Manier mit der Farbwirkung und den Lichtreflexen auf dem Wasser spielt und den Gegenstand – wenn auch nur für einen Augenblick – zu etwas Besonderen werden lässt.

Ähnlich ist die mit „Silence“ betitelte Aufnahme, die durch ein an den Seitenrändern beschlagenes Fenster gemacht wurde. Während unsere Augen in der unteren Bildhälfte von einem im Freien liegenden, gefüllten Swimmingpool angezogen werden, wird in Höhe der Mittelachse der Blick auf die entfernte Silhouette einer Stadt und schließlich auf einen wolkenlosen, in zarte Pastelltöne getauchten Himmel gelenkt. Diese sanften, horizontalen Farbbahnen werden am rechten Bildrand durch das laublose Geäst eines Baumes, der von der winterlichen Jahreszeit kündet, spannungsvoll aufgefangen.

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Mit der Arbeit „Marlon Brando“ führt uns Backhaus in einen verwinkelten, gespiegelten, reich gemusterten und farbenfrohen Raum eines Schlafzimmers. Während auf den ersten Blick die Vertikalen das Bild dominieren, wird mit dem Spiegel am rechten Bildrand die Pforte zu einer neuen Bildwelt geöffnet, denn hier erblicken wir ein horizontal positioniertes Bett sowie eine dahinter stehende Staffelei. Die Möbel, die Abdeckung des Bettes sowie die Tapete mit ihrem grün-gelben Blumenmuster sind in einem kräftigen Rosa gehalten. Im Zentrum der Aufnahme befindet sich eine Schwarz-Weiß-Fotografie des jungen Marlon Brando. Dieses Bild im Bild sticht – obgleich das florale Muster der Tapete schwer wiegt – bereits beim ersten Blick hervor. Es ist ein Relikt vergangener Tage, das sich beinahe wehmütig seiner gleichfalls der Zeit anheim gefallenen Umgebung anpasst. Sowohl der Apfel, der Blick durch das Fenster als auch jenes verwinkelte Interieur erscheinen als Zeugen der Vergänglichkeit, sind jedoch durch das Festhalten in der Fotografie von dem Zeitfluss gelöst und können deshalb eine starke Eigendynamik entfalten.

Gleichfalls im zweiten Ausstellungsraum befindet sich die Serie „One Day in November“, die eine Hommage an Gisèle Freund darstellt, die im Dezember 2008 ihren 100. Geburtstag gefeiert hätte. Die Serie erzählt von der außergewöhnlichen Freundschaft zwischen der großen Fotografin und der damaligen Fotografiestudentin Jessica Backhaus im Paris der 1990er Jahre. Während dem Betrachter auf der Arbeit „Glasses“ ein mit einer hellen Flüssigkeit gefülltes Gläserpaar begegnet, durch das hindurch der dahinter liegende Raum bizarr eingefangen wird, richtet Backhaus mit „Ballons“ den Blick auf einen Baum, in dessen blattlosem Geäst drei bunte Luftballons gewunden sind. Beide Fotoarbeiten sind Ausdruck eines positiven Lebensgefühls, der sich aber auch – oder gerade – in dem fotografischen Werk „Pool“ artikuliert. Zu sehen ist eine diagonal angedeutete „Linie“, die das kühle, von der Sonne beschienene Nass eines Pools vom Betonrand trennt. Ein metallnes Geländer, das beim Einstieg ins Wasser helfen soll, deutet eine entgegengesetzte Diagonale an und bringt damit eine Augen fesselnde Spannung ins Bild. Neben den kompositorischen Elementen, ist es die positiv konnotierte Situation eines heißen, unbeschwerten Nachmittags an einem mit türkisfarbenem Wasser gefüllten Wasserbecken, das den Betrachter ganz und gar einnimmt.

Fazit: Eine rundum gelungene Ausstellung, die den Besucher durch Charme, Einfühlungsvermögen, eine klar strukturierten Präsentation und vor allem durch die hochrangigen Fotoarbeiten überzeugen wird!

Weitere Informationen

Öffnungszeiten
Dienstag bis Freitag 11-18 Uhr
Samstag 11-16 Uhr u.n.V.

Eintritt
frei

Das Buch zu Bernhard Fuchs’ „Autos“ ist bei Koenig Books (London) und die beiden Bücher zu Jessica Backhaus’ Serien „What still remains“ und „One Day in November“ sind bei Kehrer (Heidelberg) erschienen. Die Bücher von Jessica Backhaus sind versandkostenfrei über Portal Kunstgeschichte zu bestellen.

Die Robert Morat Galerie in Hamburg beschäftigt sich mit zeitgenössischer Fotographie und mit Fotografie des 20. Jahrhunderts.

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