Ausstellungsbesprechungen

George Grosz, Gegen den Strich

Die Retrospektive mit dem grafischen Werk von George Grosz gehört in diesem Frühjahr zu den Höhepunkten der Region. Der beißend kritische Geist ist in seiner ganzen Fülle spürbar, aber es wird auch ein anderer Grosz gezeigt, der nur in einer so groß angelegten Schau wirklich offenbar werden kann:

der Grafiker mit einem enormen ästhetischen Bewusstsein. Noch bis zum 11. Mai sind die über 130 Arbeiten einschließlich etlicher Mappenwerke zu sehen. Es ist den Ausstellungsmachern in Heilbronn – wo Provinz hin Provinz her ein hochkarätiges Museumsprogramm schon zum Standard gehört – sogar gelungen, bisher noch nicht gezeigte Leihgaben aus Privatsammlungen an Land zu ziehen. Allerdings ist Grosz in Heilbronn auch kein Unbekannter: 1930/31 zeigte der damalige Kunstverein dessen Arbeiten, die am Vorabend der Naziherrschaft heftige Schlagzeilen machten.

 

Die Lebensgeschichte des 1893 in Berlin geborenen George Grosz (d.i. Georg Groß) ist bekannt: Von den Nazis bedroht und als "entartet" denunziert – Vorwürfe der Gotteslästerung musste er sich auch schon zuvor anhören –, gehörte der Kommunist zu den ersten, die 1933 das Land Richtung USA verließen. Er kehrte erst 1959 zurück nach Berlin, wo er im selben Jahr starb. Weniger bekannt ist sein enormes Renommee in Amerika, trotz seiner politischen Ausrichtung (die allerdings recht bald eine Kritik der Sowjetunion mit einbezog). Schon vor der Übersiedlung erhielt Grosz 1931 eine Einzelausstellung in Chicago, nach 1933 ehrte man ihn mit Lehraufträgen, Stipendien und Ausstellungen; 1938 erhielt er die amerikanische Staatsbürgerschaft.

 

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So ist es kein Wunder, dass Grosz 1954 einer Retrospektiv-Schau im Whitney Museum in New York beiwohnen konnte. 1958, vor 50 Jahren erinnerte man sich offenbar auch in Berlin an den berühmten Sohn der Stadt und er wurde zum Mitglied der Akademie der Künste ernannt. Als einen der schärfsten Kritiker in den 1920er Jahren konnte man ihn über die Jahrzehnte hinweg natürlich nicht umgehen, aber er wurde doch meist im Kontext der Neuen Sachlichkeit präsentiert, eher im Schatten etwa von Otto Dix oder gar Max Beckmann. Weitab von der deutschen Hauptstadt, im schwäbischen Heilbronn – das soeben ein neues Repräsentations-Käthchen in Sachen Kleist bekommen hat – darf diese Ausstellung nun als kleine Sensation verbucht werden. 

 

 

Ein Grund für das neue Interesse an Grosz mag an der Rückkehr politischer Themen in den Kunstdiskurs liegen: Arbeitslosigkeit und soziale Spannungen, Extremismus und Fanatismus sind näher an den Durchschnittsbürger herangerückt. Ein anderes ist das aktuelle Interesse an figurativer Kunst, insbesondere an realistischen Positionen – hier ist bei Grosz eine handwerkliche Präzision wiederzuentdecken, die lange hinter der karikierenden Verzerrung unbeachtet blieb. Nicht zuletzt kann man nun neben dem ätzenden Kritiker auch den Ästheten kennen lernen: Von frühen stimmungsvollen Umdrucklithografien und wunderbar lockeren Federzeichnungen bis hin zu späten Landschafts- und Städtebildern und gewitzten Proto-Pop-Art-Collagen begegnet man einem brillanten Meister seines Fachs.

 

Eigens zur Ausstellung haben die Hamburger Künstler Frank Düwel und Manfred Scharfenstein die Installation »Möbel der Macht. Kinderstube der Diktatur« konzipiert, die mit grosz\'schen Motiven Machtstrukturen in der Gegenwart untersucht.

 

Öffnungszeiten

Dienstag bis Freitag 10–13, 14–17

Samstag/Sonntag 11–17 Uhr

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