Ausstellungsbesprechungen

gefühlte Impressionen - Arbeiten von Ramona Hewer

Das Mercure Hotel in Saarbrücken präsentiert vom 24. August 2008 bis zum Januar 2009 in der Ausstellung »gefühlte Impressionen« die einfühlsam erarbeiteten, traumhaften Werke der saarländischen Künstlerin Ramona Hewer.

Bereits der Ausstellungstitel verweist auf die Wurzeln der künstlerischen Arbeitsweise: Ramona Hewer nimmt Stimmungen intuitiv auf, verfolgt Spuren des Lebens und lässt sich von Eindrücken leiten, die sich dem Auge plötzlich, aber markant eingeprägt haben. Besonders wichtig sind der Künstlerin die Emotionen während des Entstehungsprozesses. Sie selbst fasst dies in die Worte: »Ich formuliere Gefühle in Einklang mit Form und Farbe und transplantiere sie dann aufs Papier. Für jedes Bild gibt es nur einen, den Zeitpunkt, zu dem es entstehen kann. Gefühle kann ich nicht produzieren!« Und damit steht sie im Grunde ganz in der Tradition des Surrealismus, dem es – so René Passeron – »weder um Auge noch um Hand« geht, sondern »um das Herz«.

Ramona Hewer,  BewusstWerdung, VIII 2004 © Ramona Hewer

Ramona Hewer
BewusstWerdung, VIII 2004 © Ramona Hewer

Ein Ausschnitt aus einer Werbeanzeige, wie etwa ein Stück flatternden Stoffes oder ein funkelndes Modeaccessoire, können Auslöser eines Gefühls sein und die Grundlage der Werke bilden. Nachdem ein Wirklichkeitsausschnitt gewählt ist, wird er bearbeitet, sozusagen »manipuliert« und schließlich in eine surreal erscheinende Szenerie eingebunden.

Dieses spannungsgeladene Spiel mit Realitätspartikeln – seien es nun florale Spuren oder Relikte der Konsumwelt – eröffnet eine die Phantasie anregende Traumlandschaft, in der Schwere- und Zeitlosigkeit zu dominieren scheinen. Unterstrichen wird dieser Eindruck durch die in Auflösung begriffenen Farbfelder, die sanften Pastelltöne und den sich in die unendliche Weite öffnenden Bildraum.

Doch Ramona Hewer setzt dem sensiblen Farbspiel mit bisweilen entschlossenen, kraftvollen Lineamenten Grenzen und komponiert so nicht nur ausbalancierte, sondern auch ästhetisch sehr wirkungsvolle Werke, die den Betrachter magnetisch anziehen. Wie aber ist der visuelle Reiz erklärbar? Indem die Künstlerin eine kühl-distanzierte und reproduzierbare Abbildung in ein emotional angereichertes, persönliches und daher einmaliges Werk verwandelt, entsteht eine künstlerische Eigendynamik.

Botho Strauß sprach bei Gerhard Richters übermalten Fotos einmal vom »getöteten Augenblick«, der in der Vorlage herrscht und der erst durch die künstlerische Aktion revidiert werden kann: Dadurch tritt Leben in das neu gewonnene Werk. Ramona Hewers künstlerisches Eingreifen bewirkt also die Rückgabe der verloren gegangenen Seele und verleiht damit den Arbeiten ihre Tiefe. Die Wirklichkeit wird reduziert und existiert meist nur noch in abstrakten Formen, die aber als wichtige Elemente des Bildaufbaus fungieren. In der Arbeit »Sanddorn« beispielsweise wird unser Blick über rostrote Schienen in das schwarze Bildzentrum geleitet, das wie ein klaffender Riss in die Tiefe zu weisen scheint. Neben den Schienen sind nur vereinzelt Realitätspartikel erkennbar, wie jenen Tannen am rechten Bildrand, durch die hindurch Sonnenstrahlen fließen oder die sich auflösenden Pflanzenteile. Dagegen wurden große Partien in einen Grauschleier getaucht, der die erkennbaren Gegenstände geheimnisvoll umhüllt.

Ramona Hewer,  Zeit-Zeichen, II 1991 © Ramona Hewer

Ramona Hewer
Zeit-Zeichen, II 1991 © Ramona Hewer

Mit wachem Auge wägt Ramona Hewer Farbnuancen ab, löst Formen und Linien auf und setzt ihnen neue Bewegungszüge entgegen – auch in der Arbeit »Zeit-Zeichen«. Hier wird das Bildzentrum von einer Form dominiert, die an eine Armbanduhr denken lässt. Diagonal in ein braunes, partiell rostrotes Rechteck eingespannt, verlieren sich die realen Konturen und werden durch filigrane Striche ersetzt.

Auf die Druckschrift, die sich an einigen Stellen abzeichnet, hat die Künstlerin Sand gestreut, um den traumhaften Charakter zu unterstreichen. Neben Sand greift sie nicht selten auf Glitzerpartikel oder Zucker zurück, die auf eine ganz besondere Weise Licht einzufangen und zu reflektieren vermögen. So kann die »Entwirklichung« des Realen besonders gut vorangetrieben werden.

In der Arbeit »Transzendenz« löst sich Ramona Hewer von der Formenvorlage noch weiter ab und konzentriert sich auf die Farbe, die hier in einem leuchtenden Gelbgrün zu Tage tritt. Von rechts ragt eine gegabelte, an einen unbelaubten Ast erinnernde Form ins Bild hinein, die von schwarzen Linien beschrieben, sich nur noch den Farbfluss der Vorlage zu nutzen gemacht hat.

Ramona Hewer  Erinnerung an einen Sommer, Juli 1995  © Ramona Hewer

Ramona Hewer Erinnerung an einen Sommer, Juli 1995 © Ramona Hewer

Herzstück des Werkes »Erinnerung an einen Sommer« bildet ein zylinderförmiges, nach rechts oben geöffnetes Liniengeflecht, dessen strahlenförmige Ausläufer bisweilen den Bildrand erreichen. Die rechte Seite des abstrakten Gebildes ist von sicher ineinander greifenden Linien geprägt, denen eine zerfaserte blau-violette Farbfläche untergelegt ist. Es sind die realen Spuren der Vorlage, die in die neu entworfene Bildwelt hineinspielen. Demgegenüber verliert sich die Netzstruktur auf dem weißen Grund, denn hier sind die Linien nervöser und wollen dem festen »Wirklichkeitsgefüge« entfliehen.

In der Wahl ihrer Werktitel, wie »Kaleidoskop«, »TraumDeutung« oder »Im Zauber«, gelingt es der Künstlerin das Geheimnisvolle und das unserer Wirklichkeit Verborgene, das ihre Bilder transportieren, zu bewahren. Der Betrachter wird aufgefordert, sich Zeit zu nehmen und genau hinzusehen, um die Sinfonie der Farben und Formen wahrzunehmen, denn nur auf diese Weise kann er mit den Bildern überhaupt erst in einen spannenden Dialog treten.

Neben der klaren Präsentation der Werke und dem stilvollen Raumambiente überzeugt die Ausstellung »gefühlte Impressionen« im Mercure Hotel vor allem durch die künstlerisch auf hohem Niveau angesiedelten Arbeiten Ramona Hewers. Wie präzise die Künstlerin auf ganzer Linie arbeitet, lässt sich in der Ausstellung anhand von Details – wie die Wahl der Passepartouts und Rahmen – erkennen, die alle aufeinander abgestimmt wurden. Fazit: Ein ästhetischer Hochgenuss!

Weitere Informationen

Veranstaltungsort: Mercure Hotel, Hafenstr. 8, 66111 Saarbrücken

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