Ausstellungsbesprechungen

Fritz Klemm, Zum Hundertsten

Fritz Klemm (1902–1990) brachte etwas von Bauhaus-Atmosphäre nach Karlsruhe. Nicht dass er in irgendeinem Verhältnis zu den Dessauer oder Weimarer Kreisen stand, im Gegenteil: Als Vertreter der gegenständlichen Malerei musste ihm das abstrakte Experiment eher fremd sein.

Es war sein Verständnis vom Künstlertum, das Klemm in die Nähe Ittens und anderer brachte, mehr jedenfalls als seine Kunst selber, die über Jahrzehnte hinweg fast im Verborgenen entstand – als 50-Jähriger nahm er erstmals an einer Gruppenausstellung teil, als 70-Jähriger bestritt er seine erste Einzelausstellung. Doch auch die Unterrichtskarriere verlief langsam: Mit 30 Jahren wird Klemm Zeichenlehrer am Gymnasium, 1948 verlegte er sein Arbeitsfeld an die Karlsruher Akademie als Leiter der Werkklasse, wurde jedoch erst 1961 zum Professor ernannt.

 

Offensichtlich ließ sich der Künstler Fritz Klemm nicht in erster Linie über seine Bilder definieren. Wirkungen zeigten sich vielmehr in einer asketischen Lebensführung und, was die Lehre angeht, der Betonung des Handwerklichen. Als Anhänger der Mazdaznan-Lehre, die über Vegetarismus und eine spezielle Atemtechnik Denken und Handeln in Einklang zu bringen versucht, führte Klemm ein eher asketisches Leben. So kam es, dass der Künstler hinter dem Lehrer ganz ins Unscheinbare trat. Und wahrscheinlich gäbe es kaum Einblicke in das Leben des Künstlers, wenn nicht seine Tochter Barbara, eine der bedeutendsten Fotografinnen hierzulande, einige Porträts von ihrem Vater gemacht hätte, die deutlich machen, dass Maler und Privatperson eigentlich gar nicht zu trennen sind. Die scheinbar ins Überpersönliche verchiffrierten Porträtgemälde, die sich vergleichsweise so kühn wie lapidar »Selbstporträt« nennen, ähneln beinahe unheimlich den Fotobildnissen, die es von dem meist ernst dreinblickenden Meister gibt.

 

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Allmählich tritt das Werk Fritz Klemms konturenreich aus der Vergessenheit hervor. Betrachtet man die immer wiederkehrenden Motive des Künstlers – Stühle, Tische, Gefäße, Fenster –, kommt sogleich Morandi in den Sinn, dem sich Klemm ruhigen Gewissens zur Seite stellen könnte. Doch der Italiener steht allenfalls beiläufig auf der Liste der persönlichen »Ahnengalerie«, auf die Klemm u.a. Pissarro und Nicolas de Stael obenauf setzte. Bei dem Impressionisten (der eigentlich schon gar keiner mehr ist) begeisterte ihn die Cézannsche Suche nach »einer bis ins Unzerstörbare hineingesteigerten Wirklichkeit«; das Bekenntnis zu dem abstrakten Expressionisten de Stael (der eigentlich gar kein Abstrakter mehr ist) ist aufschlussreicher – wo sich Klemm vom Gegenstand an die Grenze zur Abstraktion herantastet, so dringt de Stael umgekehrt vom abstrakten Bild zum gegenständlichen Sujet vor.

 

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Die Ausstellung, die seit 2002 bereits in Mannheim, Wiesbaden und Altenburg gezeigt wurde, gibt zum 100. Geburtstag einen Überblick über das Schaffen Fritz Klemms, sowohl über die mittlerweile bekannten – wenn auch noch unterschätzten – und radikal reduzierten Werke wie auch nie ausgestellte Arbeiten aus dem Nachlass. Heute ist dieses Werk aktueller denn je: Als es entstand, beschritt Klemm einen schmalen Pfad neben den großen Trassen der reinen Abstraktion. Inzwischen haben sich die Grenzen erfreulich verwischt, und die prickelnde Spannung zwischen dem realen Gegenstand, der formalen Maximalreduktion bis hin zum Rand des Minimalismus und der materiellen Nähe zur Arte Povere machen den Schöpfer kafkaesker Gemälde, Collagen und im Alter zusehends mehr Zeichnungen zu einem der interessantesten Gestalten der Gegenwartskunst. Die mönchische Einfachheit der einzelnen Bilder entpuppt sich bei näherem Hinsehen als Ergebnis langer Denkprozesse eines philosophischen Geistes (Klemm arbeitete langsam, tastete sich – Schopenhauer quasi unterm Arm – mit viel Bedacht an sein Motiv heran). Fast unbemerkt vom Kunstmarkt nahm Fritz Klemm sogar die serielle Kunst vorweg, die später von der Minimal Art und Op Art gepflegt wurde.

 

Die Ausstellung wird nach der Karlsruher Station noch im Museum Goch zu sehen sein (Frühjahr 2004).

Weitere Informationen

Öffnungszeiten

 

Montag–Freitag 10–18 Uhr

Samstag/Sonntag 14–18 Uhr

 

Eintritt/Führungen

 

Eintritt frei

 

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