Er ist ein Idealzustand, der kaum zu erreichen scheint, und vielleicht gerade deshalb fasziniert der Frieden die Menschen seit jeher. In fünf Bänden kann man sich das spannende Thema nun nach Hause holen. Stefanie Handke hat sie gelesen.
Zweifellos haben sich die fünf Museen in Münster, die die große Ausstellung zum Frieden ausrichten, viel vorgenommen: In fünf Teilen beleuchtet jedes der beteiligten Häuser einen besonderen Aspekt dieses großen Universalthemas der Menschheit. Nicht minder umfassend ist freilich das Katalog-Paket, das im dekorativen Schuber daherkommt. Darin finden sich neben zwei eher an Hefte erinnernde Bände (»Ein Grund zum Feiern? Münster und der Westfälische Frieden« und »Picasso. Von den Schrecken des Krieges zur Friedenstaube«) auch breitere Darstellungen, die die den Frieden auf breiter Basis untersuchen, seiner Bedeutung in der christlichen Religion nachspüren und die antiken Grundlagen von Friedenssymbolik, aber auch Friedenspolitik behandeln.
Ikonografisch ist dabei freilich der Band »Eirene/Pax. Frieden in der Antike« interessant, wurden hier doch die Grundlagen für eine Symbolik gelegt, die bis heute zitiert wird. Jedoch, auch diese musste sich erst entwickeln. So war das Friedensideal schwer darzustellen, vielmehr finden sich in der griechischen Bilderwelt Darstellungen von »Merkmalen« des Friedens: Feste mit Gelagen, Gesang und Tanz standen gleichsam für eine friedliche Gesellschaft, und so ging die Darstellung der Eirene gern einmal mit der des Dionysos zusammen. Ebenso wurde aber auch der Abschluss eines Friedensvertrages wurden gern dargestellt und so die Abstrakte Handlung ins Bild überführt, wie es etwa auf einer Urkundenstele der Fall ist, die neben dem Vertragstext Athene und eine weitere Göttin dabei zeigt wie sich beide die Hand reichen. Eine »echte« Friedenspropaganda im Sinne eines Friedenskonzept setzte aber erst mit römischer Herrschaft ein; die Pax Romana wurde sprichwörtlich und Münzen als Gebrauchsmittel zeigten Botenstäbe, Palmzweige, die Pax oder auch schon einmal einen von drei den Frieden symbolisierenden Tempeln in Rom, ebenso natürlich auch den jeweiligen Kaiser als Friedensbringer. Mit dem Janustempel, dem Altar der Fortuna Redux und der Ara Pacis, der Stephan Faust seinen Aufsatz widmet, errichtete man in der Hauptstadt immerhin drei Friedensdenkmäler! »Schlangenstab und Friedenstaube« und Symbole wie das Füllhorn oder auch die Taube indes untersuchen Achim Lichtenberger, H.-Helge Nieswandt und Dieter Salzmann, ebenso stehen aber Tieridylle gleichsam für eine Friedenspropaganda. Mit diesen nur exemplarisch genannten Themen legt der Band also eine denkbar umfassend Grundlage für die weitere Beschäftigung mit dem Thema.
So finden sich denn auch in der christlichen Religion zahlreiche dieser Konzepte wieder, wie etwa die Idee eines friedlichen Zusammenlebens aller Lebewesen wie sie Hubertus Lutterbach untersucht und wie er sich auch in der Kunst wiederfindet. Marc Chagall etwa schuf mit seinem Bildteppich für die Knesset in Jerusalem die Vision einer friedlichen Schöpfung. Im Katalogteil dieses Bandes – »Frieden. Wie im Himmel so auf Erden?« – finden sich darüber hinaus zahlreiche Beispiele aus der Kunst wie eine Stencil-Arbeit Banskys (Kat. 1). Der wartet obendrein mit zahlreichen schönen Abbildungen auf, etwa der Tafel »Majestas Domini« (960 – 980, Kat. 9), wohl eine Einbandtafel eines Evangeliars, der ein herrliches Beispiel frühmittelalterlichen Kunsthandwerks darstellt.
Im Band »Wege zum Frieden« untersucht sodann Eva-Bettina Krems die Darstellung des Friedens in der Kunst. Dabei greift sie freilich auch die Personifikationen des Friedens in der Kunstgeschichte wie den die Waffen ablegenden Mars, die Pax als Friedensgöttin. Insbesondere stellt sie aber auch die Werke Edward Hicks' heraus, der mehrfach den Tierfrieden darstellte, und untersucht die enge Verbindung zwischen Pax und Justitia, etwa im Fresko »Das gute Regiment« (1337-40) von Ambrogio Lorenzetti, die eines der beliebtesten Darstellungskonzepte in Mittelalter und Früher Neuzeit war. Mit Rubens, der als Diplomat auch an Friedensverhandlungen beteiligt war, führt sie einen Künstler ins Bild, der die Friedensthematik gern in seinen Werken aufgriff; spätestens im Zuge der Kriegserfahrungen im 17. Jahrhundert aber auch ad absurdum führte (»Die Folgen des Krieges«, 1638). Mit diesem Werk verweist Krems zugleich auf ein Phänomen, das insbesondere im 20. Jahrhundert bei zahlreichen Künstlern, aber eben auch schon vorher zu beobachten ist: Künstler bemühen sich um Frieden, indem sie die Schrecken des Krieges vor Augen führen, also eine Warnung aussprechen. Dem Einsatz der Kunst für den Frieden ist sodann auch ein eigener Katalogteil gewidmet. Hier finden sich Friedensallegorien auf Gemälden und Münzen, aber auch zahlreiche Karikaturen Honoré Daumiers, in denen er mal einen wehrhaften, mal einen bedrohten Frieden thematisiert. An Otto Dix, hier unter anderem mit »Der Krieg« (1924) und »Flandern« vertreten, kommt der Leser ebensowenig vorbei wie an Käthe Kollwitz oder Ernst Barlach. So gelingt es dem Katalog einen Blick auf das Ringen um Frieden in allen Teilen der Gesellschaft zu werfen. Wesentlich spezieller, aber nicht minder interessant, ist da der Band zum Verhältnis der Stadt Münster zum Westfälischen Friedens. Insbesondere das Gedenken an diesen prägt dabei die Geschichte der Stadt.
Ebensowenig wie an den genannten Künstlern kommt man beim Thema Frieden an Picasso vorbei, dem eine eigene Ausstellung und damit ein eigenes Bändchen gewidmet sind. Bereits früh in Kontakt mit politisch engagierten Kreisen, rückte das Jahr 1937 seine Kunst ins Zentrum der Aufmerksamkeit: Mit » Guernica« schuf er eine Anklage gegen den Krieg, zugleich aber war er an diesem Punkt schon längst politisiert, wie die Bildfolge »Traum und Lüge Francos« (1937) beweist, in der er ein monströses Alter Ego General Francos darstellt. Christliche Symbolik griff er in seiner Skulptur »Mann mit Schaf« (1943) auf, die das Motiv des Guten Hirten ins Bild setzt, dies aber keineswegs auf ein Idyll reduziert, sondern Lamm und Mann in eine spannungshafte Beziehung setzt. Markus Müller verweist in seinem Essay auf die Situation im besetzten Paris 1942, in der subversive Mittel gefragt waren, dem Regime zu widerstehen. Enorme Wirkung entfaltete zudem des Künstlers Lithografie »Taube« (1949), die im Kontext des Kalten Krieges schnell ihre Bildwirkung entfaltete. Die hier noch sitzende Taube entwickelte er nach und nach weiter, verarbeitete aber sie aber auch in abstrakteren Drucken wie »Das Antlitz des Friedens« (1951) und verwendete sie in unterschiedlichen Plakatentwürfen für die Kommunistische Partei Frankreichs. So bewegt sich die Kunst Picassos, die sich hier im Katalog findet, zwischen den Polen düsterer Kriegsdarstellungen oder zumindest der Folgen des Krieges einerseits und propagandistisch verklärten, zum Teil als Auftragsarbeiten entstandenen Friedensallegorien.
Mit insgesamt fast 1100 Seiten entwirft der Katalogschuber ein breites kulturhistorisches Bild des Friedens in der europäischen Geschichte. Dass dieses umfassend ist, ist wohl nahezu unmöglich, doch immerhin: man schafft den Spagat zwischen politischem, kulturhistorischen und kunsthistorischem Diskurs und kann hierfür jeweils auf einen umfangreichen Katalogbestand zurückgreifen. Die Entscheidung für eine Klappenbroschur ist dabei geglückt, denn die dicken Bände lassen sich so wunderbar handhaben.