Ausstellungsbesprechungen

Françoise Gilot - Zeichnungen 1941-2010, Kunstsammlungen Chemnitz, bis 19. Februar 2012

Als ein Ringen mit Picasso lässt sich das Werk Gilots beschreiben. Zahlreiche Grafiken in Chemnitz zeugen von der Auseinandersetzung mit dem großen Vorbild und der eigenen Identität. Rowena Fuß hat es sich angesehen.

Françoise Gilot war die einzige unter Picassos Frauen, die sich von ihm in aller Öffentlichkeit getrennt hat und noch dazu ein Buch über die gemeinsamen Jahre verfasste. Als sie sich 1943 kennen lernten, war er 60, sie 22. Gegen den Willen ihres Vaters hatte Gilot ein Studium der Malerei begonnen und befand sich auf der Suche nach dem eigenen Stil, als ihr der damals bereits überaus bekannte Picasso in einem Pariser Café begegnete. Ihre Willensstärke war sicherlich ein Charakterzug, der ihn an Gilot reizte. Über 10 Jahre hielt die Beziehung, in der Gilot nicht nur Mutter zweier Kinder für ihn war, sondern auch Gesprächspartnerin und Muse.

Wenige, feste Striche des benutzten Kohlestiftes kennzeichnen ein frühes Selbstporträt mit dem Titel »Ein fragender Blick« (1943). Verglichen mit einem Bleistift-Porträt von 1941, dass sie in Frontalansicht zeigt, scheint Gilot nicht nur sich selbst, sondern auch den Betrachter nach der persönlichen Wahrnehmung zu fragen. Ist sie eine eigenständige Künstlerin oder bedient sie sich nur aus Picassos Formeninventar?

Man wird nicht bestreiten können, dass die 40 präsentierten Grafiken einen starken Einfluss des Meisters erkennen lassen. In einer Sichtachse an zwei gegenüber liegenden Wänden schauen sich denn auch Gilot und Picasso an. Letzter in einem Porträt von 1946, dass seine charakteristischen Gesichtszüge auf gelbem Grund nur grob umreißt. Obwohl der Titel lediglich »P. P. Porträt, aus dem Gedächtnis« heißt, weiß jeder Betrachter sofort, wer hier abgebildet ist. Die Art und Weise der Zeichnung erinnert an eine Skulptur: Picassos Kopf- wie Schulterpartie entspricht einem grob behauenen Klotz. Seine Augen sind zwar stark umrandet, es fehlt jedoch die Pupille. Folglich die Frage: Hat Picasso seine Gefährtin jemals richtig betrachtet?

Gilot selbst erlebte spätestens nach ihrer Trennung von Picasso 1953 Anerkennung als selbstständige Künstlerin. Ihre Gouachen, Aquarelle und Zeichnungen, die selten bloße Vorstudien zu größeren Gemälden sind, thematisieren nun ihre (Alp)Träume, die Beziehung zu ihrem neuen Mann und Literatur, die sie gelesen hat.

Der schmale, gefährliche Weg führt in »Falkenhorst« (1993) über eine Degenklinge in einer Bergschlucht. Beobachtet wird der Wanderer dabei von einem großen Falken in der rechten Bildhälfte. Mit Argusaugen schaut er auf die Gestalt am Scheideweg. Ob sie triumphiert oder abstürzt steht sprichwörtlich auf Messers Schneide. Düsteres Schwarz wechselt sich mit hellen, bräunlichen Tönen ab und spielt mit Assoziationen von Erniedrigung, Tradition bis Macht und Weisheit. Laut einer Aussage Gilots im Ausstellungskatalog, stellt dieses Bild einen Alptraum dar, den sie mit etwa 20 Jahren hatte — also zu der Zeit, als sie sich ihres eigenen Weges noch nicht sicher war.

Voller Fantasie steckt nun »Puck ersinnt einen Zauber« (1970): Die Figur aus Shakespeares Sommernachtstraum tanzt als kleine grüne Elfe um eine bisher nur leicht geöffnete Blüte. Sollte dies als Sinnbild für Gilots eigenes Schaffen gelten, können wir uns auf noch viele kreative Arbeiten der Künstlerin freuen! Nutzen Sie bis dato die Gelegenheit, sich selbst ein Bild von der Weggefährtin Picassos zu machen!

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