Ausstellungsbesprechungen

Frida Kahlo - Retrospektive, Martin-Gropius-Bau, Berlin, bis 9. August 2010

Frida Kahlo, geboren in Coyoacán, Mexiko-Stadt, zählt zu den großen Identifikationsfiguren der lateinamerikanischen Kunst. Aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ragt sie als eine der berühmtesten Künstlerinnen heraus. Ulrike Krenzlin hat sich die Retrospektive ihrer Kunst angesehen.

André Breton hat Frida Kahlo als entschiedene Surrealistin anerkannt. Doch wies sie dessen Lob energisch zurück mit der Antwort, dass sie weder Surrealistin sei, noch Künstlerin, sondern nur ihre Lebensprobleme gestaltet habe. Dazu gehörten der Straßenbahnunfall im Jahr 1925 mit dem nachfolgenden outen als Künstlerin, die Ehe mit Diego Rivera und ihre Liebesbeziehungen zu Männern wie Nicolay Muray, Leo Trotzki und Heinz Berggruen. Für ihre zerrissenen Seelenzustände erfindet sie eine neue Ikonologie. Mit nur 144 Gemälden und den gezeichneten Tagebüchern bleibt sie in ihrer inneren Welt.

Aus persönlichen Erfahrungen, weniger aus der Beobachtung anderer Menschen oder gesellschaftlicher Prozesse ist ein Œuvre erwachsen, das heute seinen festen Platz in der Kunst des 20. Jahrhunderts hat. Täglich nehmen rund 2000 Menschen stundenlange Wartezeiten vor dem Martin-Gropiusbau in Kauf, um teilzuhaben am Schicksal dieser Künstlerin.

Trotz dieser klar erkennbaren Grundtendenz im Schaffen Kahlos lässt die Kuratorin und langjährige Kahlo-Forscherin Helga Prignitz-Poda mit Werkanalysen nichts unversucht, die präsentierten Werke im Katalog dem spanischen Estridentismus, Surrealismus und anderen Strömungen, kurzum der Stilgeschichte des 20. Jahrhunderts zuzuordnen. Diese Bemühungen bleiben unergiebig. Zur Biografie-Forschung jedoch fasst sie die neuesten Ergebnisse zusammen, von denen künftig auszugehen ist.

Die Ausstellung beginnt mit einem Raum über Fridas „Jugendfreunde“. Das ist zugleich der Einstieg in das Porträtfach, indem die Künstlerin von Anfang an brilliert. Es folgen Räume, in denen die 1929 geschlossene Ehe mit Diego Rivera nach allen Seiten beleuchtet wird. Mit unerhörter Unmittelbarkeit spürt man die einzigartige Perspektive, die sich Frida Kahlo an der Seite dieses Weltkünstlers eröffnet hat. Dazu gehört der Bau der Doppelateliers in Mexico - City von 0’Gorman nach den Dessauer Atelierhäusern. Beängstigung rufen zugleich die Spannungen in dieser Beziehung hervor, die schon 1935 zur Scheidung und 1940 zur erneuten Heirat führten. Diese schwierigen Beziehungen, das Ungleichgewicht zwischen Rivera und Kahlo zu untersuchen ist Gegenstand einiger Essays im Katalog.

Die Kahlo-Forschung drängt heute in Richtung einer Medizingeschichte ihrer 22 Operationen. Der Versuch von Arnold Kraus, der Künstlerin über ihre Krankengeschichte nahe zu kommen, erscheint mir aus zwei Gründen besonders problematisch. Erstens, weil die Operationsberichte unzugänglich sind, der Autor daher auf die Freudsche Deutungsmethode zurückgreift, die allerdings eher zu einem Essay, denn einer wissenschaftlichen Betrachtung geraten ist. Zweitens erscheint es fraglich, ob der allseits drängende Zugang zum Körper der Künstlerin das Verständnis für ihre Kunst wirklich erhellen kann. Langjährige Krankheit und der am 13. Juli 1954 erfolgte Tod nehmen mehrere Ausstellungsräume ein. Da Diego Rivera eine Obduktion abgelehnt hat, bleibt die Todesursache weiterhin ein Rätsel.

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