Ausstellungsbesprechungen

Gabriel von Max - Malerstar, Darwinist, Spiritist, Städtische Galerie im Lenbachhaus, München, bis 13. Februar 2011

Gabriel von Max (1840–1915) war als Künstler, Spiritist und Darwinist eine außerordentliche Gestalt. Sein zentrales Interesse galt der Entwicklungsgeschichte des Menschen, dessen Ursprung, Wesen und Weiterleben. Die Ausstellung in der Städtischen Galerie im Lenbachhaus und Kunstbau München strebt erstmalig eine spektakuläre und umfassende Zusammenschau von Max' Vorstellungswelt an; alle Facetten werden gezeigt: das künstlerische Œuvre wie auch die naturgeschichtlichen, ethnologischen und esoterischen Themengebiete. Günter Baumann hat sich diesen facettenreichen Künstler für Sie angesehen.

Würde man unter Allerwelts-Besuchern der Neuen Pinakothek in München nach den zehn Bildern fragen, die im Gedächtnis geblieben sind, wären wahrscheinlich die »Affen als Kunstrichter« (auch »Kränzchen«) von Gabriel von Max dabei – im Gegensatz zu Spitzweg & Co. vermutlich ohne Nennung des Namens. Gabriel von wer? Wie viele Künstler des 19. Jahrhunderts fristete der Maler, der mit Vorliebe Affen auf der Leinwand verewigte, im letzten Jahrhundert ein Schattendasein. Dass eine Ausstellung in München ihn nun wie einen Kometen über den Musenhimmel führt, hat gleich vielfache Gründe. Von Max war seinerzeit, im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts, ein erfolgreicher Sensationsmaler, der – zunächst weniger mit Affen als mit demütigen Märtyrerinnen – die Herzen der Betrachter rührte, zu denen auch Papst Leo XIII gehörte. Der gestrenge Pontifex war sicher nicht durch den Schuss Erotik und den morbiden Zauber gebannt, die manchen Werken des ehemaligen Piloty-Schülers innewohnten, aber die vermittelte Seelenwärme tat ihm sicher gut. Dieser Mix von Keuschheit und Sündigkeit musste um 1900 Bewunderer finden, als der Symbolismus darauf aufbaute; so mag es sein, dass unser heute gestärktes Interesse an dieser Jahrhundertwende auch Maler hervorholt, die noch im Zeitalter der Historienmalerei neue Wege beschritten. Nicht zuletzt wird der öffentliche Wirbel um den 200. Geburtstag von Charles Darwin im Jahr 2009 einen Pfad zum Werk des Gabriel von Max aufgetan haben: Denn der Maler war nicht nur Spiritist, den die Jahrhundertwende-Fans bewundern lernten, sondern auch Darwinist, der eine grandiose Sammlung anthropologischer, zoologischer, ethnologischer und prähistorischer Zeugnisse aufgebaut hatte. In diesem Kontext treten nun auch die Affen auf, die keineswegs nur zum Schmunzeln einladen, sondern ein wissenschaftliches Interesse an den Primaten bekunden.

Die Ausstellung leistet also nicht nur eine retrospektive Werkschau des Malers, sondern sie vernetzt die Kunstvorstellung von Gabriel von Max mit dessen enzyklopädischen Interessen – dem Betrachter eröffnen sich Einblicke in die Kunst- und in die Wissenschaftsgeschichte gleichermaßen. Da ist freilich zu wünschen, dass sich auch die Besucherinteressen mischen. Denn zum einen ist die anthropologische Abteilung der Max’schen Sammlung keine dilettantische Spintisiererei; immerhin spielt sie in der Ausstellung »Schädelkult – Kopf und Schädel in der Kulturgeschichte des Menschen«, die die Reiss-Engelhorn-Museen Mannheim ab Herbst 2011 zeigen wird, eine Rolle. Mannheim ist im übrigen auch Kooperationspartner der Max-Schau. Zum anderen hat es der einstige »Malerstar« verdient, dass man sein künstlerisches Oeuvre im größeren Zusammenhang wahrnimmt. Denn es wird oft übersehen, dass auch die Kunst eine Position zur Entwicklungsgeschichte des Menschen beziehen kann, um so mehr, wenn die Sammeltätigkeit eines Malers derart obsessiv betrieben wird (die Sammlung umfasst 60 000 Exponate!). Kurios ist die Tatsache, dass Gabriel von Max, der zurückgezogen vom – menschlichen – Trubel lebte und eine Affenherde zur persönlichen Unterhaltung, als Modelle und als Studienobjekte hielt. Tritt hier der kulturpessimistischer Darwin-Anhänger zum Vorschein, so wird man in der außergewöhnlichen Lebensform auch den Hang des Künstlers zum Spiritismus erahnen, wobei Max da eher auf den Pfaden barocker Polyhistoren wie Athanasius Kirchner wandelt, wenn auch durch die Wissenschaftsgläubigkeit des 19. Jahrhunderts gefiltert.

Erfreulicherweise ist die Kunst nicht frei von ironischen Distanzierungen: So malte sich Max selbst madonnengleich mit einem Äffchen im Arm – die Ikonographie war ihm sehr wohl vertraut, und er ließ seine Affen auf der Leinwand auch nicht ohne Grund als Kunstrichter auftreten. Selbst wenn er wirklich aus dem Fundus der Heiligenlegenden schöpfte, so hinterlegte er den Gesichtern eine wohltuend menschliche Wärme, nur selten grenzt die Malerei an Kitsch. Außerdem verraten etliche Karikaturen, dass von Max nicht nur ein guter Techniker war, sondern auch eher kritisch-ironisch auf die Welt sah. Parallel dazu nahm er die Seancen, an denen er teilnahm, wohl nicht allzu ernst. Bei so viel universellem Weitblick wundert es nicht, dass sich Gabriel von Max auch mit Johann Wolfgang Goethe befasste, dem ja auch weder Kunst, Wissenschaft noch Spiritualität fremd waren: Zeugnis dieser Beschäftigung sind die Illustrationen zu dessen »Faust«. Sie gehören zum Besten, was die Zunft dazu zu bieten hat.

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