Ausstellungsbesprechungen

Frank Stella – Neue Arbeiten, Galerie der Stadt Tuttlingen, bis 11. September 2011

Führt man sich die Kunstzentren des Landes vor Augen, wird einem kaum Tuttlingen in den Sinn kommen – kulturelle Berühmtheit erlangte es durch Hebels grandiose Erzählung vom »Kannitverstan". Das sollte uns aber nicht abschrecken, denn gerade in Süddeutschland finden sich in der Provinz einzigartige Kunstsammlungen (Würth & Co.), legendär ist auch das zuweilen sogar außerinstitutionelle Engagement in Tübingen oder Balingen. Günter Baumann besuchte für Portal Kunstgeschichte die Ausstellung von Frank Stella.

Bedauerlicherweise werden die Museen, insbesondere die städtischen Galerien an der Peripherie der Großstädte oder gar eines Bundeslandes oft links liegen gelassen, sicher zu Unrecht. Als spektakulär muss man es ansehen, wenn ein Weltklasse-Künstler wie Frank Stella in Tuttlingen ausstellt, doch mag man es der Kuratorin Anna-Maria Ehrmann-Schindlbeck, die Stella persönlich kennt, und ihren Mitarbeitern anrechnen, dass sie sich nicht gescheut haben, die Latte derart hoch zu hängen. Immerhin hat die Stadt mit einem Bau von Günther Hermann auch ein Museum von Rang, das zwar nicht auf den post-postmodernen Aha-Effekt setzt, aber 1987 ein stimmiges Raumgefüge in die Stadt gebracht hat.

Zu seinem 75. Geburtstag zeigt Frank Stella in der Galerie der Stadt Tuttlingen »Neue Arbeiten« (ein pfiffiger Kunstgriff, der es ermöglichte, weitgehend ohne Ausleihen aus anderen Museen auszukommen); es ist kaum zu glauben, dass es schon wieder zehn Jahre her ist, als der amerikanische Künstler in Deutschland mit seiner »Heinrich von Kleist«-Serie das letzte Mal nachhaltig präsent war (im Kleist-Jahr 2011 wird sich der eine oder andere daran erinnern) – in Stuttgart und in Jena, wohin auch diesmal die aktuelle Ausstellung weitergereicht wird, übrigens auch das ein persönlich mit Stella verbundener Ort, der hier 1996 die Ehrendoktorwürde verliehen bekam. So kommt man also kaum umhin, nach Tuttlingen oder später nach Jena zu fahren, um das gegenwärtige Schaffen Stellas kennenzulernen. Die schwungvoll affirmativen, erfrischend polychromen Arbeiten sind abstrakt, doch haben sie eine eminent einnehmende Gegenwärtigkeit, dass wir die rostfreien, zuweilen glasfaserverstärkten Stahlobjekte und Collagen bzw. Grafiken fast als gegenständlich wahrnehmen, zumal wenn sich die Titel nicht nur mit Kürzeln (»K.114« usw.) begnügen, sondern mit geheimnisvollen Namen (»pisang djati«, »Abu Hureya« u.a.) auf Orte oder Gegebenheiten verweisen, die durchaus auch konkret fassbar sind: Bali, Syrien usw. Selbst die »K«-Titel sind eine Referenz auf die Zählung von Domenico Scarlattis Sonaten, was indirekt den musikalischen Anklang in Stellas Werk betont. Faszinierend ist die selbst noch in der reliefnahen Plastik spürbaren Herkunft aus dem malerisch-flächigen Farbfeld: Aus einem in sich verknoteten Kern schlagen die Stahlteile wie Funken oder eben wie gestische Pinselstriche in den Raum hinaus oder über die Wand hinweg, dass man den mühsamen Herstellungsprozess über dem spontanen Eindruck vergisst.

Weitere Informationen

Die Ausstellung wird weitergeführt im im alten Straßenbahndepot der Jenaer Nahverkehrsgesellschaft vom 15. Oktober – 4. Dezember 2011.

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