Buchrezensionen

Gegenübergestellt: Das Bild des Feindes, Gebr. Mann 2013 und Bilder der Toleranz, Michael Imhof Verlag 2013

Bilder des Feindes – Bilder der Toleranz: Es bietet sich an, die beiden Neuerscheinungen zu diesen gegensätzlichen, besser: komplementären Themen gemeinsam zu besprechen, obwohl sie unterschiedlicher kaum sein könnten. Christian Welzbacher hat die anregenden Bücher gelesen.

Die Feinde: ein gewaltiger Sammelband mit 28 Beiträgen, die Toleranz: ein Essay in etwa dreifacher Aufsatzlänge, durch zahlreiche Abbildungen, Fußnoten und Literaturverweise auf das Format eines schmalen Buches gebracht. Gleichwohl hat beides seine Berechtigung, beides erfreut den geneigten, an ikonografischen Fragen interessierten Leser. Und beides schärft den Blick auf kunst- und kulturhistorische Zeugnisse der Neuzeit, in denen das Bild das Medium der politischen Narration darstellt: Inklusion und Exklusion, Allianzen schmiedend, Feinde ausschließend – tatsächlich schien, wie die Parallellektüre beider Bände offenbart, das eine ohne das andere nicht möglich.

Beide Bücher behandeln den Zeitraum von 1500 bis etwa 1850. Verbindend und trennend stand zu diesen Zeiten immer an erster Stelle der Glaube, die Religion, zuvörderst in ihrer verwalteten Form, also durch die Institutionen der konfessionalisierten Kirchen. Vom Christentum ausgehend untersucht »Das Bild des Feindes« die Formen der Bildstrategie, die sich im Zuge der Kriege an Europas Außengrenzen entwickelten – also im Zuge der Glaubenskriege mit den Moslems, die um 1500 und um 1700 mit den symbolträchtigen Aufmärschen der Türken vor Wien ihre Höhepunkte erlebten. Dabei gelingt dem Band nicht allein die Perspektivweitung, etwa indem der osteuropäische oder der russische Standpunkt einbezogen wird. Es gelingt auch der Perspektivwechsel, die Frage also, wie denn die Türken die Europäer, die Moslems die Christen wahrgenommen haben. Dabei zeigt sich, wie intensiv Kulturtransfers jenseits der Kriege tatsächlich betrieben wurden, immer intensiviert durch die verbindenden Handelsinteressen, die – Stichwort: Seidenstraße – bereits Vorboten der heutigen Globalisierung darstellten.

Die Lektüre der »Bilder des Feindes« zeigt weiterhin, dass die antimoslemischen Ikonographien, die im späten 18. Jahrhundert den gesamten süd- und südosteuropäischen Raum bestimmten, sowohl im Profanen (etwa das Münchner Schloß Schleißheim) als auch im Sakralen (Deckenfreskos in zahllosen Kirchen) in erster Linie der bildgesteuerten Binnenkommunikation der Oberschicht (Kirche, Fürsten) gegenüber ihren Untertanen diente, um die Befriedung der Gesamtgesellschaft mittels Konstruktion eines äußeren Feindes zu gewährleisten. Dies freilich sind einerseits Taktiken, die auch weiterhin zu den probaten Mitteln der Politik gehören. Andererseits spüren wir die Nachteile dieser Strategien noch heute, hat sich doch in den Köpfen des „Volkes“ das Feindbild Islam derart festgefressen, dass sich die Gesellschaften in ganz Europa in Minarettdebatten und Moscheenstreits, Koranverboten und Kopftuchpanik verzetteln.

Und dieses, obwohl im Christentum auch die Wurzel zur Versöhnung der Menschen untereinander gelegt ist, die zur gleichen Zeit wie die „Bilder des Feindes“ ebenfalls eine eigene Ikonografie hervorgebracht hat, wenngleich in ihrer Wirkung ungleich moderater. Solchen »Bildern der Toleranz« widmet der Kunsthistoriker Karl Möseneder sein Traktat. In den Mittelpunkt rückt er dabei den österreichische Rokokomaler Franz Anton Maulpertsch, dem er vor Jahren bereits eine Monografie gewidmet hatte. Abgesehen vom hochinteressanten Maulpertsch präsentiert das Buch zahlreiche Allegorien der Toleranz aus unterschiedlichen Kontexten und offenbart auf diese Weise eine grandiose Bandbreite des politisch-narrativen Bildes: „Toleranz“ waltet nicht nur angesichts zwischenkonfessioneller Streitigkeiten, etwa, indem ein Fürstentum die Glaubensflüchtlinge (allen voran ab 1685 die Hugenotten) eines anderen aufnimmt und dies als Zeichen der Toleranz deutet. Toleranz waltet ab dem Ende des 18. Jahrhunderts auch zwischen den Weltreligionen (es fehlt nicht der Verweis auf Lessings Nathan und die Ringparabel), oder zwischen den Ständen. So wird aus einer religiösen eine weltlich-moralische Instanz mit eminent politischem Charakter. Hier hätte man gern mehr erfahren und den Autor bei seinen Gedanken begleitet, die ihn in die Gegenwart führen, doch Möseneder belässt es bei einem knappen Ausblick ins Zeitalter der Mahnmale und Aussöhnungsversuche.

Bilder des Feindes – Bilder der Toleranz: man kann diese beiden Bände auch als exemplarische Einführung in die Methodik und das Themenspektrum der Kunstgeschichte begreifen. Um ausgehend vom hier geleisteten noch tiefer in die Materie zu dringen. Um den geschärften Blick zahlreichen weiteren Kulturzeugnissen aus den Sphären von „Feindbild“ und „Toleranzbild“ zu nähern. Hier gibt es noch viel zu tun. Und hierfür sind die beiden vorliegenden Bände anregend.

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