Kataloge

Gerhard Ermischer / Andreas Tacke (Hrsg.): Cranach im Exil - Aschaffenburg um 1540: Zuflucht - Schatzkammer - Residenz, Schnell und Steiner, Regensburg 2007, Gebunden, 395 Seiten mit 230 Farbabbildungen.

Neben Kardinal Lehmann figuriert Bayerns Kultusminister Thomas Goppel als Schirmherr der Aschaffenburger Ausstellung »Cranach im Exil«.

In seiner Eröffnungsrede am 23.2.2007 meinte Goppel (laut Pressemappe): »Aschaffenburg war und ist eine Stadt für Kunstliebhaber. Dieses Selbstverständnis kommt der Stadt insgesamt zugute. Denn Kultur ist weit mehr als ein ›weicher‹ Standortfaktor. Das künstlerische Angebot und kulturelle Flair einer Stadt sind wichtige Faktoren bei der Ansiedlung von Firmen und Fachkräften.«

Und sein Ko-Schirmherr Lehmann sagte in seiner Eröffnungspredigt (wieder laut Pressemappe), diese Ausstellung könne »uns auch noch stärker bei allen Unterschieden zu einem differenzierten Miteinander führen. Dies ist für die heutige Ökumene ein Gewinn, gerade auch in spiritueller Hinsicht. So kann die Kunst vielleicht auch noch mehr mithelfen, uns wieder zusammenzuführen, ohne Unterschiede zu verschweigen. Amen.«

Dass ökonomische und ökumenische Interessen derart ineinandergreifen, passt nun ganz ausgezeichnet zum Thema der Ausstellung, insofern nämlich Lukas Cranach d. Ä. selbst einerseits ein höchst geschäftstüchtiger Künstler-Unternehmer und andererseits nicht nur, wie man üblicherweise meint, der Maler der Lutherischen Reform war, sondern auch Großaufträge von der altkirchlichen Gegenseite annahm.

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Spätestens seit den einschlägigen Forschungen Andreas Tackes hat man sich daran zu gewöhnen, neben dem »protestantischen« auch einen »katholischen« Cranach gelten zu lassen. Dessen Hauptauftraggeber war jener Kardinal Albrecht von Brandenburg, der 1540 seinen sächsischen Stammsitz Halle verlassen musste und in seine Zweitresidenz Aschaffenburg floh, wo er einen Großteil seines Hallenser Kunstschatzes unterbrachte. Um diesen geht es hauptsächlich in der Ausstellung, die also genaugenommen »Werke Cranachs im Exil« heißen müsste.

Der Textteil des Ausstellungskatalogs bringt 15 Aufsätze, die sich zum einen mit den politischen und konfessionellen Zuständen der »Übergangszeit« in den Jahren nach Luthers Thesenanschlag von 1517 und besonders mit Person und Wirken Albrechts von Brandenburg sowie zum anderen mit kunstgeschichtlichen Aspekten der insgesamt 128 ausgestellten Objekte befassen.

Von Gewicht sind allerdings auch drei Kunstwerke, die nicht von Cranach stammen: der von Albrecht nach Aschaffenburg exportierte Margarethensarg mit seiner grausigen Holzleiche (ein Signum altkirchlicher Reliquienverehrung), das Grabmal Albrechts von Peter Vischer d. Ä. und eine »Beweinung Christi« von Matthias Grünewald, die nunmehr von Hanns Hubach als Teil einer Heiliggrabtruhe identifiziert werden konnte.

Nur schwer ordnen sich diese - fraglos hochrangigen - Exponate ins eigentliche Ausstellungskonzept ein, sollen aber wohl bei dieser Gelegenheit, da sie nun einmal hier vorhanden sind, das Image Aschaffenburgs als einer Heimstatt deutscher Renaissancekunst festigen.

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Indes ist das wirkliche Glanzstück der Ausstellung Cranachs Magdalenenaltar, dessen Einzelteile nach dem Transport aus der Stiftskirche zu Halle in alle Winde verstreut war und nun, aufwendig restauriert, erstmals wieder nahezu vollständig in seiner ursprünglichen Gestalt zu sehen ist. Und hier wieder ist es die wahrhaft monumentale Mitteltafel - sie ziert zu Recht den Umschlag des Katalogs -, die von hohem kunsthistorischen Interesse ist. Man sieht eine dreigeteilte Szenerie: In der oberen Bildhälfte erscheint der auferstandene Christus in einer Gloriole voller geflügelter Engelsköpfe. Die untere Bildhälfte ist wiederum geteilt: links der Abstieg Christi in die Vorhölle, rechts eine Gruppe schlafender Grabwächer.

Zwei Aufsätze wenden sich dieser Komposition zu: Zum einen der Bericht der mit der Wiederherstellung befassten Restauratoren (Barbara Staudacher und Klaus Büchel) und eine Bildanalyse der Trierer Kunsthistorikern Birgit Ulrike Münch. Besonders diese überzeugt durch Gelehrsamkeit, Findigkeit und Kenntnisreichtum auf aktuellstem Stand und mündet in der Herausarbeitung der zentralen bildtheologischen Aussage: »Dank der Auferstehung darf der Gläubige auf die Errettung seiner Seele hoffen - und sich dank der Vorhöllenfahrt Christi letzten Endes sogar dessen gewiss sein.«

In summa: Der Katalog informiert über die religiösen, politischen und kunstgeschichtlichen Verhältnisse Deutschlands um die frühe Mitte des 16. Jahrhunderts, indem er das Auftraggeber-Künstler-Verhältnis zwischen Albrecht von Brandenburg und Lukas Cranach d. Ä. thematisiert.

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Es bleibt nachzutragen, dass sich die Aschaffenburger Ausstellung an die Ausstellung »Der Kardinal« (9.9. bis 26.11.2006) in Halle anschließt, zu der - ebenfalls bei Schnell und Steiner - ein zweibändiger Katalog erschienen ist. Man hat beide Ausstellungskataloge zusammen als eine vorzügliche Dokumentation zur deutschen Kunst der Renaissance im Kontext ihrer (kirchen)politischen und religionsgeschichtlichen Enstehungsbedingungen zur Kenntnis zu nehmen.

 Bibliographische Angaben

Gerhard Ermischer / Andreas Tacke (Hrsg.): Cranach im Exil - Aschaffenburg um 1540: Zuflucht - Schatzkammer - Residenz, Schnell und Steiner, Regensburg 2007, Gebunden, 395 Seiten mit 230 Farbabbildungen.
Preis: € 24,90

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