Ausstellungsbesprechungen

Georg Gerster, Flug in die Vergangenheit

Nur Fliegen ist schöner! Das Badische Landesmuseum zeigt Luftbilder von rund 250 archäologischen Stätten, die der promovierte Philologe und Wissenschaftsredakteur Georg Gerster gemacht hat – seit Jahren gehört er zu den bekanntesten Flugbildfotografen der Welt.

So entführt Gerster den Betrachter nicht nur in die faszinierende Welt der Archäologie, mit dem in der Regel verwehrten Blick auf allerhand bauliche Schätze der Menschheit (darunter 78 Objekte des Weltkulturerbes); er zeigt auch unschätzbare Bilddokumente aus Regionen, die inzwischen kaum mehr überflogen werden können – man denke an die Krisenregionen Irak und Iran.

 

Wenn man das Wort »Be-geisterung« mit seiner tieferen Bedeutung in die Waagschale wirft, so wird man dem Zauber annähernd gerecht, der aus den Bildern von Georg Gerster spricht. Ganz ohne Koketterie sieht das wohl auch der Fotograf selbst: »Jeder Flug rührt mich an: in 40 Jahren habe ich es nicht zustande gebracht, meine Begeisterung zu zügeln, wenn bei jeder Überhöhung die Erde sich immer wieder neu dramatisch verwandelt.« Dieses fast jungenhafte Eingeständnis wird allein von ungewohnter Warte aus dramatisiert – von der Statistik her: Der heute 75-Jährige war nunmehr 3500 Flugstunden unterwegs, um mehr als 100 Länder von oben zu sichten. Die Karlsruher Ausstellung bietet in ihrer Auswahl immer noch Einblicke – oder besser: Draufblicke – auf rund 50 Länder, und die Palette reicht von der Chinesischen Mauer über den Hadrianswall, von den Pyramiden in Mexiko über die Grabmonumente in Ägypten bis hin zu den antiken Wiegestätten der europäischen Kultur, etwa der Akropolis in Athen oder dem vorzeitlichen Steinkreis von Stonehenge.

 

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Eine Luft- und Zeitreise – auch für nicht schwindelfreie Gemüter – soll es sein, was die Schau sich vorgenommen hat zu zeigen. Und es ist noch mehr geworden. Konnte sich der Fotograf schon wie ein Entdecker der frühen Neuzeit fühlen, so darf sich der Betrachter über die Könige, Bauherren und –meister, über Tempelwächter und Touristen aller Art erheben: Er kann sich einen Blickwinkel zunutze machen, der den großen Herren früherer Zeiten unmöglich war. So kann man nun Parallelen zwischen denkbar weit voneinander gelegenen Bauten ziehen oder man gibt sich der grandiosen Schönheit hin, die Gerster bevorzugt mit der Dramaturgie des »Schattenspiels« erreicht.

 

 

Freilich nimmt einem die faszinierende, vom Menschen kultivierte Welt, wie sie sich aus der Vogelperspektive zeigt, fast den Atem. Dabei dient Gersters Fotografie keineswegs allein der Schönheit. Die Lufbildarchäologie hat inzwischen einen so hohen Stellenwert für die Suche nach unser aller Vergangenheit, dass die ganze Wissenschaft auf der Stelle treten würde ohne sie. »William M. Summer, der Ausgräber der elamitischen Hauptstadt Anshan in der Persis«, so weiß Gerstner zu berichten, begriff auf einem seiner Flugbilder »mehr als während zehn Jahren regelmäßiger Geländebegehung«. Tatsächlich kann man aus reichlicher Entfernung Grundrissstrukturen unter Feldern oder Gemäuer im Dschungel ausmachen und dokumentieren. Dass ein solches Unternehmen, sieht man etwa von Routineflügen der Landesdenkmalämter über den Limes oder ähnlichem ab, nicht ungefährlich ist, wird im Hinblick auf Kriegsregionen oder abgelegene Gebirgsketten nachvollziehbar.

 

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Thematisch gliedert sich die Ausstellung in zwölf Kapitel: Kultur und Natur (archäologische Stätten in der Landschaft), Dörfer und Städte (Siedlungsformen), Wohnen im Luxus (Paläste, Residenzen), Sehen und gesehen werden (Festspielstätten, Versammlungsort), Für die Sicherheit (Festungen), Grenzwälle sperren aus und ein (Limes), Bauten für die Ewigkeit (Gräber), Sitz der Götter (sakrale Anlagen), Rätselhafte Größe (Monumentale Bodenbilder), Gaben der Erde (Wasser, Land), Fluch und Frust der Archäologen (zu Raubaktionen) und Im letzten Augenblicke.

 

Den prachtvollen Katalog sollte man sich nicht entgehen lassen, der die Schau zum exorbitanten Bilderbuch ausweitet – in dichten Beschreibungen der fotografierten Objekte kann der Besucher des Landesmuseums einen tieferen Einblick in die faszinierende Welt der Flugbild-Fotografie erhalten. Die Ausstellung war bereits in Essen und im dänischen Arhus zu sehen. Am 8. Juli wird sie nach Zürich (Schweizerisches Landesmuseum) weiterziehen.

 

 

 

 

Öffnungszeiten

Dienstag – Donnerstag 10–17 Uhr

Freitag – Sonntag 10–18 Uhr

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